Essen-Katernberg. Dichter Qualm, Sicht gleich Null: Freiwillige Feuerwehr Essen-Katernberg übt. Im Ernstfall rückt sie rund 100 Mal jährlich aus - ehrenamtlich.

Gerade war Katharina Augustin einige Monate im Ausland, in Kürze steht ihr freiwilliges soziales Jahr an. Später möchte die 20-Jährige gerne Lehrerin werden. Jetzt schon steckt sie aber mitten in der Ausbildung zur Feuerwehrfrau. Sie gehört zur Löschgruppe der Freiwilligen Feuerwehr Katernberg mit 20 Aktiven – allesamt ehrenamtlich im Einsatz.

Feuer in einer Werkstatt: Mit Hilfe einer Nebelmaschine ist die Halle der Freiwilligen Feuerwehr Katernberg voller Qualm, damit die Einsatzkräfte für den Ernstfall üben können.
Feuer in einer Werkstatt: Mit Hilfe einer Nebelmaschine ist die Halle der Freiwilligen Feuerwehr Katernberg voller Qualm, damit die Einsatzkräfte für den Ernstfall üben können. © Mike Filzen | Foto

An diesem Übungsabend qualmt es in der Halle, mit Hilfe der Nebelmaschine wird Nullsicht simuliert. „Feuer in einer Werkstatt“, heißt es, als sich zwei Feuerwehrmänner samt Wärmebildkamera vortasten. Es ist der Angriffstrupp mit Atemschutzgerät. Im richtigen Einsatz werden sie so nach Schwelbränden und Personen suchen. Bei der Trockenübung bleiben jedoch die 1800 Liter Wasser im Tank des Löschfahrzeuges, das vor der Wache an der Gelsenkirchener Straße steht. Ein Mannschaftstransportfahrzeug gehört ebenfalls zur Löschgruppe – und bis zu 100 Einsätze jedes Jahr.

Wohnungsbrände, Verkehrsunfälle, voll gelaufene Keller

Wenn es ernst wird, der Pieper der Einsatzkräfte Alarm schlägt, dann löschen sie Wohnungsbrände, retten Menschen nach Verkehrsunfällen, pumpen Keller nach Starkregen leer – oder fangen wie zuletzt bei Sturmtief Sabine Trampoline wieder ein. Dabei arbeiten sie mit der Berufsfeuerwehr zusammen, werden von der Leitstelle alarmiert. Wochentags stehen sie dafür von 17 bis 6 Uhr bereit, außerdem an Feiertagen und an den Wochenenden von freitags, 17 Uhr, bis montags, 6 Uhr. „Und bei großen Lagen auch zwischendurch“, ergänzt Löschgruppenführer Thomas Rothhaar.

Ausnahmezustand etwa herrschte nach Ela, erinnert sich der 52-Jährige. Für ihn selbst aber bleibt vor allem ein anderer Einsatz unvergessen. „Person/Schiene“ war alles, was er wusste, als er nach Katernberg-Süd zu den Gleisen ausrückte. Eine Frau, vom Zug erfasst, war da bereits tot. „Diese Bilder bleiben“, sagt Thomas Rothhaar, der damals gerade zwei Monate zuvor seine Ausbildung zum Feuerwehrmann absolviert hatte.

Freiwillige Feuerwehr folgte dem Fußball

Von Brandoberinspektor Andreas Kahlert (re.) hat Thomas Rothhaar das Amt des Löschgruppenführers bei der Freiwilligen Feuerwehr Katernberg 2011 übernommen.
Von Brandoberinspektor Andreas Kahlert (re.) hat Thomas Rothhaar das Amt des Löschgruppenführers bei der Freiwilligen Feuerwehr Katernberg 2011 übernommen. © Mike Filzen | Foto

Mit 30 Jahren kam er zur Freiwilligen Feuerwehr. Als Spätberufener, sagt er schmunzelnd, weil er damals mit dem Fußball habe aufhören müssen („wegen der Knochen“). Sein Schwager nahm ihn mit, er blieb hängen. Dass er dann in relativ kurzer Zeit Ausbildungen zum Gruppen- und Zugführer machen und 2011 schließlich die Löschgruppe übernehmen sollte, war zumindest nicht geplant.

Inzwischen ist der Brandinspektor auch hauptberuflich bei der Feuerwehr. Als gelernter Karosseriebauer kümmert er sich auf der Hauptwache um die Fahrzeuge. Wird er als Freiwilliger gerufen, dann lässt er von jetzt auf gleich alles stehen und liegen, „bleibt meine Frau allein am Esstisch oder trägt die Einkäufe selbst nach Hause“, erzählt er aus dem Alltag. Früher, als die Kinder klein gewesen seien, und Silvester nahte, scherzte sie, „dass sich Knaller kaufen mit mir nicht lohne, ich sei ja gleich weg“.

Rückhalt der Familie als wichtige Voraussetzung

Die Jugendfeuerwehr Nord-Ost und neue Mitglieder

Zur Freiwilligen Feuerwehr Katernberg gehören neben 20 Aktiven, fünf unterstützende Kräfte und elf Mitglieder der Alters- und Ehrenabteilung.

Seit 1991 gibt es die Jugendfeuerwehr Nord-Ost, deren Mitglieder aus Katernberg und Stoppenberg kommen. Mit 18 Jahren können sie zur Freiwilligen Feuerwehr wechseln.

So komme der Großteil der neuen Mitglieder inzwischen zur Löschgruppe, da Quereinsteiger selten seien und ein anderer Weg nicht mehr bestehe: Peter Zelinski (70) etwa hat sich ehemals für zehn Jahre verpflichtet als Alternative zum Wehrdienst bei der Bundeswehr.

