Essen. Die 74-jährige Susanna Dittwald hat großes Glück gehabt: Sie gehört zu den 89 Patienten, die 2019 im Uniklinikum Essen eine neue Niere erhielten.

Susanna Dittwald hat großes Glück gehabt: Sie gehört zu den 89 Patienten, die im vergangenen Jahr im Universitätsklinikum Essen eine neue Niere erhalten haben. Und damit die Chance auf ein neues Leben.

Einfach mal spazieren gehen. Mit den Enkelkindern spielen. Freunde treffen. Lecker kochen. Ins Theater gehen. Im Garten arbeiten. Wieder Sport treiben. Die Wünsche, die sich Susanna Dittwald nach ihrer Nierentransplantation erfüllen möchte, klingen ganz unspektakulär. Doch nicht für die 74-jährige schlanke Essenerin: „Wieder meinen Alltag leben können, das ist für mich das Schönste überhaupt.“

Eine Bauchfelldialyse können Patienten selbstständig zuhause durchführen

Dass sie irgendwann mal eine neue Niere brauchen würde, das war Susanna Dittwald schon länger klar. Seit ihrem 30. Lebensjahr leidet sie unter Zystennieren, „aber lange Jahre hatte ich kaum Probleme, obwohl die Nierenfunktion eingeschränkt war“. Aber dann, vor zehn Jahren, nahmen die Beschwerden zu. „Im September 2017 musste ich zum ersten Mal an die Dialyse.“ Gott sei Dank gehörte sie zu den Patienten, die für eine Bauchfelldialyse infrage kamen, also nicht jeden zweiten Tag ans Dialysegerät mussten. Aber dafür musste sie jede Nacht die Peritonealdialyse, so der Fachbegriff, durchführen.

Die Transplantationsbeauftragte Ebru Yildiz mit einem Modell der Nieren in Originalgröße.
Die Transplantationsbeauftragte Ebru Yildiz mit einem Modell der Nieren in Originalgröße. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

„Gut angeleitet und geschult, können das Patienten selbstständig zuhause machen“, erläutert Ebru Yildiz. Die Oberärztin arbeitet in der Nephrologie des Universitätsklinikums und ist dort die Transplantationsbeauftragte.

12.031 Menschen warten in Deutschland auf eine Niere

89 Nieren wurden 2019 in Essen transplantiert, „aber die Warteliste ist weitaus größer“. 546 Menschen warten allein in Essen und Umgebung verzweifelt auf das lebenswichtige Organ, deutschlandweit sind es derzeit 12.031, die eine Niere brauchen. Dabei ist die Niere das Organ, das in Deutschland am häufigsten transplantiert wird. Was auch daran liegt, dass es das für eine Transplantation am häufigsten benötigte Organ ist.

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Mit dem Beginn der Dialyse hat sich Susanna Dittwald sofort auf die Warteliste für eine Transplantation setzen lassen. „Ich habe da nicht lange überlegt, sondern wollte die Chance ergreifen.“ Jedes Jahr an der Dialyse raube den Betroffenen die Kraft für zwei Lebensjahre, hatte ihr Nephrologe gesagt. „Im ersten Jahr Dialyse habe ich noch nicht so viel gemerkt. Doch im zweiten Jahr wurde ich zunehmend schlapper.“ Es fehlte die Kraft für alles. „Kochen, einkaufen, putzen – das war mir nicht mehr möglich.“ Ihr ganzes Leben wurde mühsam, sie war nur noch müde. Die sozialen Kontakte beschränkten sich auf ein Minimum, „alles, was mir Freude macht, fiel weg“. Zuletzt war selbst das Anheben des Armes zu strapaziös.

Die erste mögliche Spenderniere passte dann doch nicht

An einen Tag kann sich Susanna Dittwald besonders gut erinnern: „Da war ich mit meinen Enkeln in der Gruga und kam nicht mehr von der Stelle. Die Kinder haben mich geführt und meine Tasche getragen.“ Das ist das Ende, habe sie da gedacht. Und dann kam die erlösende Nachricht: Wir haben eine Niere, die vielleicht passt.

