Essen. Ein Horror für jeden Bahnkunden: Unvermittelt stieß der Angeklagte einen Mann ins Gleisbett des Essener Hauptbahnhofes. Jetzt begann der Prozess.

Eigentlich wirkt der 26-Jährige wie ein ganz normaler junger Mann. Wenn da nicht die Taten wären, die ihm die Staatsanwaltschaft vorwirft. Im Essener Hauptbahnhof soll er Menschen bedroht und einen 66-Jährigen ins Gleisbett gestoßen haben.

Unvermittelt soll er auch einen Mann auf der Rolltreppe im U-Bahnhof geschlagen haben, so dass dieser stürzte und sich den Schädel brach. Eine dritte Anklage spricht von einem Pärchen auf der Kettwiger Straße, das er geschlagen haben soll.

Eine von drei Taten räumt er ein

Seit Dienstag muss er sich deshalb vor der XVI. Essener Strafkammer verantworten. Als Richterin Annette Rabe ihn fragt, ob er schweigen möchte oder Stellung nehmen, antwortet er differenziert. Keine Angaben zu den Hauptvorwürfen, nur zu der Attacke in der Kettwiger Straße will er etwas sagen: "Ja, ich räume das ein. Ich erkenne meine Schuld an. Es tut mir leid."

Am frühen Nachmittag des 16. September 2018 soll er das Pärchen angesprochen haben. Ob die beiden etwas gesagt hätten, hat er laut Anklage gefragt. Als beide verneinten, schlug er zu und beleidigte den Mann mit dem Wort "Hurensohn".

Opfer kannte der Angeklagte nicht

Das habe einen privaten Hintergrund, erklärt er. Er spricht von seinem Freundeskreis in Rüttenscheid, räumt aber auch ein, die beiden gar nicht zu kennen. Die hätten etwas gesagt, würden das vor Gericht aber sicher bestreiten. Allerdings: "Der Herr hat mir nichts getan."

Er habe psychische Probleme, sagt er. Er könne sich dann nicht kontrollieren. Das erläutert er: "Mein Herz sagt Nein, aber mein Kopf sagt, Sebastian, lass die Wut raus."

66-Jährigen mit beiden Händen gestoßen

Das wird dann wohl auch der Grund für die Aktion am 29. Juni 2018 auf Gleis 11 des Essener Hauptbahnhofes gewesen sein. Da soll er auf dem Bahnsteig Leute angerempelt und sie bedroht haben: "Ich stech euch ab." Im Vorbeigehen habe er dann einen 66-Jährigen mit beiden Händen ins Gleisbett gestoßen haben.

Der Angeklagte sagt dazu nichts. Doch der Mann erinnert sich als Zeuge: "Ich fiel auf den Rücken. Mein Rucksack dämpfte den Sturz." Unverletzt kletterte er wieder auf den Bahnsteig. Passanten halfen ihm. Todesangst habe er nicht gehabt, beantwortet er eine Frage des Gerichtes. Und: "Ich hatte großes Glück."

Opfer unterstellt keine Absicht

Genau weiß er nicht, ob der Angeklagte ihn bewusst ins Gleisbett geschubst hat oder ihn einfach nur aus dem Weg haben wollte. Im Ergebnis kommt es darauf bei einem Betroffenen auch nicht an.

Am 30. März schließlich soll er mit einem anderen Mann auf einer Rolltreppe im U-Bahnhof Hauptbahnhof in Streit geraten sein. Wieder soll er unvermittelt zugeschlagen haben, dreimal mit der Faust gegen den Kopf. Der Mann stürzte, erlitt einen Schädelbruch.

Fälle zuerst am Amtsgericht angeklagt

Die Staatsanwaltschaft hatte die Fälle beim Strafrichter des Amtsgerichtes angeklagt. Doch der reichte den Angeklagten ans Landgericht weiter, weil er den Verdacht hatte, dass der 26-Jähriger wegen seiner psychischen Probleme gefährlich sei und in einer geschlossenen Anstalt untergebracht werden müsse.

Angeklagter ist in Freiheit

Darüber wird jetzt die XVI. Strafkammer zu entscheiden haben. Als besonders gefährlich gilt der Angeklagte den Juristen bislang nicht. Er ist immer noch in Freiheit, ist seit fast einem Jahr nicht mehr aufgefallen. Er selbst führt das darauf zurück, dass er auf Cannabis verzichtet hat. Seitdem habe er keine Paranoia mehr.

Der psychiatrische Gutachter Martin Heilmann gefällt ihm aber nicht. Er möchte gerne einen anderen Sachverständigen, weil Heilmanns vorläufiges Gutachten ihm "zu schwammig" erscheint.