Essen. „Essen stellt sich quer“ weist Strafanzeige der Polizei wegen Beleidigung zurück, auch die Linken sehen im Rassismus-Vorwurf berechtigte Kritik.
Die Reaktion von „Essen stellt sich quer“ (ESSQ) und Teilen der örtlichen Politik auf die Strafanzeige der Polizei und der Stadt Essen wegen Beleidigung gegen einen Bündnis-Verantwortlichen hat erwartungsgemäß nicht lange auf sich warten lassen. ESSQ-Sprecher Christian Baumann, gegen den sich der Vorwurf richtet, legte am Mittwoch sogar noch nach: Die Reaktion der Behörde vom Dienstag sei nicht nur unsouverän. Auch „täte die Polizei besser daran, sich mit der inhaltlichen Kritik an ihrer Öffentlichkeitsarbeit auseinanderzusetzen, statt beleidigt Strafanzeige zu stellen“, formulierte Baumann wenige Stunden nach der Erklärung aus dem Essener Präsidium.
Anlass für die Reaktion der Behörde war die Behauptung des Bündnis-Sprechers, der Stadtteil Altendorf „sei immer wieder Ziel rassistischer Kontrollen durch die Polizei“ geworden. Dieser umstrittene Satz fiel auf der Kundgebung in Altendorf („Es reicht: Rechten Terror beenden“) am Tag nach dem Anschlag von Hanau. Das „Essener Bürger Bündnis - Freie Wähler“ (EBB-FW) hat am Mittwoch die Kritik an der Polizei scharf zurückgewiesen. Diese „Verunglimpfung des Rechtsstaats“ sei zu verurteilen.
Politik fordert: Baumann soll sich bei der Polizei entschuldigen
„Als Mitglied des Polizeibeirates weiß ich, dass in der Essener Polizei keinerlei Platz für extreme Ränder ist. Daher ist der Rassismusvorwurf grotesk“, sagte EBB-FW-Fraktionsvize Wilfried Adamy. Die Polizei leiste in Essen eine hervorragende Arbeit, bei der die Beamten oftmals an ihre Belastungsgrenze gingen um Recht, Ordnung und Demokratie zu wahren.“ Adamy erwartet, dass sich Baumann bei der Polizei entschuldigt.
Die FDP-Fraktion im Rat der Stadt Essen forderte, das Engagement gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit nicht gegen rechtsstaatlich agierende Institutionen einzusetzen. „Sowohl die Polizei als auch die weiteren in Altendorf involvierten Behörden arbeiten auf Grundlage unserer Gesetze und verdienen für ihre Arbeit gegen kriminelle Strukturen in unserer Stadt Anerkennung und keine Diffamierungen“, stellte Fraktionschef Hans-Peter Schöneweiß fest.
Linke missbilligt Anzeige: Rassismus-Vorwurf sei keine Beleidigung, sondern berechtigte Kritik
Ganz anders sehen es die Essener Linken. Der Vorwurf des Rassismus sei „eine inhaltliche Kritik die von der Meinungsfreiheit gedeckt ist und deshalb noch lange keine Beleidigung“, so die Fraktionsvorsitzende Gabriele Giesecke.
Die Linken teilten im Übrigen mit Blick auf die Polizei den Rassismus-Befund: „Die Großrazzien gerade in den Shisha-Bars im Zusammenhang der Bekämpfung der so genannten ,Clankriminalität‘ haben wir auch als stigmatisierend abgelehnt.“ Dass der Täter von Hanau sich Shisha-Bars für seine Attacke aussuchte, sei Folge dieser Stigmatisierung. Statt ESSQ anzuzeigen, möge sich die Polizei lieber dem Kampf gegen Essener Rechtsextremisten widmen.
Kontrollen nach konkreten Hinweisen auf Normverstöße
Thomas Weise, Sprecher der polizeilichen Taskforce gegen Clan-Kriminalität, erläuterte auf Nachfrage die Reaktion seiner Behörde auf die Äußerungen Baumanns: „Uns vorzuwerfen, wir kontrollierten deswegen, weil wir rassistisch motiviert sind, das ist ein Stück zuviel.“ Die Polizei als auch die Stadt, mit der man seit 15 Monaten im engsten Kontakt stehe, agierten doch nicht im luftleeren Raum. Man werde immer dann aktiv, „wenn es konkrete Hinweise auf Normverstöße“ gebe.
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Die Strafanzeige gegen den Bündnis-Sprecher werde nun formuliert, Christian Baumann werde wie jeder Beschuldigte sonst auch üblich Gelegenheit bekommen, dazu Angaben zu machen. Anschließend werde das Verfahren der Staatsanwaltschaft zur Prüfung einer möglichen Anklage vorgelegt.
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„Es gibt institutionalisierten Rassismus, auch in Essen“
Baumann indes ist davon überzeugt, allenfalls Gebrauch von seiner grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit gemacht zu haben. Er finde es „befremdlich“, dass seine Bewertung beleidigend sein soll. Denn: „Es gibt institutionalisierten Rassismus, auch in Essen.“ Zudem sei es frappierend, dass die Polizei Essen selbst in ihrer Pressemitteilung nicht umhinkomme, „Shisha-Bars abermals explizit als Ort von Kriminalität zu brandmarken“.
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Dieser zusätzliche Vorwurf Baumanns bezieht sich auf eine Stelle in dem Statement der Polizei vom Dienstag. Dort heißt es wortwörtlich: „Seit fast 15 Monaten führen Stadt und Polizei Essen in enger Zusammenarbeit Kontrollen im gesamten Stadtgebiet zur Bekämpfung der unterschiedlichsten Normverletzungen durch. Als Ziele dieser Kontrollen werden Objekte ausgewählt, bei denen konkrete Hinweise auf Gesetzesverstöße vorliegen. Dazu zählen unter anderem Gewerbebetriebe, Schrottimmobilien, Restaurants, Wettbüros, Bordellbetriebe und auch Shisha-Bars.“