Essen-Heisingen. Beim Einzelhandel in Stadtteilen wie Heisingen ist die Suche nach einen Nachfolger mitunter eine Herausforderung – die Schließung das Schlimmste.

Wenn Ingrid Westermeyer ihr Ladenlokal „Jam Pot“ in Heisingen aufschließt, dann freut sie sich auf ihren Arbeitstag: Seit fast 25 Jahren bietet sie buntes Geschirr, Vasen, Kerzen, Gürtel, Taschen und Taufgeschenke an – und denkt nun seit einiger Zeit ans Aufhören. Warum ihr das aber selbst mit 71 Jahren nicht gelingen will: „Ich finde keinen Nachfolger.“ Ihr Geschäft einfach aufzugeben, das bringt sie nicht übers Herz. Ein Thema, das auch andere Einzelhändler beschäftigt.

Jüngst hat ein alt eingesessenes Schuhgeschäft auf der Heisinger Straße geschlossen. Damit ist der Schuhladen von Volker Schlienkamp (57) auf der Bahnhofstraße nun der letzte im Stadtteil. Seit fast 100 Jahren gehört dieser zu Heisingen, das Haus ist in Familienbesitz. Heißt für den Inhaber immerhin: „Wir müssen keine Miete zahlen.“

Reparaturservice und ein Online-Angebot gehören zum Geschäftsmodell

In ihrem Heisinger Schuhgeschäft, das seit fast 100 Jahren besteht: Jutta und Volker Schlienkamp.
In ihrem Heisinger Schuhgeschäft, das seit fast 100 Jahren besteht: Jutta und Volker Schlienkamp. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Gleichwohl gehören viele Jahre ohne Urlaub, Öffnungszeiten von 8.15 bis 18.30 Uhr, ein angestellter Orthopädiemeister, zwei Angestellte, der Reparaturservice und ein Online-Angebot zum Geschäftsmodell. Volker Schlienkamp ist gelernter Einzelhandelskaufmann, hat seine Ausbildung einst in der Schuhbranche gemacht. Geplant war die Übernahme des Familienunternehmens aber nicht von Anfang an.

Lange Zeit hat er dann erst mit seinem Vater im Laden gearbeitet, bevor er dieses 1993 als einer von drei Söhnen übernahm. „Einer musste es ja machen“, blickt er heute schmunzelnd zurück. Er sei da halt hineingewachsen, muss heute bei seinem Angebot alte Stammkunden und die vielen neu zugezogenen Familien im Blick behalten.

Nachfolge ist mitunter schwierig bis völlig unrealistisch

Bei seinem Sohn schließt Volker Schlienkamp diesen beruflichen Weg jedoch jetzt schon aus. Vielmehr ist er überzeugt, dass es – sollte er in den Ruhestand gehen – mit der Nachfolge „schwierig bis völlig unrealistisch sein wird“. Dann hätte Heisingen kein Schuhgeschäft mehr.

Eine Schließung hätte auch an der Heisinger Straße beim Elektronik-Fachgeschäft Liedtmeyer womöglich gedroht, wäre da nicht Sohn Markus Liedtmeyer (40) gewesen. Vor rund 90 Jahren war sein Großvater der Gründer, der Enkel hat nun diese Familientradition bewahrt. Er wurde gebraucht und war da. Zuvor hatte er sich mit seinem Studium eigentlich in Richtung IT-Bereich bewegt, landete beruflich dann doch bei der Radio- und Fernsehtechnik und damit bei den Eltern – zur Erleichterung zahlreicher, langjähriger Kunden.

Elektrogeräte werden bei Bedarf bestellt

Er ist in das Familienunternehmen eingestiegen, als er gebraucht wurde: Markus Liedtmeyer im gleichnamigen Heisinger Elektro-Fachhandel.
Er ist in das Familienunternehmen eingestiegen, als er gebraucht wurde: Markus Liedtmeyer im gleichnamigen Heisinger Elektro-Fachhandel. © ho | Foto

Ein Internet-Auftritt gehört natürlich zum Unternehmen, doch auf Online-Handel verzichtet Markus Liedtmeyer. Stattdessen bietet er an, Elektrogeräte wie Föhn, Fernseher oder Wasserkocher bei Bedarf zu bestellen. In der Regel stünden die Waren innerhalb von 24 Stunden bereit.

