Essen. Sinkende Messwerte und wachsende Probleme für den städtischen Haushalt befeuern aber die Debatte um die Sinnhaftigkeit des Projektes.
Angesichts wachsender Haushaltsprobleme durch die Coronakrise und sinkender Schadstoffwerte hat sich in der Politik eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit von Verkehrsprojekten wie der Umweltspur entzündet. Deren Einrichtung hat der Bau- und Verkehrsausschuss des Stadtrates in seiner Sitzung am Donnerstag mit denkbar knapper Mehrheit von acht zu sieben Stimmen auf den Weg gebracht.
Der Fachausschuss gab außerdem nachträglich grünes Licht für die Ausweisung zusätzlicher Carsharing-Stellplätze im Stadtgebiet sowie für die Einrichtung weiterer Fahrradstraßen, unter anderem auf der Rüttenscheider Straße.
Umweltspur ist Bestandteil des Vergleichs mit der Deutschen Umwelthilfe
Beide Beschlüsse waren zuvor stellvertretend für den Ausschuss per Dringlichkeitsbeschluss durch den Oberbürgermeister und einen Vertreter der Politik gefasst worden, um einen zeitigen Baubeginn zu ermöglichen.
Alle genannten Projekte sind Bestandteil des gerichtlichen Vergleiches, auf den sich die Stadt Essen und das Land NRW mit der Deutschen Umwelthilfe zur Vermeidung von Fahrverboten verständigt hat.
Nach Angaben des Landesumweltamtes (LANUV) ist die Belastung durch Stickstoffdioxid im vergangenen Jahr indes weiter gesunken. Der zulässige Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft wurde nur noch an zwei Messstellen überschritten: An der Krayer Straße, wo im Jahresdurchschnitt 41 Mikrogramm gemessen wurden, und an der Messstelle in Frohnhausen, welche die Belastung auf der A40 erfasst. Dort lag der Messwert über zwölf Monate gerechnet bei 43 Mikrogramm.
Der Grenzwert wird nur noch an zwei Messstellen überschritten
An der Alfredstraße wurde der Grenzwert mit einer Belastung von durchschnittlich 39 Mikrogramm hingegen eingehalten. Gleiches galt für die Gladbecker Straße, wo im Jahresdurchschnitt 38 Mikrogramm gemessen wurden. Beide Straßen zählen in Sachen Luftbelastung zu den sogenannten Hotspots.
SPD-Ratsherr Michael Stelzer fordert angesichts der Daten eine rechtliche Überprüfung des geschlossenen Vergleiches. Die Voraussetzungen für die Klage der Deutschen Umwelthilfe seien nicht mehr gegeben.
Die Stadt Essen hat nach Aussage von Umweltdezernentin Simone Raskob bereits eine juristische Stellungnahme der Bezirksregierung Düsseldorf eingeholt. Demnach könnte die Deutsche Umwelthilfe eine Umsetzung des Vergleiches gerichtlich erzwingen lassen. Stichtag für den Vergleich sei zudem der 1. Juni 2021, betonte Raskob. Dann müssten die Grenzwerte an allen Messstellen eingehalten werden.
FDP und Bürgerbündnis verweisen auf "katastrophale Haushaltslage"
Die FDP warb vergebens dafür, den Beschluss für den Bau der Umweltspur auszusetzen. Von deren Nutzen überzeugt waren die Liberalen nie. Auch angesichts der "katastrophalen Haushaltslage" verbiete sich eine Investition von rund 2,5 Millionen Euro. Eine Einschätzung, die auch das Essener Bürgerbündnis (EBB) teilt.
Auch Grünen und Linke verweigerten der Umweltspur ihre Zustimmung; beiden Fraktionen gehen die Einschränkungen für den Autoverkehr nicht weit genug. Gleiches gilt für die Fahrradstraße auf der Rüttenscheider Straße. Da die Einkaufsstraße anders als zunächst geplant nun doch auch für Autofahrer durchgängig befahrbar bleibt, sei eine Fahrradstraße dort "rausgeschmissenes Geld", kritisierte Ratsherr Ernst Potthoff (Grüne)
Die CDU stimmte zu, wenn auch mit Bauchschmerzen. Das "Gesamtpaket" wolle man nicht wieder aufschnüren, so Ratsherr Uwe Kutzner. Allein die SPD erinnerte daran, aus welchem Grund die Stadt Essen sich dazu entschlossen habe, alternative Verkehrsmittel zu fördern. Ziel sei eine Verkehrswende für eine lebenswertere Stadt.
Allein Ratsherr Michael Stelzer scherte aus. Selbst Jurist würde er es wohl auf eine Klage der Deutschen Umwelthilfe ankommen lassen.
DIE UMWELTSPUR
Die geplante Umweltspur soll entlang der östlichen Innenstadt vom Varnhorstkreisel über die Berne Straße und die Schützenbahn bis zum Viehofer Platz führen, wo sie in die Friedrich-Ebert-Straße mündet. Auf der Umweltspur dürfen ausschließlich Radfahrer und Busse der Ruhrbahn fahren. Ziel ist es, den öffentlichen Nahverkehr zu beschleunigen und Radfahrern einen sicheren Weg in die Innenstadt anzubieten.
Ein baulich von der Fahrbahn abgetrennter Radweg, eine sogenannte "Protected bike lane" durch den Tunnel unter den Gleisen der Deutschen Bahn zwischen Helbingbrücken und Varnhorstkreisel ist Bestandteil der Umweltspur.