Essen-Vogelheim. Nach dem Abriss der katholischen Kirche in Vogelheim, beschloss Willi Jansen, sich seinen eigenen Kirchturm zu bauen. Der steht auf dem Balkon.
Willi Jansen kann das, was die Vogelheimer seit Ende vergangenen Jahres nicht mehr können: jeden Abend neben dem Kirchturm von St. Thomas Morus sitzen und eine rauchen. Wieso das möglich ist? Der 64-Jährige hat den Turm, der wie die Kirche abgerissen wurde, einfach nachgebaut. Der steht jetzt als Modell auf seinem Balkon.
Als der Kirchturm von St. Thomas Morus fiel, da hatte der Vogelheimer Willi Jansen Tränen in den Augen: „Das war ein furchtbares Gefühl, als die Bagger kamen. Gerade der Kirchturm hat für alle Vogelheimer eine große Symbolkraft. Immer, wenn ich den gesehen habe, dann war ich zu Hause. Ich verstehe einfach nicht, warum der als Wahrzeichen nicht stehenbleiben durfte“, sagt er und man spürt die Emotionen, die ihn umtreiben.
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Im katholischen Jugendhof in Vogelheim hat Willi Jansen seine Teenagerzeit verbracht
Denn Willi Jansen ist Vogelheimer durch und durch. Er ist in Vogelheim 1955 geboren und aufgewachsen: hier ist er zur Schule gegangen, hat auf den Straßen Fußball gespielt und wurde in der katholischen Kirchenjugend sozialisiert – erst als Messdiener, später dann als Teenager im Jugendhof, dem katholischen Jugendzentrum. „Dort gab es einmal in der Woche die Top-Ten-Disco, da habe ich die Platten aufgelegt. Das waren die tollen siebziger Jahre mit den Bee Gees, Cat Stevens, Creedence Clearwater Revival und Saturday Night Fever“, schwärmt er noch heute. Klar, dass er da auch seine spätere Frau Karin kennengelernt hat.
Doch seine vielen schönen Erinnerungen bekamen mit dem Kirchenabriss einen bitteren Beigeschmack. Als dann auch noch Anfang Januar der langjährige Jugendhofleiter Alois Krüger verstarb und Willi Jansen in einer kleinen Trauerfeier im Jugendhof ein paar Worte sprach, da fasste er den Entschluss, sich einfach seinen eigenen Kirchturm zu bauen. „Das habe ich sogar meinen alten Kumpels in der Rede versprochen.“
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Für den Nachbau reichten ihm seine Erinnerungen
Gesagt, getan: Bereits am nächsten Tag hat der gelernte Werkzeugmacher und spätere Feuerwehrmann alle Materialien im Baumarkt besorgt. „Mein Mann brauchte dafür keinen Plan und keine Abmessungen. Ihm reichten das Foto aus der Zeitung und seine eigenen Erinnerungen“, sagt Karin Jansen.
Zwei Wochen lang verschwand Willi Jansen Abend für Abend im Hobbykeller, sägte, klebte und verschraubte seinen Kirchturm. Selbst den Aluminiumhahn hat er originalgetreu ausgeschnitten. Und als Clou wird der rot gestrichene Turm nicht nur von innen illuminiert, sondern um ein Gebäude erweitert: Dort liegt ein einsamer Stein, den die Jansens aus dem Schutthügel beim Kirchenabriss gerettet haben.
Der tägliche Blick auf den Turm lindert den Schmerz über den Verlust der Kirche
„Wahrscheinlich ist das sogar noch ein Trümmerstein aus dem Zweiten Weltkrieg“, mutmaßt Willi Jansen. Schließlich wurde St. Thomas Morus aus Mangel an Geld aus den Überresten der Bombenangriffe gebaut. Das war drei Jahre bevor Jansen zur Welt kam.
Mit seinem wiederauferstandenen Kirchturm ist der zweifache Großvater zufrieden; der tägliche Blick auf das Symbol lindert ein wenig den Schmerz über den Abriss. „Jeden Abend sitze ich hier ganz entspannt und höre per Kopfhörer meine Musik.“ Natürlich nur Songs aus den siebziger Jahren.
Die letzte Messe wurde im Oktober 2018 gefeiert
Im Oktober 2018 haben die Katholiken in Essen-Vogelheim mit Bischof Overbeck die letzte Messe in der Kirche St. Thomas Morus an der Vogelheimer Straße gefeiert.
Seitdem trifft sich die Gemeinde im benachbarten Markushaus zum Gebet.
Die evangelische Kirche ist nicht nur Ausweichquartier für die Katholiken sein, sondern soll ein echtes ökumenisches Zentrum werden.