Essen. Seit dem Fahrplanwechsel nutzt die Nordwestbahn ein Gleis in Steele als Wartezone. Züge warten bei laufendem Motor und terrorisieren Anwohner.
Die Dahlhauser Straße in Steele-Horst war eine ruhige Wohnstraße. Seit dem Fahrplanwechsel Mitte Dezember ist es mit der Ruhe vorbei. „Seitdem stehen Dieselloks direkt hinter unserem Garten“, klagt Anwohnerin Katharina Hadasch. Nicht nur sie sei mit den Nerven am Ende, sondern die ganze Nachbarschaft. Denn die Lokomotiven der Privatbahn machen ordentlich Lärm. Und das über Stunden, den ganzen Tag lang.
Mit dem Fahrplanwechsel fährt die Regionalbahn RE 14 „Der Borkener“ nicht nur bis zum Essener Hauptbahnhof, sondern bis nach Steele. Das Gleis entlang der Dahlhauser Straße nutzt die Nordwestbahn als Wartezone. Um Ostern rum war es erneuert worden. Die Böschung wurden gerodet, Bäume und Büsche, die ein bisschen Schutz boten, sind verschwunden. Das sieht nicht schön aus. Aber da ahnte Katharina Hadasch noch nicht, dass zum Jahresende hin alles noch viel schlimmer kommen würde.
Hausbewohner in Steele fürchten um den Wert ihrer Immobilien
Oktay Yasar wohnt gleich nebenan. Sein Haus hat er mit viel Geld, Liebe und Muskelkraft renoviert. Vom Schlafzimmer aus blickt er direkt auf die Gleise. Mit seinem Handy hat der 52-Jährige ein Video gedreht. Darauf zu sehen ist ein Zug der Nordwestbahn bei laufendem Motor. Es hört sich an, als würde in der Nähe irgendjemand mit einer Kettensäge mächtige Stämme zerteilen. So geht das jeden Tag. „Zirka 15 bis 20 Minuten steht der Zug da“, berichtet Oktay Yasar. Bald darauf kommt der nächste.
Anwohner fühlen sich nicht nur um den Schlaf gebracht. Sie fürchten um den Wert ihrer Immobilien. „Ich mache mir ernsthaft Sorgen“, sagt Oktay Yasar. Was ist, wenn das so weiter geht? Kann es so weitergehen?
Die Deutsche Bahn lässt auf Anfrage der Redaktion wissen, dass die Nordwestbahn das Gleis „entsprechend ihrem Betriebskonzept“ angemietet hat. „Die Disposition erfolgt daher in Eigenregie durch das Eisenbahnverkehrsunternehmen.“ Im Klartext: Die Nordwestbahn entscheidet selbst darüber, wann dort wie viele Züge stehen.
Lokführer sind laut Nordwestbahn angehalten, die Motoren auszuschalten
Eine Sprecherin der Nordwestbahn erklärt, das Gleis sei dem privaten Eisenbahnunternehmen durch den Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) als Wartezone zugewiesen worden. Die Wendezeit der Züge betrage zwölf Minuten. Da es auf der Strecke aktuell häufig zu Verspätungen komme, falle die tatsächliche Wendezeit sogar kürzer aus. Anwohner können das nicht bestätigen.
Beschwerden über Lärm sind der Sprecherin bekannt. Die Lokführer seien bei Aufenthaltszeiten von mehr als fünf Minuten angehalten, die Motoren abzustellen, „wenn die Gegebenheiten es zulassen“. Technische Gründe oder eisige Außentemperaturen könnten dagegen sprechen. Am vergangenen Freitag habe nur ein einziger Zug den Motor abgestellt, berichtet Oktay Yasar. Draußen waren es neun Grad.
Verspätungen durch den Fahrplanwechsel
Mit dem Fahrplanwechsel zum 15. Dezember 2019 hat der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) den Regionalverkehr gestärkt, auf S-Bahnverbindungen wurden dafür Taktzeiten teilweise ausgedünnt. Der Fahrplanwechsel geht mit Verspätungen auf verschiedenen Linien einher. Besonders betroffen ist die Linie S9, die derzeit im 30-Minuten-Takt auf einer verkürzten Strecke zwischen Bottrop und Wuppertal-Vohwinkel verkehrt. Auch auf der Linie RE 14 kommt es laut Fahrgästen immer wieder zu Verspätungen.
Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Im Hause VRR herrschte bis einschließlich Freitag Betriebsruhe. Katharina Hadasch und ihre Nachbarn wollen weiter Alarm schlagen. Oberbürgermeister Thomas Kufen wollen sie einen Brief schreiben mit der Bitte um Hilfe. Gegen die Nordwestbahn lassen sie rechtliche Schritte prüfen. Dienstag haben sie einen Termin bei einem Rechtsanwalt.