Als Alleinstellungsmerkmal führt der 40-Jährige den Reparaturservice fort, hat diesen allerdings eingeschränkt: Serviceaufträge nimmt er von den Kunden an, die bei ihm eingekauft haben. Sie seien nun einmal keine Servicestelle für Verbrauchermärkte, Versandhändler oder Internetshops, steht auch als Hinweis auf der Eingangstür zu lesen.

In der Mittagspause oder nach Feierabend steht der Kundenservice an

Ursprünglich befasste sich Markus Liedtmeyer vor allem mit dem Außendienst, seit dem Tod der Mutter allerdings steht nun auch er neben seinem Vater im Geschäft, verkauft Glühbirnen, Batterien oder Kaffeemaschinen und fährt in der Mittagspause oder nach Feierabend zu den Kunden.

Einen Zettel hatte auch Ingrid Westermeyer ausgehängt, in der Hoffnung, einen Nachfolger zu finden. Dann gab es wenige Interessierte, zwei hätten ernsthaft an eine Übernahme gedacht, um dann doch abzuspringen, beschreibt die 71-Jährige die Suche. Der Schritt in die Selbstständigkeit, die Konkurrenz mit dem Online-Handel fürchteten sie offenbar.

Unterstützung bei Messebesuchen, mit Mitarbeit an einigen Tagen und mit Erfahrung

Nachfolger gesucht: Kontakt für Interessierte

Wer sich für eine Übernahme im Einzelhandel interessiert und sich als möglicher Nachfolger im Geschäft „Jam Pot“ informieren möchte, wendet sich an Ingrid Westermeyer.

Die Öffnungszeiten an der Bahnhofstraße 3 sind: Mo bis Fr von 10 bis 18 Uhr sowie Sa 10 bis 13.30 Uhr. Kontakt per Mail: info@JamPot.de

Die Übernahme würde 60 Quadratmeter mit Büro, Lager und Verkaufsraum bedeuteten. Die Waren könnten übernommen werden, „oder ich mache noch einen Schlussverkauf“, sagt die Einzelhändlerin, die flexibel bei der Einstiegszeit ist und Hilfe anbietet – sofern gewünscht. Ihre drei Mitarbeiterinnen in Teilzeit blieben auf Wunsch ebenfalls an Bord. Ingrid Westermeyer könnte sich mit Unterstützung bei Messebesuchen, Mitarbeit an einigen Tagen und ihrer Erfahrung einbringen.

Vor zwei Jahren ist Inhaberin Ingrid Westermeyer mit dem Geschäft „Jam Pot“ innerhalb Heisingens an die Bahnhofstraße gezogen.
Vor zwei Jahren ist Inhaberin Ingrid Westermeyer mit dem Geschäft „Jam Pot“ innerhalb Heisingens an die Bahnhofstraße gezogen. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Gesammelt hat die frühere Grundschullehrerin diese zunächst mit Marmelade aus England („Daher der Name Jam Pot“) auf dem Rüttenscheider Markt, später führte ihr damaliger Mann mehrere Geschäfte. Als ihre Mutter schließlich 1984 den Laden in Heisingen mit Porzellan, Tischwäsche und Geschenken eröffnete, packte die Tochter mit an und half aus, nach Feierabend an der Grundschule. „Beides war mein Ding“, sagt sie und konnte auch nach der Pensionierung nicht vom Jam Pot lassen.

Viel Freude und Herz sollten dabei sein

Vor zwei Jahren ist sie noch nach einem Wasserschaden von der Heisinger Straße an die Bahnhofstraße gezogen. Seit einem Jahr denkt sie nun an einen Nachfolger. Wer auch immer hier folgt, „der sollte das mit viel Freude und Herzen machen“, hofft sie. Dafür gäbe es zahlreiche und freundliche Kunden, darunter viele, die seit Jahren kämen, auch aus Rüttenscheid oder Hattingen.

Den für sie furchtbarsten Gedanken wischt sie noch weg: „Das Schlimmste wäre, wenn ich meinen Laden für immer schließen müsste“, sagt Ingrid Westermeyer. Aus zahlreichen Rückmeldung weiß sie inzwischen, dass das auch für Heisingen gelten würde.

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