Essen. Mit einem Weckruf fordern Umweltinitiativen von der Stadt mehr Engagement gegen die Klimakrise. Auch sie bedrohe persönliche Freiheiten.

Essens Umwelt- und Klimaschutz-Initiativen melden sich mit einem Weckruf zurück: Mit einem "Call for action" fordern sie die Politik und die Stadtspitze auf, Worten auch Taten folgen zu lassen und mehr für den Klimaschutz zu tun. Ihre Botschaft: Einschränkungen der persönlichen Freiheit und des öffentlichen Lebens, wie wir sie aktuell aufgrund der Coronakrise erleben, seien nur ein Vorgeschmack auf das, was kommenden Generationen durch die Klimakrise droht.

Immer freitags versammelten sich Schüler auf dem Willy-Brandt-Platz, Aktivisten trugen den Protest vors Rathaus, zu Tausenden zogen sie in einem Demonstrationszug um die Innenstadt: Umweltinitiativen war es gelungen, Aufmerksamkeit zu erzeugen und das Thema Klimaschutz weit oben auf der politischen Agenda zu platzieren. Dann kam die Coronakrise - und überdeckte alles.

Die Stadt Essen will sich an ihren Taten für den Klimaschutz messen lassen

"Wir haben die Füße stillgehalten", sagt Christiane Gregor von den Parents for Future. Untätig waren die Klimaschützer jedoch nicht. In einem Schreiben an Oberbürgermeister Thomas Kufen, Umweltdezernentin Simone Raskob und Planungsdezernent Marin Harter sowie an die Vorsitzenden der Fraktionen im Rat der Stadt erinnern sie die Verantwortlichen in Verwaltung und Politik an gefasste Beschlüsse und fragen: Was ist daraus geworden?

Zwar hatte der Rat im Juli vergangenen Jahres zur Enttäuschung von Umwelt- und Klima-Aktivisten, die der Sitzung auf der Tribüne im Ratssaal beiwohnten, darauf verzichtet, den "Klima-Notstand" auszurufen. Oberbürgermeister Thomas Kufen erklärte jedoch sinngemäß, die Stadt Essen wolle sich lieber an Taten messen lassen, statt sich mit Symbolpolitik zu begnügen. "Die Messlatte liegt damit sehr hoch", sagt Estelle Fritz von der Initiative "Gemeinsam für Stadtwandel". Bislang seien Politik und Verwaltung dem selbst formulierten Anspruch nicht gerecht geworden.

Die Notwendigkeit, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, ist erkannt

So habe der Rat festgestellt, dass der Weltklimarat es dringend für notwendig erachtet, die Treibhausgasemissionen bis weit vor 2030 zu reduzieren, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken. Die Klimaschutz-Initiativen vermissen jedoch konkrete Beschlüsse, die daraus folgen.

Andere würden nur schleppend oder gar nicht umgesetzt. Mehr Tempo wünschen sich die Initiativen beispielsweise beim Ausbau der Solarenergie, bei der energetischen Sanierung städtischer Gebäude sowie beim Umstieg vom Auto auf umweltfreundliche Verkehrsmittel. Auch für den Schutz der Artenvielfalt müsse die Stadt dringend mehr tun. Die vom Kämmerer verhängte Haushaltssperre dürfe dem nicht im Wege stehen.

Lobende Worte an die Adresse der Stadtspitze für die Bewältigung der Pandemie

Die aktuelle Coronakrise zeigt nach Überzeugung der Initiativen, wohin es führt, wenn wir nicht nachhaltig handeln. Auch wenn nicht zweifelsfrei geklärt ist, wie das Virus auf den Menschen überspringen konnte. Für die Bewältigung der Pandemie gibt es lobende Worte an die Adresse der Stadtspitze. "Die gleiche Ernsthaftigkeit wünschen wir uns in Sachen Klimaschutz", sagt Estelle Fritz. Diese sei eine dauerhafte Aufgabe.

Sonst, so fürchtet Estelle Fritz, könnten Maßnahmen der Behörden, wie wir sie derzeit zur Eindämmung von Corona erleben, in 10 oder 20 Jahren "Standard werden, weil man die Notbremse wird ziehen müssen".

"CALL FOR ACTION"

Den "Call for Action" an die Adresse von Politik und Verwaltung tragen mehr als 30 Umweltinitiativen und Gruppen mit. Die Reihe der Unterzeichner reicht vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) über den Beirat der Evangelischen Kirche für Umweltfragen bis zum Stadtverband der Kleingartenvereine.