Essen-Katernberg. Besonders in der Corona-Krise zeige sich der Wert von Grünflächen. Das betont das Essener Bündnis „Grüne Lungen für Essen

„Grün vor der Tür ist das neue Luxusgut.“ Diese Schlussfolgerung zieht in Zeiten der Corona-Krise das Bündnis „Grüne Lungen für Essen“. Zu keinem anderen Zeitpunkt werde die soziale Ungleichheit und Ungerechtigkeit in Bezug auf Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten im eigenen Lebensumfeld deutlicher, als jetzt, sagt Sprecherin Estelle Fritz.

Essener zog es über Ostern massenhaft ins erholsame Grün

Wildblumenwiesen gedeihen jetzt an vielen Stellen in Essen, u. a. an der Bonnekamphöhe in Essen-Katernberg und im Kleingarten Nöggerathstraße in Essen-Altendorf.
Wildblumenwiesen gedeihen jetzt an vielen Stellen in Essen, u. a. an der Bonnekamphöhe in Essen-Katernberg und im Kleingarten Nöggerathstraße in Essen-Altendorf. © Bünsnis

„Auf der einen Seite müssen Menschen in beengten Verhältnissen ohne Balkon oder Garten und umgeben von Beton wochenlang buchstäblich ausharren, während andere in zwei Minuten Entfernung in den Wald flanieren gehen“, kritisiert das Bündnis. Das Fazit von Dina Jankowski von der Katernberger Initiative: „Wer arm oder sozial schwächer gestellt ist, kann sich keine Wohnung in bester Grünlage leisten und zieht besonders jetzt den Kürzeren. Die Corona-Krise offenbart damit deutlicher denn je, was ,Lebens-Raum’ bedeutet. Grünflächen sind kein brachliegendes Bauland. Sie bedeuten Lebensqualität.“

Das Osterwochenende habe das jetzt in extremer Form gezeigt: Die Essener zog es massenhaft ins erholsame Grün, die Grünflächen und Parks waren überlaufen. Jeder solle nahen Zugang zu Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten haben, durch Parks oder Grünanlagen; gerade bei Ausgangsbeschränkungen wie diesen, werde das nochmals deutlich.

Éin gutes Beispiel in Essen-Katernberg

Ein gutes Beispiel gebe es in Katernberg mit der Bonnekamphöhe. Auf der Fläche von knapp drei Fußballfeldern bietet die Lichtung kleinräumige urbane Landwirtschaft in Form von Gemeinschaftsgärten, umgeben von altem Baumbestand. Sie sei ein Kleinod inmitten der Stadt, das besonders zur Corona-Zeit den Menschen in der Umgebung auch eine Freizeitmöglichkeit zum Ausruhen und Flanieren hätte bieten können, so das Bündnis.

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„Die Menschen aus der Umgebung kamen vorbei und hätten sich auch sehr gerne hier aufgehalten“ hat Hubertus Ahlers von der Bonnekamp-Stiftung beobachtet. „Nur die Besucherzahl wäre einfach zu groß gewesen. Daher mussten wir die Bonnekamphöhe leider schließen.“

Wenn es in Essen weitere solche Grünflächen gäbe, hätten die Menschen auch ein größeres Freizeitangebot – besonders im beengten Corona-Alltag. „Genau solche Modelle weiter zu schaffen, ist das Ziel des Bündnisses ‚Grüne Lungen für Essen’, so dass wir uns sehr freuen, dass die Bonnekamp-Stiftung mit langjähriger Erfahrung Mitglied unseres Bündnisses geworden ist. Diese Form der Flächennutzung sollte kein Modellprojekt sein, sondern flächendeckend zum Standard werden“, fordert Gunther Zimmermeyer von der IG Ickten.

Immobilien gewinnen an Wert

Bauer Hubertus Ahlers.
Bauer Hubertus Ahlers. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Grünflächen machten eine Wohnumgebung attraktiver, damit gewännen Immobilien in der Umgebung auch an Wert. Die einzelnen Initiativen kämpfen in ihren Stadtteilen nicht nur für den Erhalt von Landschaftsschutzgebieten und Grünflächen, sondern besonders für ein Umdenken bei der Politik. Wenn die Politik den sozialen und ökonomischen Wert dieser Grünflächen begreife, sei das weitere Schaffen solcher Erholungsflächen dann später nur noch die logische Konsequenz, so das Bündnis.

Bis dahin ist es aber noch ein ziemlich weiter Weg. Bereits 2014 wurden in der Dokumentation „Stadt begegnet Klimawandel“ vom Essener Umweltamt Maßnahmen und Handlungsempfehlungen erarbeitet, um die Stadt flächendeckend lebenswerter zu gestalten. Leitlinie dabei ist die doppelte Innenentwicklung durch Abriss und Neubau in die Höhe. Grünflächen werden dabei strikt erhalten und zusätzlich neue durch Entsiegelung geschaffen.

„Umgesetzt, geschweige denn begriffen, wurde diese Leitlinie noch lange nicht“, beklagt Estelle Fritz, „obwohl diese Studie sogar von der Stadt selbst beauftragt wurde und wissenschaftlich belegt ist. Wir hoffen sehr, dass die aktuelle Ausnahmesituation in Zeiten von Corona auch ein Weckruf bedeutet und diese Erkenntnis endlich auch mal bei der Politik und Verwaltung ankommt.“