Essen-Dellwig. Obwohl er seit über einem Jahr an einer Baustelle wohnt, muss ein Dellwiger für die Straßenreinigung bezahlen. Dagegen wehrt er sich.

Mit Lärm und Schmutz vor der Haustür muss die Familie Wagner in Dellwig seit eineinhalb Jahren leben. Denn im Januar 2019 begann der Neubau der Eisenbahnunterführung Rauchstraße. Es ist schon ärgerlich genug, dass der Abschluss der Bauarbeiten seit fast einem halben Jahr überfällig ist, doch nun sollen die Wagners auch noch für die Straßenreinigung bezahlen. „Das Stadtsteueramt verlangt von uns als Anlieger die volle Gebühr“, erklärt Ralf Wagner (48). Dabei ist die Gleisstraße vor seinem Elternhaus eingezäunt und eine Sackgasse.

Die Kehrmaschine drehe bereits vor dem Nachbarhaus ab

Die Eisenbahnunterführung Rauchstraße sollte bereits Ende Januar wieder freigegeben worden sein. Nun wird Ende Juni anvisiert. Derzeit sind keine Aktivitäten an der Baustelle zu erkennen.
Die Eisenbahnunterführung Rauchstraße sollte bereits Ende Januar wieder freigegeben worden sein. Nun wird Ende Juni anvisiert. Derzeit sind keine Aktivitäten an der Baustelle zu erkennen. © FUNKE Foto Services | Julia Tillmann

„Seit die Baustelle eingerichtet wurde, ist die gesamte 14 Meter lange Fläche vor dem Gebäude, inklusive Einfahrt, nicht mehr gereinigt worden“, berichtet Ralf Wagner. Denn die Kehrmaschine drehe bereits vor dem Nachbarhaus um. Dabei wäre aus Wagners Sicht immerhin ein 6,50 Meter langes Straßenstück vor seinem Haus frei zugänglich.

In Straßen, die von der Stadt saubergemacht werden – nicht alle gehören dazu – erbringen die Essener Entsorgungsbetriebe (EBE) diese Leistung. Die Gebühr wird vierteljährlich als Teil der Grundbesitzabgaben eingezogen. Pro Frontmeter wurden an der Gleisstraße 8,13 Euro fällig. Wagner hat ausgerechnet, dass seinem Vater demnach 2019 insgesamt 60,97 Euro für eine Leistung berechnet wurden, die gar nicht erbracht wurde. „Aber nur, wenn ich zugrunde lege, dass statt der gesamten 14 Meter Straßenfläche seit Einrichtung der Baustelle wenigstens 6,50 Meter ordentlich gereinigt worden wären.“ Dies sei aber nicht geschehen.

Mehrere Einsprüche blieben erfolglos

2020 hat die Familie für bisher zwei Quartale eine Gebühr von 30 Euro (zweimal 7,50 Meter mal 8 Euro) berappen müssen, obwohl die Kehrmaschine nach wie vor immer noch 7,50 Meter davon gar nicht hätte anfahren und dementsprechend auch nicht hätte reinigen können. Alles in allem kommt Ralf Wagner nach seinem Rechtsverständnis auf ein Guthaben von wenigstens 90,97 Euro. Der Stadt hat Wagner, der seit 35 Jahren mit den Eltern in der ruhigen Wohnstraße lebt, bereits mehrere Einsprüche geschrieben, bisher aber erfolglos.

Die Gebühr ist stark angestiegen

Seit dem Jahr 2000 ist in Essen die so genannte Benutzungsgebühr je Frontmeter von 5,35 Euro auf 8 Euro gestiegen. Im vergangenen Jahr betrug sie sogar 8,13 Euro.

Nun will Ralf Wagner bei der Stadt beantragen, ihn von der Straßenreinigungsgebühr zu befreien: „Wir machen ja ohnehin schon anderthalb Jahre alles selbst sauber.“

Die Gebührenordnung der Stadt Essen für die Straßenreinigung und den Winterdienst ist unter https://media.essen.de/media/wwwessende/aemter/15/SR711a-a1-neu.pdf veröffentlicht.

Auf Anfrage erklärt das Presseamt der Stadt: „Laut § 9 Abs. 4 der Straßenreinigungs- und Winterdienstsatzung (SWS) der Stadt Essen besteht nur bei einem erheblichen Ausfall der Reinigungsleistung von mehr als 10 Prozent ein anteiliger Erstattungsanspruch für die Straßenreinigungsgebühren. Dieser richtet sich sowohl nach der Reinigungshäufigkeit als auch nach der auf die in der betroffenen Straße insgesamt zu reinigenden Gesamtfläche.“

Für „Haus & Grund“ ein typischer Fall

Seit eineinhalb Jahren ist die Gleisstraße in Dellwig an der Einmündung Rauchstraße gesperrt.
Seit eineinhalb Jahren ist die Gleisstraße in Dellwig an der Einmündung Rauchstraße gesperrt. © FUNKE Foto Services | Julia Tillmann

Eine Antwort, die Werner Weskamp, Geschäftsführer des Eigentümerverbandes Haus & Grund in Essen, nicht überrascht. „Ein typischer Fall“, sagt er. „Da galoppiert wieder der heilige Bürokratius.“ Der Jurist empfiehlt jedem Anlieger, Rechte möglichst schnell anzumelden, wenn vor der Haustür umfangreiche Straßenbauarbeiten stattfinden. Im Internet könne man den Straßenreinigungssatz einsehen. „Damit lässt sich ermitteln, ob und wie eine Gebührenerstattung erlangt werden kann.“

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Für die Wagners könne keine Rückerstattung erfolgen, entgegnet die Stadt und belegt das anhand zweier Faktoren. Erstens: Die Gleisstraße werde laut der Entsorgungsbetriebe jeden Donnerstag gereinigt, nur an vier Feiertagen sowie vier weiteren Terminen geschah das nicht. Dafür gebe es generell kein Geld zurück. „Daher verbleiben tatsächlich noch vier erstattungsfähige Reinigungsausfälle“, schreibt die Stadt. Und zweitens machten diese nur 7,69 Prozent aus und führten daher nicht zu einem Erstattungsanspruch.