Essen. Wegen Corona musste die Essener Tanzschule Lentz schließen. Um mit den Kunden in Kontakt zu bleiben, bietet sie Kurse online und kostenlos an.

Janina Funken geht in die Knie, dann reckt sie ihre Hände nach oben und fordert im nächsten Moment alle Kinder auf, die Bewegungen nachzuahmen. Doch um die Tanzlehrerin herum sind überhaupt keine Jungen und Mädchen zu sehen. Die schauen nämlich in Corona-Zeiten von daheim der Trainerin zu. Die Tanzschule Essener Lentz hat sich „kurzerhand zu Online-Angeboten entschlossen“, sagt Inhaber Thomas Püttmann-Lentz.

Drehungen vor laufender Videokamera

Wenn die Leute schon nicht zu ihm und seinem Team kommen dürften, weil das Haus schließen musste, dann solle doch zumindest über das Internet der Kontakt bestehen bleiben. So finden sich Tanzlehrerinnen und -lehrer seit gut zwei Wochen in den leeren Räumen des Traditionshauses an der Bismarckstraße ein, um vor laufender Videokamera Figuren und Schrittfolgen von Samba, Walzer, Chachacha oder eben Kindertänzen zu erklären. Nach allen Trockenübungen geht’s mit Musik weiter. Gerade jetzt könne es doch die Stimmung aufheitern, wenn man bekannte Songs und Melodien höre und die Gelegenheit zum Tanz ergreifen könne, sagt der Tanzschul-Chef.

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Im Live-Chat hatte er beispielsweise in der vergangenen Woche gemeinsam mit Kollegin Sandra Wilhelm zu einem Einstiegskurs für Rock’n Roll eingeladen. Dieser flotte Musikstil biete eine muntere Abwechslung, meinte das Duo, erklärte locker und lässig, wie die Drehungen und Abfolgen aussehen sollen. Während des Kurses war deutlich zu spüren, dass die beiden Vortänzer auch solche Zuschauer ansprechen wollten, die sich nicht so viel zutrauen. Sie wurden mehrfach zum Ausprobieren ermuntert. Da bekanntlich noch kein Meister vom Himmel gefallen sei, empfahl Püttmann-Lentz, mit den Übungen nicht nachzulassen.

User können Tanzstunden live kommentieren

Derweil das Paar die Bewegungen mehrfach wiederholte, damit sich die Teilnehmer die Tanzfiguren auch einprägen konnten, trudelten schon die ersten Kommentare im Chat ein. Während das Duo viel Lob erhielt, folgten auch ein paar süffisante Anmerkungen. Eine Ehefrau bescheinigte ihrem Mann Talentfreiheit. Ob man mal den „Kusselkopf“ ausprobieren sollte, fragte ein User, ein anderer befand „Wer Rücken hat, der merkt sich das besser nicht“. Solche Äußerungen seien durchaus willkommen, denn es soll spaßig und unterhaltsam zugehen, meint Püttmann-Lenz, der im Übrigen versprach, im Fortsetzungskurs gebe es einen Salto rückwärts zu sehen.

Zugang zu den Kursen über den Newsletter

Wer zuschauen und dabei sein wolle, „braucht dazu nur seinen Namen und seine Mailadresse angeben“. Der Link werde über den Newsletter der Tanzschule verschickt, erläutert Püttmann-Lentz. Die Teilnahme ist kostenlos.

Wie viele andere Betriebe, die wegen Corona schließen mussten, und nun massive Einbußen haben, bekommt auch die Tanzschule Lentz die Folgen zu spüren. Daher besteht auch hier die Hoffnung, dass die Krise ein möglichst schnelles Ende findet.

Die Tanzschule am Folkwang-Museum im Essener Stadtteil Rüttenscheid hat Christiane Lentz am 1. Mai 1965 gegründet.

Da derzeit alle Lokalitäten geschlossen seien, bleibe für das Tanzen nur das traute Heim, sagt der 54-Jährige. „Aber warum nicht dazu auf die Terrasse gehen, auf den Balkon oder das Wohnzimmer benutzen?“ Eine Bitte richtet das Lentz-Team an alle, die das Onlineportal nutzen: Die Besucher sollen ihre Tänze filmen und die Videos an die Tanzschule schicken. Die seien natürlich nicht zur Veröffentlichung bestimmt. Aber es muntere auch das Team auf, wenn es sehe, dass die Leute weiterhin mitmachen würden. Es komme überhaupt nicht auf Perfektion an, sondern auf Freude an Tanz und Bewegung.

Tanzschule stellt Woche für Woche das Programm zusammen

Tanzlehreroin Janina Funken schaut sich auf dem Laptop die Vorführungen von Thomas Püttmann-Lentz und Sandra Wilhelm an.
Tanzlehreroin Janina Funken schaut sich auf dem Laptop die Vorführungen von Thomas Püttmann-Lentz und Sandra Wilhelm an. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Der Aufruf richtet sich auch an diejenigen, die beispielsweise bei Luis Drahim reinklicken. Die Kurse des Hip-Hop-Weltmeisters seien sehr beliebt und „bieten für Kinder und Jugendliche einen willkommenen Ausgleich“, erklärt der Essener. Das gelte wohl erst recht, wenn sich - wie in der Corona-Krise - das Leben vorwiegend in den heimischen vier Wänden abspiele.

Aus dem gesamten Angebot stelle die Tanzschule Woche für Woche eine Auswahl zusammen. Dabei berücksichtigte man alle Generationen, betont Püttmann-Lentz. Erwachsene und Senioren wolle man folglich ebenso erreichen. Wirbt die Tanzschule auch ansonsten damit, dass die Kurse eine Chance bieten, vom Alltagstrott Abstand zu gewinnen, dann passe der Gedanke gewiss in die Zeiten von Corona.

Kinderkurse werden zum Familienereignis

Die Kurse, die eigentlich für Kinder gedacht sind, können auch schnell zu einem Familienereignis werden. So erklärt Janina Funken zwar dem jungen Publikum, wie man bei einem Elefantentanz stampfen kann, doch dann sollen die Kinder auch ihre Eltern dazu holen. Gemeinsames Tanzen erhöhe den Spaßfaktor, sagt die Tanzlehrerin.

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Wenn er nach den ersten beiden Wochen eine Bilanz ziehe, dann finde das Onlineangebot eine starke Resonanz, sagt Thomas Püttmann-Lentz. Ein User kommentierte jüngst: „Es ist zwar nicht wie in der Tanzschule, aber es gibt das Feeling wieder.“