Essen. Die Missstände im Ausländeramt Essen sind nach Jahren noch nicht beseitigt. Nun hat Pro Asyl dem Oberbürgermeister einen Brandbrief geschickt.
In einem Offenen Brief an Oberbürgermeister Thomas Kufen, beklagt Pro Asyl/Flüchtlingsrat die Missstände bei der Essener Ausländerbehörde, auf die man seit 2017 aufmerksam mache. Die extrem langen Wartezeiten auf Termine führten dazu, dass Familienzusammenführungen über Monate verschleppt würden, Betroffene ihre Aufenthaltstitel nicht verlängern könnten und auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt seien, weil ihnen wichtige Dokumente fehlten. So werde Integration verunmöglicht. Obwohl lange bekannt sei, dass die Behörde unter erheblichem Personalmangel leide, habe sich die Situation in den vergangenen Monaten weiter verschlechtert.
Die langen Wartezeiten und die schlechte telefonische Erreichbarkeit seien „inakzeptabel“, räumt Ordnungsdezernent Christian Kromberg ein. Die Verwaltung tue alles Erdenkliche, um die Situation zu verbessern: „Doch bis das greift, werden noch ein bis zwei Jahre vergehen.“ Kromberg verspricht, unbürokratisch zu helfen, wenn einem Betroffenen durch die langsame Bearbeitung negative rechtliche Konsequenzen drohten.
Anderthalb Stunden in der Warteschleife am Telefon
Pro Asyl drängt dagegen auf eine strukturelle Lösung des Problems. Als Beratungsstelle müsse man viel zu oft verzweifelten Klienten erklären, warum wichtige Anträge monatelang nicht bearbeitet würden. So warte ein Klient seit knapp einem Jahr, dass ihm eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werde, sagt Inka Jatta aus der Pro-Asyl-Geschäftsführung. Der Betroffene müsse weiterhin alle drei Monate seine Duldung beim Ausländeramt verlängern lassen und potenziellen Arbeitgebern immer wieder erklären, dass er auch nach Ablauf der drei Monate beschäftigt werden könne. „So wird seit fast einem Jahr die Sicherung seines Lebensunterhalts und damit seine Integration massiv behindert.“
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Erst im Oktober 2019 hatte der Fall einer Wissenschaftlerin aus Vietnam für Schlagzeilen gesorgt, die wochenlang auf einen Termin im Ausländeramt wartete – sehr zum Verdruss des Uni-Professors, der sie angeworben hatte. Und der Syrer Safwat Raslan berichtet, dass er Mitte Januar eine Stunde und 22 Minuten in der Telefon-Warteschleife gehangen habe. „Beim nächsten Mal nehme ich einen Tag Urlaub, um mit der Ausländerbehörde telefonisch zu sprechen.“
Seit Jahren herrscht Personalmangel im Ausländeramt
Raslan ist seit 2015 in Deutschland, hat längst eine Niederlassungserlaubnis, bestreitet den Lebensunterhalt für sich und seine Familie und darf auf eine baldige Einbürgerung hoffen. Noch aber muss er regelmäßig für sich, seine Frau und die drei Kinder zum Ausländeramt. Zuletzt ging es um die Verlängerung seines Reisepasses, die auch beruflich wichtig sein könnte: Raslan ist Senior Consultant in der Finanzbranche. Als er im Januar endlich eine Mitarbeiterin des Ausländeramtes ans Telefon bekam, gab sie ihm einen Termin für den 27. August.
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Der Leiter des Ausländeramtes, Mario Helmich, räumt Wartezeiten von sieben bis elf Monaten ein. Er weist aber darauf hin, dass die Behörde enorme Rückstände abarbeiten müsse und aktuell nur 102 von 110 Stellen besetzt seien. Allein seit März 2019 habe man zwei Dutzend Mitarbeiter verloren, altersbedingt müsse man mit weiteren Abgängen rechnen. Inka Jatta von Pro Asyl hält dagegen, dass es bei der Zentralen Ausländerbehörde „offenbar in wenigen Monaten möglich war, Personal zu rekrutieren“. Im Ordnungsausschuss an diesem Mittwoch (5.2.2020) erklärte Helmich indes, dass es naturgemäß schwer sei, Personal für die fordernde Arbeit zu finden. Auch sei die Materie sei so kompliziert, dass es zwei Jahre dauere, bis eine neue Kraft „vollständig autark“ arbeite.
„Es mangelt weder an Stellen noch am Budget“
„Es mangelt weder an Stellen noch am Budget. Es ist einfach schwierig Personal zu gewinnen, Abgänge zu kompensieren und Neuzugänge einzuarbeiten“, bekräftigt auch Kromberg. Man wolle daher nun 20 bis 25 Verwaltungsfachwirte Ausländerwesen neu ausbilden. Kurzfristiger soll der lediglich mit sechs Stellen besetzte Telefonservice der Ausländerbehörde mit dem des Bürgeramtes zusammengeführt werden. Auch ein Springer-Team soll die Situation entspannen.
Pro Asyl schlägt derweil vor, langjährig Geduldete nicht mehr alle drei Monate einzubestellen, sondern ihnen regelmäßig Duldungen für ein Jahr zu erteilen. „Allein dadurch würde sich der Arbeitsaufwand für die Behörde drastisch reduzieren.“ In Fällen, wo man von einer sehr langen Bleibeperspektive ausgehen müsse, könne man darüber tatsächlich nachdenken, sagt Kromberg. Der Gesetzgeber sehe es allerdings anders vor: „Das müssten wir also mit dem Land abstimmen.“
Klientel des Welcome-Centers könnte erweitert werden
Um die Situation in der Essener Ausländerbehörde zu entlasten, denkt deren Leiter Mario Helmich auch darüber nach, einen Teil der Klientel an das Welcome- und Service-Center (WSC) abzugeben.
Bislang sind die Richtlinien für das WSC eng gefasst, in vielen Fällen ist ein Mindestgehalt notwendig. Nun überlege man, Studenten, Fachkräfte sowie Hochqualifizierte unabhängig vom Gehalt dort einzubeziehen.