Essen. Mülheim heizt die Debatte um den Erhalt des Flughafens an. Die CDU hat die Wende vom Ausstieg bereits vollzogen. Die SPD hält aber daran fest.
Ingo Vogel formuliert es in einem Ton, der offen lässt, ober verwundert ist, oder nur genervt oder beides: Nein, er hätte nicht gedacht, dass das Thema noch einmal auf den Tisch kommt, sagt der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Essen und meint den Flughafen Essen/Mülheim. Genauer gesagt, die Frage, ob die Fliegerei dort noch eine Zukunft hat, vielleicht sogar über das Jahr 2034 hinaus.
Für Essens SPD war die Frage eigentlich längst beantwort, war das Thema abgehakt und erledigt. Nun liegt es plötzlich wieder ganz weit oben auf dem Stapel, den es abzuarbeiten gilt.
Schuld daran ist, wenn man es so nennen will, Hendrik Dönnebrink. Der Chef der Mülheimer Beteiligungsgesellschaft will den Flugbetrieb vorerst bis 2034 sichern und den Weg freimachen für eine Millionen-Investition der Luftschiffgesellschaft WDL. Auch den Düsenbetrieb will Dönnebrink am Flughafen Essen/Mülheim möglich machen.
Die Stadt Mülheim will den Pachtvertrag mit der WDL vorzeitig verlängern
Das am Flughafen ansässige Unternehmen WDL, dessen Luftschiffe am Himmel über der Ruhr seit mehr als vier Jahrzehnten freundliche Blicke auf sich ziehen, will bis zu zwölf Millionen Euro in einen Neubau investieren, an den sich eine Luftschiff-Eventhalle, bestehend aus einer transparenten Hülle anschließen soll. Der Pachtvertrag, der 2024 ausläuft, soll deshalb vorzeitig um zehn Jahre verlängert werden.
Die WDL drängt auf Planungssicherheit. Schon am 13. Februar soll der Rat der Stadt Mülheim entscheiden. Eine Mehrheit gilt als sicher. Allen voran die Mülheimer SPD steht dahinter - ausgerechnet, könnte man sagen, denn dieser Umstand macht für die Essener Genossen den Umgang mit dem Thema nicht leichter. Aufmunternden Applaus gibt es bereits von der für Essen, Mülheim und Oberhausen zuständigen Industrie- und Handelskammer: „Wir hoffen, dass der Vorschlag angenommen wird und die Hängepartie für die Flughafenbetriebe damit ein Ende hat“, erklärt IHK-Hauptgeschäftsführer Gerald Püchel.
Die Schutzgemeinschaft gegen Fluglärm spricht von einem „Trojanischen Pferd“
Die von der WDL gepachteten Flächen liegen auf Mülheimer Stadtgebiet. Den Pachtvertrag zu verlängern wäre deshalb allein Sache der Nachbarstadt, gibt SPD-Fraktionschef Ingo Vogel zu bedenken. Kritiker des Flugbetriebes warnen. Waldemar Nowack von der Schutzgemeinschaft gegen Fluglärm vergleicht das Ansinnen der WDL mit dem Trojanischen Pferd. Das eigentliche Ziel sei es, den Flugbetrieb über das Jahr 2034 hinaus zu verlängern. Dann laufen die per Gerichtsentscheid verbrieften Rechte des Aero Clubs aus. Spätestens dann sollte Schluss mit der Fliegerei sein, laut gültigem Ratsbeschluss sogar früher, nämlich möglichst schnell.
Eine Vertragsverlängerung der Stadt Mülheim mit der WDL würde diesen Beschluss des Essener Rates untergraben; es wäre ein unfreundlicher Akt gegenüber der Stadt Essen als Mitgesellschafter, heißt es von Seiten der Essener Grünen, die wie auch die Linken im Rat der Stadt an einer maßvollen Erschließung des Flughafengeländes für Wohnen und Gewerbe festhalten.
Die WDL hält einen erträglichen Betrieb des Flughafens für möglich
Frank Peylo, Geschäftsführer der WDL, macht gar keinen Hehl daraus, was er erreichen will und stellt folgende rhetorische Frage: Warum sollte sich für die Politik die Frage, aus dem Flughafen 2034 auszusteigen, überhaupt stellen, wenn der Flugbetrieb bis dahin „unter optimierten Bedingungen“ weiterläuft? Anders formuliert: Macht der Flughafen keine Verluste mehr, gibt es keinen Grund mehr, den Flugbetrieb aufzugeben. Noch kostet der Landeplatz die Städte etwa eine Halbemillion Euro pro Jahr.
Unter „optimierten Bedingungen“ wäre ein erträglicher Betrieb nach Überzeugung der WDL möglich. Schon Mitte vergangenen Jahres hatte sich die Essener CDU ähnlich geäußert, als sie per Parteitagsbeschluss eine Wende um 180 Grad vollzog indem sie eine „bestmögliche Nutzung“ des Flughafengeländes einforderte und dabei eine Fortführung des Flugbetriebes über das Jahr 2034 nicht mehr ausschloss.
Essens CDU hat die veränderte Mobilität im Blick
Die Begründung: Die Mobilität verändere sich rasend schnell auch im Luftverkehr. Flugtaxis und Multicopter seien bereits Realität. Selbst Start- und Landeerlaubnisse für kleinere Düsenflugzeuge, noch vor Jahren Anlass für juristischen Streit um eine erweiterte Betriebserlaubnis, sind für Essens Christdemokraten plötzlich kein Tabu mehr.
Politische Initiativen in diese Richtung blieben seit dem Parteitagsbeschluss vonseiten der CDU allerdings aus. Auch die Stadtspitze um Oberbürgermeister Thomas Kufen hält sich vornehm zurück. Augenscheinlich hat der OB kein Interesse daran, dass die Flughafen-Debatte vor der Kommunalwahl weiter Fahrt aufnimmt.
Rechtlich und technisch will Mülheims Wirtschaftsförderer in Richtung „kleine Düse“
Währenddessen drückt auf Mülheimer Seite Beteiligungschef Dönnebrink aufs Tempo. Der Flughafen soll rechtlich und technisch in die Lage versetzt werden, so dass ein Düsenbetrieb möglich wäre, wofür eine neue Betriebsgenehmigung her müsste. Die IHK spricht von einem „äußerst positiven Signal“.
Mehr Landeplatz als Flughafen
Der Flughafen Essen/Mülheim war vor dem Zweiten Weltkrieg bedeutend für den Luftverkehr. In viele europäische Städte gab es Flugverbindungen. Nachdem Krieg wurde der Flughafen Düsseldorf zu einer internationalen Drehscheibe, der Flughafen Essen/Mülheim kam über den Status eines Verkehrslandeplatzes nicht hinaus. Bestrebungen, diesen zu einem Regionalflughafen auszubauen, scheiterten. Das Land NRW hat sich als Gesellschafter inzwischen zurückgezogen.
Essens Sozialdemokraten lässt dieser Vorstoß aus der Nachbarstadt hellhörig werden. Die Interessen der unmittelbaren Anwohner und die der Stadt Essen seien in jedem Fall zu berücksichtigen, betont Fraktionschef Vogel. In der SPD-Fraktion sehe er aktuell keine Mehrheit – weder für die „kleine Düse“ noch für eine Ausweitung des Flugbetriebes über das Jahr 2034 hinaus. Gleichwohl werde sich die SPD mit dem Mülheimer Vorstoß befassen. Der Stapel auf dem Schreibtisch verlangt danach.