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Doch dieser erste Versuch im Frühjahr 2019 scheiterte in letzter Minute. „Die genetischen Daten haben nicht soweit gepasst, dass wir unbedenklich transplantieren konnten“, sagt Ebru Yildiz. Fünf Merkmale müssen zwischen Spender und Empfänger übereinstimmen, bevor man das Organ einsetzt. „Wir nennen das eine Full-House-Niere.“ Für Susanna Dittwald war das natürlich ein Tiefschlag. Doch ihr blieb keine andere Wahl, als weiter zu warten. Die Zeit verstrich und die Kraft wurde immer weniger. „Doch gehofft habe ich immer.“

Einer 80-jährigen Spenderin verdankt sie ihre neue Niere

Dann, im Oktober 2019, kam der zweite Anruf. „Es war um 21 Uhr, das weiß ich noch ganz genau.“ Mit gemischten Gefühlen wie Freude aber auch Angst, es könnte wieder nicht klappen, fuhr sie sofort in die Uniklinik. Und wurde 12 Stunden später erfolgreich operiert.

Einmal in der Woche wird Susanna Dittwald in der Transplantationsambulanz des Uniklinikums untersucht. Ihre neue Niere funktioniert einwandfrei.
Einmal in der Woche wird Susanna Dittwald in der Transplantationsambulanz des Uniklinikums untersucht. Ihre neue Niere funktioniert einwandfrei. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Einer 80-jährigen Organspenderin verdankt sie ihre neue Niere. „Frau Dittwald stand auf der Old-to-Old-Warteliste“, erklärt Ebru Yildiz. Das bedeutet: Immer mehr Spender werden immer älter. Sind ihre Organe noch intakt, dann können auch sie transplantiert werden. „Allerdings würden wir nicht die Niere einer 80-Jährigen einem 35-Jährigen einsetzen.“ Aber einer 74-Jährigen.

Zwei Wochen nur lag Susanna Dittwald in der Klinik, dann ging sie mit einem großen Packen Medikamente nach Hause. Die muss sie gegen eine mögliche Abstoßung ein Leben lang nehmen. „Natürlich bleibt das Restrisiko immer, dass die transplantierte Niere auch nach Jahren abgestoßen wird“, so die Ärztin.

Sie muss ein Leben lang Medikamente gegen die Abstoßung nehmen

Das „fremde“ Organ anzunehmen, fiel der zweifachen Mutter und sechsfachen Großmutter nicht eine Minute lang schwer. „Ich habe mich eigentlich nur wahnsinnig gefreut. Ich habe so ein großes Glück gehabt. Das ist jetzt MEINE neue Niere“, sagt sie. Der Spenderin sei sie unglaublich dankbar. Und ist seitdem im Freundes- und Bekanntenkreis eine Botschafterin für die Organspende.

Anfänglich musste Susanna Dittwald noch mit den Nebenwirkungen der Medikamente kämpfen. Inzwischen hat sich das eingependelt, geht es ihr Tag für Tag besser. Ihre neue Niere funktioniert einwandfrei, das ist die Hauptsache. Für das neue Jahr hat sie sich nur eines vorgenommen: Einfach wieder leben und das Leben genießen. Keine Traumreise in die Karibik? „Nee, lieber mit meinem Mann und den Enkelkindern nach Spiekeroog“, sagt sie und lacht.

Die Niere wird am häufigsten transplantiert

Die Niere ist das am häufigsten für eine Transplantation benötigte Organ. Etwa sechs Jahre müssen Menschen, die eine Spenderniere benötigen, auf die Transplantation warten.

Funktionieren die Nieren nicht richtig, hat das schwerwiegende Auswirkungen auf den gesamten Körper. Die Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) oder Bluthochdruck sind die häufigste Ursache für eine Nierenschädigung.

In schweren Fällen muss die Funktion der Nieren entweder durch Blutwäsche (Dialyse) oder die Transplantation einer Spenderniere ersetzt werden.

Neben der „klassischen“ Form der Dialyse – der Hämodialyse – ist die Peritoneal- oder Bauchfelldialyse eine weitere Form der Nierenersatztherapie. Sie ermöglicht es, das Blut von Abfallprodukten des Stoffwechsels sowie von überschüssigem Wasser zu befreien, wenn die Nieren diese Aufgabe nicht erfüllen können.

Die Peritonealdialyse funktioniert nach dem gleichen physikalischen Prinzip wie die Hämodialyse, bei den Abläufen bestehen jedoch große Unterschiede. Welche Art der Dialysebehandlung eingesetzt wird, muss individuell entschieden werden.

Mehr Infos zum Transplantationszentrum der Universitätsklinik Essen unter https://www.uk-essen.de/unternehmen/schwerpunkte1/transplantation1/

Mehr Infos zur Organspende unter https://www.organspende-info.de/start.html.