Essen. Bei den gefälschten SPD-Plakaten, die am Donnerstag im Stadtgebiet auftauchten, handelt es sich wohl nicht um rechte Hetze, sondern linke Satire.
Bei den gefälschten SPD-Plakaten, die am Donnerstagmorgen an mindestens zehn Stellen im Essener Stadtgebiet aufgetaucht sind, handelt es sich offenbar nicht um rechte Hetze, sondern um linke Satire. Die Urheber der Plakate sind weiter unbekannt, die Polizei ermittelt. Die Poster, die auf den ersten Blick nicht von SPD-Wahlwerbung zu unterscheiden sind, wurden illegal in Glaskästen der Werbefirma Ströer aufgehängt. Die Poster sind mittlerweile von der Polizei entfernt worden.
„Es wird ermittelt, ob die Werbekästen gewaltsam aufgebrochen oder mit einem Nachschlüssel geöffnet wurden“, berichtet am Freitagmorgen Polizei-Sprecher Peter Elke. Der Sprecher der Essener SPD, Guido Kleineheilmann, berichtet, dass der Firma Ströer kein Auftrag für die Plakate vorlag. Ströer äußerte sich auch rund 30 Stunden nach der ersten Anfrage unserer Redaktion nicht.
„Wir zuerst“-Slogan in Deutschlandfarben
Die Plakate, die mit dem offiziellen SPD-Logo versehen sind sowie einem „Wir zuerst“-Slogan in Deutschlandfarben, thematisieren die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Führende SPD-Politiker wie Außenminister Heiko Maas oder SPD-Bundestagsfraktions-Chef Rolf Mützenich werden mit großen Porträts dargestellt - kombiniert mit teilweise sarkastischen Sprüchen wie „Spargel vor Menschenleben“. Ein anderes Motiv zeigt ein Flüchtlingsboot auf dem Meer, kombiniert mit Corona-Regeln wie „Bleiben Sie zu Hause“.
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Die Plakate hatten von Donnerstagmorgen an für Irritationen und Empörung gesorgt. In Essen hingen sie unter anderem an der Rüttenscheider Straße, in Holsterhausen sowie in der Innenstadt. Max Adelmann, langjähriger Sprecher der Initiative „Essen stellt sich quer“, verwies zunächst auf eine nationalistische Bewegung mit den Namen „Wir zuerst“, die vor allem beim Kurznachrichtendienst „Twitter“ Verbreitung findet. „Meine erste Einschätzung“, sagte Adelmann am Freitag, „war wohl falsch.“
Polizei sucht Zeugen
Auch, wenn die Dortmunder Polizei die Ermittlungen übernommen hat, sucht auch die Essener Polizei weiter nach Zeugen.
Gefragt sind Bürger, die in der Nacht zum Donnerstag Menschen an Werbekästen gesehen haben, die womöglich wie normale Mitarbeiter der Firma Ströer aussahen, um ungestört die illegalen Plakate aufzuhängen. Hinweise nimmt die Polizei entgegen unter 0201 829.
Auch die SPD, die sofort Anzeige erstattet hatte, verortet die Urheber der Kampagne im äußerst linken Milieu. „Es handelt sich um linken Zynismus, und wir wissen selbst nicht, welche Organisation derzeit in der Lage ist, eine solche Aktion so professionell umzusetzen“, sagt Kleineheilmann. Die Täter hantierten offenbar mit Spezial-Werkzeug, um die Glaskästen zu öffnen.
Poster tauchten in mehreren NRW-Städten auf
Die Poster tauchten am Donnerstag in mehreren NRW-Städten auf - darunter Dortmund, Bochum, Essen, Duisburg, Düsseldorf und Moers. Die Ermittlungen hat inzwischen der Staatsschutz der Dortmunder Polizei übernommen. Die Essener SPD hatte die Aktion sofort aufs Schärfste verurteilt und von einer „hohen kriminellen Energie“ gesprochen.
Doch die Provokation findet auch durchaus Freunde: Von einer „gelungenen politischen Satire“ spricht Jules El-Khatib, der aus Essen stammende Vize-Vorsitzende der Linken in NRW. „Wobei man die Kritik eigentlich auch gegen die CDU richten müsste“, sagt El-Khatib.
Die illegale Aktion erinnert an eine Poster-Kampagne in Dortmund, deren Urheber bis heute nicht ermittelt werden konnten: Vor gut einem Jahr wurden über Nacht Plakate aufgehängt, die wie offizielle BVB-Poster aussahen und sich kritisch mit der Neonazi-Szene in Dortmund auseinandersetzten („Lieber Schalke-Sieg als Nazi-Kiez!“).