Essen. Die Aufnahmegesellschaft im Essener Norden sei immer weniger willens, noch mehr Zuwanderer zu integrieren. Ein Sozialarbeiter berichtet.
Thomas Rüth kennt den Essener Norden wie kaum ein anderer. Seit 30 Jahren streift der Awo-Sozialarbeiter durch die Stadtteile und leistet seinen Beitrag für ein friedliches und erfolgreiches Zusammenleben der Kulturen. Doch Rüth warnt: „Die Bereitschaft der Aufnahmegesellschaft zur Integration von Zuwandern in den zunehmend überforderten nördlichen Stadtteilen, geht immer mehr verloren.“
Im übrigen „viel massiver zwischen den unterschiedlichen Zuwanderungsgruppen, die sich in Konkurrenz gestellt fühlen“, berichtet Rüth von seinen Erfahrungen. Schulen oder Klassen mit einem „zu hohen Anteil an Migrantenkindern“ führten zu einer sozialen Segregation und verhinderten den Bildungsanschluss an die Mehrheitsgesellschaft, unterstreicht der Sozialarbeiter, worin sich auch alle Essener Parteien und die Verwaltung einig zu sein scheinen. Dass dieses Problem zwar allgemeinhin anerkannt wird, sich seit jeher dennoch keine konkreten Lösungen abzeichnen, strapaziere schon die Geduld, räumt Rüth ein.
„Dauerhaft finanzierte Projekte sind nötig“
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„Was wir nicht brauchen, sind kurzfristige Projekte und Förderprogramme mit irrwitzigen Titeln und einer an Realsatire grenzenden Antragsbürokratie. Ohne Antrag kein Geld, dazu gehört auch eine genaue Projekt-Beschreibung. Diese zu formulieren, führt zu unsäglichen prosaischen Worthülsen von Qualität, Originalität und Modellcharakter, Leuchtturmprojekten, Vernetzung und so weiter“, ärgert sich der erfahrene Sozialarbeiter.
Nötig sei eine dauerhafte Finanzierung, um aus den Projekten Regelangebote zu machen. „Wir brauchen Finanzierungen, die Träger der Kinder- und Jugendhilfe so ausstatten, dass Verwaltungskosten und Leitungsanteile gesichert sind. Wir brauchen Finanzierungen, die unseren jungen und engagierten Fachkräften eine unbefristete Perspektive bieten.“ Arme Kinder bräuchten diese Menschen, die sie fördern und nachhaltig unterstützen und nicht nach kurzer Zeit weg sind, „weil sie sich irgendwann auf eine unbefristete Stelle wegbewerben“, so Rüth.
Dabei sollten die Verantwortlichen auf Kommunaler-, Landes- und Bundesebene keine Zeit mehr verlieren, mahnt der 58-Jährige. Essen – insbesondere der Norden der Stad – könnten es sich nicht leisten, eine weitere Generation nicht zu integrieren. Schon jetzt zeichneten sich neue, besorgniserregende Entwicklungen ab, so Rüth, der auf die Erkenntnisse der Polizei anspielt, dass junge Asylsuchende aus Syrien und dem Irak zunehmend in die Geschäftswelt der kriminellen Clans eindringen.