Peter Zelinski kam 1968 und blieb, weil die Gruppe gewachsen sei, sie gemeinsam etwas aufgebaut hätten und weil es ein Bereich sei, „in der wir der Gesellschaft etwas geben können, um anderen zu helfen“, sagt der frühere Löschgruppenführer.

Weitere Ehrenamtliche sind gern gesehen: http://www.ff-katernberg.de/

Ob Jahreswechsel oder Weihnachten, das sind Feiertage, an denen Familien oftmals auf die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr verzichten müssten, sagt Thomas Rothhaar und weiß seine Frau längst hinter sich. Und seinen Sohn inzwischen bei der Berufsfeuerwehr.

„Ohne diesen Rückhalt der Familie wäre das Ehrenamt gar nicht möglich“, betont Andreas Kahlert aus langjähriger Erfahrung. Er gehört seit 1968 zur Freiwilligen Feuerwehr Katernberg, war allein 25 Jahre lang als Löschgruppenführer im Einsatz und im Job als Schornsteinfeger – trat damit in die Fußstapfen seines Vaters: haupt- und auch ehrenamtlich.

Historie der Katernberger Löschgruppe

Ein historisches Bild aus den Anfängen, als sich die Feuermeldestelle in der Gaststätte Zum Lindenbruch befand. Inhaber Aloys Bullmann war gleichzeitig einer der Gründer der Freiwilligen Feuerwehr Katernberg.
Ein historisches Bild aus den Anfängen, als sich die Feuermeldestelle in der Gaststätte Zum Lindenbruch befand. Inhaber Aloys Bullmann war gleichzeitig einer der Gründer der Freiwilligen Feuerwehr Katernberg. © Mike Filzen | Repro

Derzeit befasst er sich auch mit der Historie der Katernberger Löschgruppe. Zu dieser gehören die Anfänge, als die Katernberger bei Bränden in die Gaststube zu Aloys Bullmann eilten. Mit seinem Bruder Heinrich gehörte er zu den Gründern der Freiwilligen Feuerwehr, deren Feuermeldestelle sich in seiner Gaststätte „Zum Lindenbruch“ befand. Es waren die Zeiten, in denen Hornbläser die Bewohner in den Straßen warnten. Und bei Übungen im früheren Steigerturm oben ein Pinnchen Schnaps wartete.

1900 gegründet als Freiwillige Bürger-Feuerwehr Caternberg zählte die Gruppe einst 288 Mitglieder, darunter 56 Aktive. Das sind nur einige der bekannten Daten. Neu ist der große Karton voller alter Fotos, Dokumente, darunter Dienstausweise und Protokollbücher, mit dem Andreas Kahlert einen wahren Schatz in Händen hält. Zu verdanken hat er diesen dem Enkel von Heinrich Bullmann.

Alte Bilder, Protokollbücher und Dienstausweise archivieren

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„All das werde ich auswerten und archivieren“, berichtet der Brandoberinspektor zu seinem aktuellen Einsatz. Als Aktiver rückte er in all den Jahren zahllose Male aus. Da empfing ihn die ältere Bewohnerin, die ihr Fleisch zu stark angebraten hatte. Da gab es aber auch die tragischen Fälle, „als wir die Person, die beim Eintreffen noch am Fenster stand, nach dem Löschen tot gefunden haben“, erinnert er sich.

Ganz schlimm seien Einsätze zudem immer dann, wenn Kinder betroffen seien, blickt er auf einen Brand in einer Gaststätte zurück. „Das Feuer hatte schon die erste Etage erreicht, wo der Wirt mit seiner Familie lebte“, berichtet Andreas Kahlert immer noch bewegt, wenn er an die beiden Kinder denkt, die sie nicht mehr retten konnten.

Schwere Augenblicke und belastende Situationen

Schwere Augenblicke, belastende und gefährliche Situationen gehören zu dem Ehrenamt. Aber auch Freundschaften und schöne Erinnerungen, zum Beispiel an manche Feier. Endete diese mitunter jäh, „weil wir zum Beispiel bei einer Großlage die Hauptwache besetzen mussten“, dann hätten ihre Frauen das Büfett kurzerhand nachgebracht – und die Kollegen von der Berufsfeuerwehr nicht schlecht gestaunt, erzählt Andreas Kahlert, während sich der Qualm nach der Übung aus der Halle verzogen hat.

Feuerwehrleute, die mit einem Atemschutzgerät im Einsatz sind, haben dafür zuvor eine entsprechende Ausbildung absolviert.
Feuerwehrleute, die mit einem Atemschutzgerät im Einsatz sind, haben dafür zuvor eine entsprechende Ausbildung absolviert. © Mike Filzen | Bild

Nachbesprechung heißt es nun: Gruppenführer Benjamin Ranik (hauptberuflich Feuerwehrmann; sein Vater, Bruder und Neffe gehören ebenfalls zur Katernberger Löschgruppe) erklärt das Atemschutzgerät, denn nicht jeder hat die entsprechende Ausbildung zum Träger bereits absolviert.

Die Kollegen jederzeit um Hilfe bitten

Katharina Augustin hat auf ihrem Weg zur Feuerwehrfrau (derzeit die einzige unter ihren Kollegen) den Kettensäge- und Truppmannlehrgang schon hinter sich. Theorie in der Woche, Praxis an den Wochenenden. Das wurde neben dem Abitur zeitlich intensiv, körperlich anstrengend ist es ohnehin. „Ich interessiere mich für die Technik und dafür, wie ich sie einsetze“, sagt die 20-Jährige und weiß, dass sie jederzeit um Hilfe bitten kann - weil sie halt ein Team seien.