Essen. Schon im 10. Jahrhundert führten bedeutende Verkehrswege durch Essen. Dafür sprechen archäologische Funde an der Bottroper Straße.

Detlef Hopp fühlt sich in seinem Beruf zuweilen wie ein Kriminalist. Wie ein Ermittler, der Spuren zu einem Bild zusammenfügt, als wären es Mosaiksteinchen. Oft genug bleiben Fragen offen, so manches bleibt im Ungefähren. Und doch war das zurückliegende Jahr aus Sicht von Essens Stadtarchäologen einmal mehr ein äußerst aufschlussreiches.

„2019 war ein gutes Jahr“, sagt der 63-Jährige. Bei Grabungen an der Werdener Abtei stieß eine Grabungsfirma auf eine Glockengießgrube, die aus dem 10. Jahrhundert stammen dürfte und frühe Handwerkskunst dokumentiert. „Sie passt zu Spuren aus dem 9. und 10. Jahrhundert, die wir dort bereits gefunden haben“, berichtet Hopp.

Reste einer Hofanlage in Kettwig dürften aus fränkischer Zeit stammen

An der Grillostraße legten der Archäologe und eine weitere Grabungsfirma Überreste der Altenbergsmühle aus dem 18. und 19. Jahrhundert frei. Dass dort schon viel früher eine Mühle gestanden hat, dessen ist sich Hopp sicher.

In Kettwig entdeckte Hop mit der Universität Bochum Reste einer Hofanlage vermutlich aus fränkischer Zeit. Wo genau, will der Archäologe einmal mehr aus Sorge vor Raubgräbern nicht verraten. „Dieses Problem kriegen wir nicht in den Griff.“ Bereits im vergangenen Jahr hatte Hopp eine in einigen Kreisen sinkende Wertschätzung für historisch bedeutende Funde und deren leichtfertige Zerstörung öffentlich beklagt.

Alle Ausgrabungsstätten belegen einmal mehr, wie vielfältig die Arbeit des Stadtarchäologen in dieser Stadt, in diesem Siedlungsraum ist.

Diese Ansicht von 1680 zeigt Essen aus Richtung Osten. Aus dem Steeler Tor führt der Hellweg nach Steele.
Diese Ansicht von 1680 zeigt Essen aus Richtung Osten. Aus dem Steeler Tor führt der Hellweg nach Steele. © Foto:

Dass durch Essen und das Ruhrgebiet schon zu Frühzeiten wichtige Verkehrswege führten, ist keine Überraschung angesichts des Hellweges, an dem sich die Städte bis heute aufreihen wie an einer Perlenkette und den schon die alten Römer nutzten. Wie weit verzweigt die Wege schon waren, als Waren noch mit Fuhrwerken und Karren transportiert wurden, auch dafür fand Hopp im zurückliegenden Jahr belastende Hinweise.

Wagenspuren unter der Bodenplatte des ehemaligen Kruppschen Walzwerkes

Unweit der Bottroper Straße, wo die Essener Thelen-Gruppe den Baugrund für einen Möbelmarkt bereitet, stieß der Archäologe auf Spuren von Rädern, die sich tief in den lehmigen Untergrund eingedrückt hatten. Verborgen waren diese unterhalb des Hallenbodens, des einstigen Walzwerkes 2 der ehemaligen Friedrich-Krupp-Gusstahlfabrik.

Das Walzwerk war im 1. Weltkrieg erbaut worden, in den 1960er Jahren wurde es abgerissen. Durch die schwere Betonbodenplatte war ein darunter liegender, unbefestigte Weg mit einer Breite von vier bis fünf Metern praktisch konserviert worden. Die Fahrspuren selbst reichten bis einen halben Meter tief in den Boden hinein, was dafür spricht, dass der Weg häufig und lange genutzt worden war. „Die ältesten Spuren sind sicherlich mittelalterlich“, berichtet Detlef Hopp.

Essens Stadtarchäologe

Detlef Hopp arbeitet seit 1989 für die Essener Stadtarchäologie. Der 63-Jährige hat diesen Bereich des städtischen Instituts für Denkmalschutz und Denkmalpflege aufgebaut. 2000 archäologische Fundstellen sind heute in Essen bekannt. Essen ist damit eine der fundreichsten Städte im Ruhrgebiet. 2020 wird Hopps letztes Jahr als Stadtarchäologe sein. Ende des Jahres verabschiedet er sich in den Ruhestand.

Auf Karten aus dem 19. Jahrhundert ist ein Weg eingetragen. Dieser führte nach Osten über die damals bereits befestigte Bottroper Straße und entlang der heutigen Segerothstraße bis in die Innenstadt. Belegt ist, dass schon im Mittelalter ein mit Holzbohlen befestigter Weg durch das Limbecker Tor in die Stadt hineinführte. Der Weg wurde im Laufe der Zeit immer wieder erneuert und war bis zu sieben Lagen stark. „Die ältesten Funde stammen aus dem 10. Jahrhundert“, so Hopp.

Solche Bohlenwege und unbefestigte Hohlwege bildeten einst eine Art Fernstraßennetz. An der Aktienstraße in Schönebeck konnte Hopp solche Wege nachweisen wie auch in Burgaltendorf. Für ihn sind es Belege dafür, dass das Ruhrgebiet schon vor tausend Jahren war, was es heute noch ist: ein bedeutender Verkehrsknotenpunkt.