Essen. Kabarettist Dieter Nuhr teilt in Essen wieder mächtig aus – und sagt augenzwinkernd: „Ich möchte, dass sich niemand angegriffen fühlt.“
Eines möchte Kabarettist Dieter Nuhr gleich zu Beginn seines Auftritts in der Grugahalle – mit einem Augenzwinkern – klarstellen: „Bitte – ich möchte nicht, dass sich jemand irgendwie angegriffen fühlt.“ Schließlich sei es ja in letzter Zeit öfters mal vorgekommen, dass „Menschen sehr beleidigt waren, wenn ich etwas gesagt habe.“
Damit spielt er an auf die heftige Kritik, der er sich nach seinen Äußerungen zur „Fridays for Future“-Bewegung ausgesetzt sah. Doch Schaden hat das dem Komödianten nicht zugefügt, viel eher noch genützt: Die Aura von „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“, die ihn jüngst umgibt, trifft bei vielen Zuschauern auf fruchtbaren Boden.
Nuhr hat was gegen die Ideologie an sich
Dass an einem Abend mit Nuhr gehörig ausgeteilt wird, wird vom Publikum regelrecht erwartet. Dabei ergreift Nuhr niemals (politische) Partei, sondern schießt gegen Professuren für Genderforschung im Feuerwehrwesen gleichermaßen wie gegen Rapper oder rechte Internet-Trolle. Dabei scheint er kein bestimmtes Dogma zu verfolgen. Er richtet sich eher gegen das Konstrukt der Ideologie an sich, gegen das Extreme, das andere Weltanschauungen nicht zulässt – der Liberalismus als Lösung aller gesellschaftlichen Fragen? Für Nuhr offenbar. Oder, wie er selbst sagt: „Echte Toleranz ist, wenn Veganer mich essen lassen, was ich will.“
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Zwei Gäste verlassen den Saal
Zur Hysterie im Allgemeinen und zur Klimadebatte im Speziellen ätzt Nuhr: „Das ist ein bisschen wie auf der Geburtsstation. Einer fängt an zu schreien, dann schreien alle, und am Ende weiß keiner mehr, warum.“ Nuhr wechselt immer wieder zwischen philosophischen und äußerst bissigen Tönen: Von der Rolle Deutschlands als moralischer Schulmeister der Welt hin zur Titulierung Björn Höckes als „Bonsai-Hitler von der AfD“, der in seinem Buch ziemlich offensichtliche Anleihen bei „Mein Kampf“ macht.
Das passt nicht jedem: zwei junge Herren verlassen unter einigem Getöse den Saal. Nuhr nimmt es gelassen: „Und ich dachte, nur Frauen gehen zusammen auf die Toilette.“ Nach der Pause findet Nuhr dann noch eine auf eine Eintrittskarte gekritzelte Botschaft auf der Bühne – die er sehr zum Leidwesen des Publikums nicht vorliest. Ein Liebesbrief dürfte es jedoch wohl nicht gewesen sein.
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Nuhr findet: Unsere Gesellschaft hat die Gelassenheit verloren
Es scheint Nuhr zu gefallen, auf Schritt und Tritt Empörung auszulösen. „Ich wurde im letzten Jahr als linksgrün-versiffter Systemling, als Rechtspopulist, als Islamhasser und als Islamversteher bezeichnet. Irgendwas mache ich wohl richtig.“ Nuhr will auf diese Weise einer Gesellschaft den Spiegel vorhalten, die seiner Ansicht nach die Gelassenheit ebenso verlernt hat wie den Umgang mit anderen Meinungen. Die wütenden Reaktionen, denen er sich ausgesetzt sieht, sind dabei wohlkalkulierter Teil der Inszenierung.