Essen-Rüttenscheid/Holsterhausen. Für Kinder, die mit dem Rad unterwegs sind, fehlt es an Sicherheit, kritisieren Essener Eltern. Dabei sind auch parkende Autos ein Problem.
Eigentlich ist Selvi Reimann gerne mit dem Rad unterwegs, sie hatte sich das Radfahren seinerzeit sogar im Kindergarten selbst beigebracht. Die 14-jährige Rüttenscheiderin würde auch noch mehr Strecken, ob zum Unterricht oder zum Sport, auf zwei Rädern zurücklegen, „wenn es bessere und sichere Wege gäbe“, sagt sie. Die Schülerin ist eine von drei Kindern in der Familie. Ihre Kritik: Für Kinder mangele es an geeigneten Radwegen in den Stadtteilen.
Kurzstrecken mit dem Auto würden die Eltern aus Essen-Rüttenscheid gern vermeiden
Sie betrachte sich nun wirklich nicht als Helikoptermutter, sagt Katina Reimann, Mutter der 14-Jährigen. Aber wenn ihre Tochter beispielsweise mit dem Rad zu den Sportstätten auf der Margarethenhöhe wolle, „gibt es offen gesagt nicht viele Möglichkeiten“. Auf einigen Straßen dorthin bestünden überhaupt keine Radwege, erklärt die 51-Jährige. Ein Stück der Wegstrecke auf der stets stark mit Autos befahrenen Rüttenscheider Straße zurückzulegen, sei wiederum mehr als bedenklich. Ähnlich verhalte es sich, wenn ihre Tochter Nachhilfetermine an der Alfredstraße absolvieren wolle. Die B224 sei bekanntlich sehr stark befahren und biete keine eigenen Radspuren, dann bleibe im Prinzip nur noch die Rüttenscheider Straße, erklärt Reimann.
Solche umweltbelastenden Kurzstrecken mit dem Auto zurück zu legen, würde Reimann gerne vermeiden, doch bei der Verkehrslage geht die Sicherheit ihres Kindes für die Mutter vor. Ab und an entscheide man sich auch für den Bus. Der ältere Sohn Lauris (13) besucht die Gesamtschule in Holsterhausen, aufgrund einer körperlichen Beeinträchtigung hat man für ihn ein Liegerad gekauft. Den Schulweg würde er gerne damit zurücklegen, doch entlang von Krawehl-, Gemarken- oder Rubensstraße sei es viel zu gefährlich und mit dem Liegerad eckt er schon mal an. Zwei Mal habe er es im Laufe der Zeit gewagt, es sei auch alles gut gegangen. Doch Lauris kann sich an seine mulmigen Gefühle damals nur zu gut erinnern und hat seitdem zu große Angst, so Katina Reimann. Die teure Anschaffung war für sie umsonst.
Schon für das Erlernen des Radfahrens mangelt es an geeigneten Möglichkeiten
Familien sind zur Fahrraddemo eingeladen
Andreas Kewes engagiert sich für die Initiative Kidical mass, die an drei Samstagen in diesem Jahr zur Fahrrad-Demo für die ganze Familie einlädt: 21. März, 6. Juni und 29. August.
Beginn ist jeweils um 14 Uhr am Spielplatz Brunnenstraße im Stadtgarten. Die Route hat zwei Etappen, von sechs und vier Kilometern.
Die Initiative setzt sich dafür ein, dass Kinder sicher und selbstständig mit dem Fahrrad unterwegs sein können.
Die drei Familien kritisieren zudem die Ampelschaltungen an den Kreuzungen der Rü mit der Martin-/Franziskastraße und der Girardetstraße. Zum einen seien die Grünphasen für Fußgänger zu kurz, zum anderen die Ampeln nicht gleichgeschaltet. Während der Passant noch grünes Licht an der Ampel hat, auf die er zugeht, habe die andere Ampel schon rot. Das irritiere Autofahrer. Sie gehen davon aus, dass insgesamt schon die Rotphase begonnen habe.
Nach Worten von Estelle Fritz beginnen die Schwierigkeiten für die Kinder bereits, wenn sie das Radfahren erlernen sollen. Auf den Bürgersteigen sei es meist viel zu eng, zu voll und zu gefährlich, in Haupt- und Nebenstraßen herrsche ohnehin viel zu viel Verkehr. Da bleiben, wie die 44-Jährige Mutter berichtet, meist nur die Fläche auf dem Messeparkplatz als Alternative übrig. Ihre beiden Kinder sind mit fünf und acht Jahren noch in einem Alter, in dem sie auf dem Bürgersteig fahren müssen. Das macht es aber nach Erfahrungen der Rüttenscheiderin nicht besser. Gerade auf der Rüttenscheider Straße fehle es schlichtweg an Möglichkeiten, um dort mit Kindern zu radeln. Sie habe es auch schon erlebt, dass ein offensichtlich genervter Passant gegen das geschobene Kinderrad ihres Sohnes getreten habe.
Nur auf Umwegen zum Rüttenscheider Bad
Solcher Ärger könne sie aber nicht davon abhalten, trotzdem mit ihren Kindern per Rad Ziele in nächster Umgebung anzusteuern. Aber das habe durchaus einen Haken. So lasse sich beispielsweise der Schwimmunterricht im Rüttenscheider Bad nur auf Umwegen erreichen. Abgesehen davon, dass es zwei bis drei Mal länger dauere, bis man vor Ort angelangt sei, bedeute es auch, mehrere unübersichtliche Kreuzungen zu queren. „Da kommt meist Stress auf“.
Zu den wesentlichen Gefahrenquellen an Kreuzungen gehören nach Ansicht von Andreas Kewes parkende Autos. „Die meisten dürfen da zwar nicht stehen, aber die Fahrer halten sich nicht an die Verbote“. Das erlebe er Tag für Tag, sagt der 38-Jährige, denn mit seinen Kindern sei er viel auf Tour. Die jüngste (2) hat er per Kindersitz mit an Bord, die ältere (9) radelt nebenher.
Parkende Autos in Kreuzungsbereichen verstärken die Gefahren
Kreuzungsbereiche zu passieren sei enorm schwierig, da man die Ein- und Ausfahrten nur unzulänglich einsehen könne, bemängelt der Familienvater. Ein weiteres Ärgernis sind für ihn Autos, die in zweiter Reihe parken. „Zum Leidwesen der Radfahrer.“ Bei den Ausweichmanövern bleibe ihnen meist nichts anderes übrig, als die Gegenfahrbahn zu benutzen. Das wiederum sei mitunter sehr riskant. Seine Tochter würde gerne den Schulweg zu dem Gymnasium, das sie nach den Sommerferien besucht, per Rad zurücklegen. Weil aber auf einem Teilstück stets in zweiter Reihe geparkt werde, „überlegen wir, ob man das überhaupt verantworten kann“.
Kewes betont, dass Kinder aufgrund ihrer Körpergröße und Wahrnehmungsfähigkeiten im Straßenverkehr nun mal ganz besonders schutzbedürftig seien. Das Tempo mancher Autofahrer lasse indes nicht vermuten, dass sie darauf Rücksicht nehmen.