Essen. Die Essener Innenstadt erwacht langsam wieder zum Leben. Am Montag kamen viele Neugierige. Mancher war enttäuscht, weil viele Läden zu bleiben.

Mit den ersten geöffneten Geschäften ist am Montag auch das Leben in die Essener Innenstadt zurückgekehrt. Von einem Ansturm kann noch keine Rede sein, doch auf den Einkaufsstraßen flanierten bei sonnigen Wetter zahlreiche Neugierige. Ein neues Modeaccessoire brachten viele von ihnen schon mit: den Mundschutz – von medizinisch nüchtern bis zum aufs Sommerkleid abgestimmten Blümchendekor.

Das junge Paar aus Rüttenscheid hat auf die Maske verzichtet, aber die Sonnenbrille dabei. Noch habe er Urlaub, sagt der 31-Jährige, und darum mal schauen wollen, wie die City erwacht. Zuletzt sei es dort ja sehr ausgestorben gewesen, so wie sonst nur sonntags. „Ein Monat lang Sonntag – das ist ein bisschen viel.“ Vor allem für seine Freundin, die normalerweise einmal wöchentlich shoppen geht und nur im Notfall im Internet bestellt. Nun wäre die 20-Jährige gern wieder durch Boutiquen gebummelt, ist aber vom aktuellen Shopping-Angebot nicht restlos überzeugt: „Viel ist ja noch nicht offen.“

Der Blumenstand an der Kettwiger Straße ist ein belebendes Element. Wie man auf dem Bild sieht, tragen viele Essener jetzt einen Mundschutz.
Der Blumenstand an der Kettwiger Straße ist ein belebendes Element. Wie man auf dem Bild sieht, tragen viele Essener jetzt einen Mundschutz. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Ähnlich beurteilt es die 26-jährige Marwa aus Dellwig, die während der gesamten Schließungszeit nicht in der Innenstadt war und sich nun darauf gefreut hatte, Klamotten anzuprobieren statt sie online zu bestellen. „Es ist fast nichts geöffnet – das ist eine Enttäuschung.“

Kunden erleben eine Einkaufsstadt light

Die junge Frau übertreibt möglicherweise, aber tatsächlich erlebt man derzeit bestenfalls eine Einkaufsstadt light: Das liegt zum einen daran, dass die Kaufhäuser und Läden mit mehr als 800 Quadratmeter nicht öffnen dürfen. Da bleibt etwa an der Kettwiger Straße das günstige Primark ebenso geschlossen wie das im höheren Segment angesiedelte Textilkaufhaus P&C, und an der Limbecker Straße öffnen die mehrgeschossigen Filialen von H&M oder Zara nicht.

Dem Kennedyplatz fehlt die Gastronomie: An einem Sonnentag wie diesem Montag (20. April 2020) wären die Terrassen der Cafés normalerweise dicht besetzt.
Dem Kennedyplatz fehlt die Gastronomie: An einem Sonnentag wie diesem Montag (20. April 2020) wären die Terrassen der Cafés normalerweise dicht besetzt. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Geschlossen ist dort auch „Maison du Monde“, obwohl für Möbelhäuser in Nordrhein-Westfalen Ausnahmegenehmigungen möglich sind. Offenbar haben auch noch nicht alle Geschäfte mit einer kleineren Verkaufsfläche geöffnet, möglicherweise, weil sie es nicht rechtzeitig geschafft haben, die Hygiene-Regeln und Abstandsauflagen umzusetzen. Manchmal sieht man hinter geschlossenen Türen Mitarbeiter, die im Kassenbereich Markierungen anbringen.

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Darko Garic, Inhaber des Schmuckgeschäfts Konplott an der Limbecker Straße, ist dagegen bestens präpariert: Er trägt einen Mundschutz, hat das Desinfektionsmittel zur Hand und freut sich sehr, dass es nun wieder weitergeht. Zwar habe er die Soforthilfe des Landes für seine insgesamt fünf Filialen in NRW im Handumdrehen bekommen, doch den Einnahmeausfall habe das nicht wett machen können. „Wir haben unsere Läden in Eins-a-Lagen, da sind die Mieten hoch. Wir leben von der Frequenz.“

Mit Mundschutz und Desinfektionsmittel hat sich Darko Garic gewappnet: Er freut sich, dass er sein Modeschmuckgeschäft Konplott an der Limbecker Straße endlich wieder öffnen darf.
Mit Mundschutz und Desinfektionsmittel hat sich Darko Garic gewappnet: Er freut sich, dass er sein Modeschmuckgeschäft Konplott an der Limbecker Straße endlich wieder öffnen darf. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Im Moment ist die Frequenz für seine 36 qm Verkaufsfläche auf drei Kunden begrenzt, und Garic will sich auf jeden Fall an alle Regeln halten, um die Lockerungen nicht zu gefährden. Doch die Frequenz ist an diesem Montag ohnehin denkbar niedrig, in der ersten Stunde hat er lediglich zwei Kunden begrüßt: „Die Menschen möchten ihren gewohnten Alltag zurück, aber da sind wir noch nicht.“

