Essen. Corona-Krise: Mindestens zehn Prozent weniger Lehrverträge als sonst werden in Essen abgeschlossen, befürchten die Unternehmen.
Weniger Schulabgänger als sonst werden in diesem Sommer eine Berufsausbildung starten. Das liegt an der Corona-Krise. Sie verhindert seit Wochen, dass Lehrverträge abgeschlossen werden können. Derzeit gebe es rund zehn Prozent weniger abgeschlossene Kontrakte als zum vergleichbaren Zeitpunkt in den Vorjahren, berichten Kreishandwerkerschaft und Industrie- und Handelskammer (IHK) übereinstimmend.
Ausbildung in den Firmen zurzeit kein Thema
„Die Firmen plagen sich mit Kurzarbeit und Hilfe-Darlehen herum, da ist das Thema Ausbildung ganz weit nach hinten gerückt“, berichtet Wolfgang Dapprich, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft. „Klar ist schon jetzt, dass wir die Vorjahreszahlen nicht erreichen werden.“ Die Lehrstellenbörse, bei der mehr als 100 freie Stellen immer noch kurz vor Toresschluss vergeben werden, wird wegen der Corona-Krise ausfallen, und erstmals denkt die Kreishandwerkschaft darüber nach, überbetrieblich auszubilden und die Lehrlinge dann im kommenden Jahr in die Betriebe zu schicken. „Das ist aber noch nicht abgesprochen und entschieden“, betont Dapprich.
Handfeste Hindernisse bei der Anbahnung eines Lehrvertrags
Neben den aktuellen, wirtschaftlichen Problemen hinderten auch ganz handfeste Probleme die Betriebe daran, Lehrlinge auszusuchen für das kommende Ausbildungsjahr: Unterschriften seien in den letzten Wochen nicht getätigt worden, und „würden Sie jemanden einstellen, den Sie nur über Skype gesprochen haben?“, fragt Franz Roggemann, bei der IHK zuständig für Aus- und Weiterbildung. Rund 2.500 Ausbildungsverträge werden jährlich in Essen im Bereich der IHK neu abgeschlossen, plus rund 700 bis 800 im Handwerk, „wir rechnen mit einem deutlichen Rückgang in diesem Jahr.“ Es werde bereits laut darüber nachgedacht, den Start von betrieblichen Ausbildungen auf Februar 2021 zu verschieben. Bislang sei erst ein Drittel der Lehrverträge, die sonst bis August oder September zustandekommen, unter Dach und Fach - wobei diese Zahl üblich ist im Monat Mai und noch nichts darüber aussagt, wie massiv sich die Corona-Krise auswirken wird auf das Ausbildungsgeschehen.
Berufskollegs erwarten Ansturm
Unterdessen gehen die Berufskollegs in Essen davon aus, dass im Herbst eine große Zahl von unversorgten Schülern die Vollzeit-Bildungsgänge belegen wird, die als Übergang zwischen Schulabschluss und Lehr-Start gelten und den Kandidaten unter anderem ermöglichen, ihren Schulabschluss zu verbessern. Dass knapp zwei Monate ohne Präsenz-Unterricht an den Schulen das Qualitätsproblem der Bewerber, das die Betriebe seit Jahren monieren, nicht verbessert hat, liegt auf der Hand: „Da werden jetzt Schüler durchgewunken und bekommen einfach ihr Abschlusszeugnis, am Ende wird wieder ganz viel an nötigen Qualifikationen fehlen“, sagt jemand, der sich seit Jahren mit der Materie beschäftigt.