Essen. Die meisten Geschäfte in der Innenstadt haben geöffnet, doch Kunden bleiben aus. Die Stimmung ist getrübt wie nie. Hoffnung auf Wende ab Montag.
Die Stimmung in der Essener Innenstadt ist auf einem „historischen Tiefstand“. Das berichtet Marc Heistermann, Hauptgeschäftsführer des Essener Einzelhandels. Die starken Corona-Beschränkungen machten derzeit jedes Einkaufs-Erlebnis zunichte. Die Geschäfte hoffen auf Besserung ab Montag: Dann dürfen sie wieder ihre kompletten Verkaufsflächen öffnen. Derzeit gibt es eine Beschränkung ab 800 Quadratmetern.
Mit ein bisschen Sarkasmus könnte man sagen: Wer derzeit die Einsamkeit sucht, sollte in die Einkaufsstadt Essen fahren. Dort sieht es am Freitag Vormittag aus wie an einem Sonntag: Kaum Kunden, viel Platz in den Fußgängerzonen - nur, dass die Läden geöffnet sind. Und selbst das stimmt noch nicht mal: Textilriese „Primark“ - zu. Die Turnschuhläden von „Foot Locker“ - geschlossen. Telekom auf der Kettwiger, „Gina Tricot“ auf der Limbecker - dicht.
„Menschen sind aggressiv, ich bin froh, wenn ich gleich wieder nach Hause komme“
„Furchtbar“ findet Kundin Evelyne Stein die Stimmung in der Innenstadt. Die Frau aus Borbeck steht vor einem Sonnenbrillen-Stand von „Woolworth“, und es ist noch nicht mal die Ödnis der Leere, die sie so bedrückend findet: „Die Menschen sind aggressiv und mürrisch. Ich musste hier nur kurz was besorgen und bin froh, wenn ich gleich wieder nach Hause komme.“
In der Galeria Karstadt-Kaufhof führen Pfeile aus Klebeband auf dem Boden den Kunden durch das Erdgeschoss, und nach wenigen Metern ist schon wieder Schluss: Da gibt es dann Info-Stände hinter Plexi-Glas, dort versuchen die Verkäufer ihr Bestes: Kunden müssen sagen, was sie möchten, die Angestellten verschwinden dann in den Gängen und holen die Handtaschen, Damensocken, Herrenschuhe in einigermaßen großer Auswahl.
So geht es auch mit den Spiel- oder Sport- oder Haushaltswaren aus den Etagen, die derzeit gesperrt sind. Die Rolltreppen stehen still, schwarzgelbes Flatterband bestimmt das Bild. Immerhin: „Oster-Süßwaren 70 Prozent reduziert“. Bunt verpackte Schokohasen grinsen in Reih’ und Glied, aber nein: Schönes Shopping geht anders.
Die Kunden bleiben aus, aber lange Schlangen gibt es trotzdem
Das Paradoxe ist ja: Lange Schlangen gibt es trotzdem. Zumindest in und vor den großen Häusern. Im Limbecker Platz ist auch an diesem Vormittag eine Schlange vor dem „Saturn“-Elektromarkt, so wie immer eigentlich; samstags reicht sie gut und gerne 100 Meter weit, da muss man mindestens eine Stunde Wartezeit in Kauf nehmen. Doris Späth steht gerade geduldig an und sagt: „Ich hätte mir eine Kaffeemaschine ja auch online kaufen können, aber ich bin da altmodisch und will erst sehen, wofür ich mein Geld ausgebe.“
An der Eingangstür von „Saturn“ weist eine Mitarbeiterin die Kunden ein: Bis zur Säule an den Kaffeemaschinen, da bitte wieder anstellen. Bis der nächste Service-Mitarbeiter ansprechbar ist. Immerhin: Im Limbecker Platz haben etwa 165 von fast 200 Geschäften geöffnet, berichtet Center-Managerin Alexandra Wagner, „und wir hoffen, dass am Montag alle wieder öffnen werden.“
Einzelhandelsverband sieht „enorm schwierige Zeit für uns alle“
Doch bei aller Hoffnung: Die Maskenpflicht und Abstandsregeln, sie bleiben ja bestehen. Wer die Boutiquen wie „New Yorker“ oder Märkte wie „Woolworth“ besuchen will, wird auch weiterhin einen frisch desinfizierten Einkaufskorb in die Hand gedrückt bekommen. Nicht als Service, sondern als Durchzähl-Hilfe. Sind die Körbe alle vergeben, darf kein Kunde mehr hinein. Für Galeria Karstadt-Kaufhof heißt das: Maximal 800 Menschen auf 16.000 Quadratmetern. Immerhin.
Wie sollen das die Geschäfte überleben, Herr Heistermann? Der Hauptgeschäftsführer des Essener Einzelhandelsverbandes sagt: „Jetzt kommt es entscheidend auf die nächsten Wochen und Monate an.“ Dann müssten die Kunden zurückkehren - sonst werde es erhebliche Probleme geben. „Es ist eine enorm schwierige Zeit für uns alle.“ Schließlich sei es nicht nur die schlechte Stimmung in der Innenstadt, sondern auch die „massive Kauf-Zurückhaltung“ angesichts Kurzarbeiter-Geld und großer, wirtschaftlicher Unsicherheit in vielen Familien. „Essen, die Einkaufsstadt“ - ein Fragezeichen hinter dem traditionsreichen Neonschriftzug auf dem Hotel Handelshof wäre jetzt angebracht.