Dem Kennedyplatz fehlen die vollen Cafés

Corona hat die Leute ängstlicher gemacht, das haben auch die Obdachlosen erlebt, denen die Innenstadt in den vergangenen Wochen fast allein gehörte: „Die paar, die kamen, hatten ziemliche Berührungsängste“, erzählt der 61-Jährige, der mit seinem Hund Kobalt am Kennedyplatz sitzt und darauf hofft, dass er nun wieder ein paar mehr Cents bekommt. An dem von vielen Gastronomiebetrieben gesäumten Platz fällt übrigens besonders auf, dass die Normalität noch lange nicht zurück ist: An einem Sonnentag wie diesen wären zu anderen Zeiten die Terrassen voll.

Auch Buchhändler, Babymärkte und Möbelhäuser dürfen öffnen

Zusätzlich zu den Geschäften, die bisher geöffnet waren – u.a. Lebensmitteleinzelhandel, Drogeriemärkte, Apotheken, Baumärkte – dürfen ab Montag, 20. April alle Geschäfte mit einer Verkaufsfläche von bis zu 800 m² wieder öffnen. Wie die Landesregierung mitteilt, dürfen in Nordrhein-Westfalen unabhängig von der Größe zusätzlich auch Kfz-Händler, Fahrradhändler, Buchhändler, Einrichtungshäuser und Baby-Fachmärkte unter bestimmten Auflagen öffnen.

Alle Einrichtungen müssen geeignete Vorkehrungen zur Hygiene, zur Steuerung des Zutritts, zur Vermeidung von Warteschlangen und zur Gewährleistung eines Mindestabstands von 1,5 Metern zwischen Personen treffen. Dabei darf sich nur ein Kunde pro zehn Quadratmeter Verkaufsfläche im Laden befinden.

Einkaufszentren und Shopping Malls dürfen öffnen, damit die Geschäfte, die darin liegen, aufgesucht werden können. Auch die Gastronomie darf für den Außer-Haus-Verkauf geöffnet sein. Aber: Der Verzehr von Speisen und Getränken ist im gesamten Einkaufszentrum untersagt.

Auch im Einkaufszentrum Limbecker Platz sind die Gastronomiebereiche abgesperrt, nur Außer-Haus-Verkauf ist möglich. An vielen Geschäften hängen unverändert die Anschläge, dass coronabedingt geschlossen sei; auch an Modegeschäften, die gewiss keine 800 qm Fläche haben. In den Gängen flaniert um die Mittagszeit eine überschaubare Anzahl von Kunden.

Freut sich auf die Gespräche mit den Kunden: Ulrike Weber, Filialleiterin der Mayerschen an der Kettwiger Straße.
Freut sich auf die Gespräche mit den Kunden: Ulrike Weber, Filialleiterin der Mayerschen an der Kettwiger Straße. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Womöglich fremdeln Käufer und Verkäufer nach so langer Zeit noch ein wenig miteinander. An einer Buchhandlung werden Kunden nicht nur darauf hingewiesen, dass sie Abstand halten mögen, sondern auch um „kurze Beratungsgespräche“ gebeten: Das sei der Kurzarbeit geschuldet, erklärt eine Mitarbeiterin. Ulrike Weber, die die Mayersche Buchhandlung an der Kettwiger Straße leitet, freut sich dagegen gerade auf die Gespräche mit den Kunden. 100 könnte sie zeitgleich ins Geschäft lassen, anhand von Einkaufskörben wird sichergestellt, dass diese Zahl nicht überschritten wird. Mehr als 50 Körbe hat sie am Montagmittag noch nicht ausgegeben. Dafür werde viel gekauft, „und die Menschen sind sehr diszipliniert“.

Arzt Simon Bogner arbeitet am Uniklinikum und nutzt seinen freien Tag für einen Ausflug in die Essener City: Am Willy-Brandt-Platz wartet er mit Töchterchen Nina auf seine Freundin, mit der er Trauringe kaufen möchte.
Arzt Simon Bogner arbeitet am Uniklinikum und nutzt seinen freien Tag für einen Ausflug in die Essener City: Am Willy-Brandt-Platz wartet er mit Töchterchen Nina auf seine Freundin, mit der er Trauringe kaufen möchte. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Und dann ist da noch Simon Bogner, der mit Töchterchen Nina (6 Monate) am Willy-Brandt-Platz steht und auf seine Freundin wartet. Dass der Kaufhof noch geschlossen ist, kümmert den 45-Jährigen Arzt nicht, ihn interessiert nur ein Geschäft: „Wir wollen hier um die Ecke Trauringe kaufen. Die Hochzeit ist im Juni - nun fehlen uns nur die Ringe.“

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