Essen. Die Notbetreuung ist eine Herausforderung für Essens Grundschulen: Lehrer setzen sich der Gefahr einer Ansteckung aus. Sie kommen sogar sonntags.

Etwa 500 Schüler werden derzeit an den knapp 90 Essener Grundschulen betreut – und es könnten bald mehr werden: Seit Montag (23. März) dürfen laut Landes-Erlass auch Familien die Notbetreuung wahrnehmen, in denen nur ein Elternteil in einer Schlüsselbranche arbeitet. Damit Ärzte, Krankenpfleger oder Feuerwehrleute in Zeiten der Corona-Krise arbeiten können, öffnen Grundschulen sogar am Samstag und am Sonntag.

„Das ist hier manchmal ganz schön abenteuerlich“, sagt die Schulleiterin

Von den rund 200 Kindern, die normalerweise die Theodor-Heuss-Schule in Bergerhausen besuchen, hat Schulleiterin Cornelia Kaitinnis-Lenz in den vergangenen Tagen nur jeweils zehn bis 15 gesehen. Weil die Arbeit ihrer Eltern derzeit unverzichtbar ist, gehen diese Kinder weiter zur Schule. Betreut werden sie vormittags von den Lehrerinnen, nachmittags von den Erzieherinnen aus dem Offenen Ganztag; in kleinen Gruppen von jeweils fünf Kindern. „Das ist hier manchmal ganz schön abenteuerlich“, sagt Schulleiterin Kaitinnis-Lenz.

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Das fange damit an, dass sie aus dem 14-köpfigen Kollegium nur vier Lehrerinnen vor Ort einsetzen kann: Die anderen zählen zur Risikogruppe, etwa weil sie Vorerkrankungen haben, schwanger oder über 60 Jahre alt sind. „Eigentlich dürfte ich das Schulgebäude auch nicht betreten“, sagt die 63-Jährige. Doch anders lasse sich der ungewöhnliche Schulalltag nicht organisieren. Zumal sie mit ihrem kleinen Team auch Samstag und Sonntag eine Betreuung von jeweils zehn bis 15 Uhr sicherstellen will.

Kinder hatten nicht genug zu essen dabei – Schule backt Pfannkuchen

Außerdem habe es unvermutete Anfangsschwierigkeiten gegeben: So hätten manche Eltern nicht bedacht, dass die Schule derzeit nicht von ihrem Caterer beliefert wird und das Mittagessen ausfällt. „In der ersten Woche hatten einige Kinder nicht genug zu essen dabei. Da haben wir aus den Vorräten in der Schulküche Pfannkuchen gebacken.“

Notbetreuung in der Theodor-Heuss-Schule in Bergerhausen: Lehrerinnen und Erzieherinnen kümmern sich um die Grundschüler.
Notbetreuung in der Theodor-Heuss-Schule in Bergerhausen: Lehrerinnen und Erzieherinnen kümmern sich um die Grundschüler. © Urte Heuß-Rumler | Theodor-Heuss-Schule

Auch sei es nicht leicht, in der Kinderbetreuung die empfohlenen Schutzmaßnahmen zu beachten, die eine Verbreitung des Coronavirus verhindern sollen. „Wir können hier nicht mit Mundschutz arbeiten, das macht auch Grundschulkindern noch Angst.“ Auch Körperkontakt lasse sich nicht völlig vermeiden: „Wenn eine kleine Maus hinfällt, wenn ein Erstklässler hier morgens weinend abgegeben wird, nehmen wir das Kind in den Arm. Viele der Kinder sind derzeit sowieso durch den Wind.“ Sie empfehle den Eltern, den Jungen und Mädchen ein Kuscheltier mitzugeben – als ersten Tröster bei Angst und Kummer.

Lehrerinnen und Erzieherinnen haben Angst vor Ansteckung

Im übrigen seien derzeit nicht nur die Schüler verängstigt: „Die Lehrerinnen und Erzieherinnen haben auch Ängste. Die setzen sich hier täglich dem Risiko einer Ansteckung aus.“ Wenn nun noch mehr Kinder einen Anspruch auf die Betreuung hätten, nehme das Ansteckungsrisiko natürlich zu: Die Gruppen werden größer und je nach Betreuungsbedarf der Familien täglich ein wenig anders zusammengesetzt. Im übrigen sei es ohnehin schwierig, die Gruppen hundertprozentig getrennt zu betreuen: „Die Kinder begegnen sich schon mal auf dem Schulhof oder auf der Toilette.“

Lobt ihr Team: Cornelia Kaitinnis-Lenz leitet die Theodor-Heuss-Schule in Bergerhausen, wo Erzieherinnen und Lehrerinnen nur eine Notbetreuung anbieten.
Lobt ihr Team: Cornelia Kaitinnis-Lenz leitet die Theodor-Heuss-Schule in Bergerhausen, wo Erzieherinnen und Lehrerinnen nur eine Notbetreuung anbieten. © WAZ Essen | Kerstin Kokoska

Sie habe aber den Eindruck, dass nur Eltern die Notbetreuung wahrnähmen, die wirklich darauf angewiesen seien. Und sie hoffe, dass das so bleibe, sagt die Schulleiterin. Cornelia Kaitinnis-Lenz hat in ihrer langen Schullaufbahn noch keine ähnliche Situation erlebt. Darum sei sie froh, wie toll das Kollegium mitziehe: Das gelte übrigens auch für diejenigen, die derzeit von zu Hause Aufgaben an die Kinder mailten: „Für Familien, die keinen PC haben, drucken sie Material aus und werfen es ihnen zu Hause in den Briefkasten.“

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