Essen. Babynamen: Bei Mädchen war 2019 Marie am beliebtesten, bei Jungen Noah, doch nur, wenn man die sechs Schreibweisen für Mohammad einzeln wertet.

Die offenbar unverwüstliche Marie bei den Mädchen und Noah bei den Jungen werden in der offiziellen Statistik der Stadt im Jahr 2019 als beliebteste Vornamen in Essen genannt. Während Marie ein echter Longseller ist und mit nur einer Ausnahme schon seit 2008 die Liste bei den Mädchen anführt, lag Noah 2018 noch auf Platz 6 und löste im vergangenen Jahr Ben ab. Addiert man allerdings die sechs verschiedenen Schreibweisen für Mohammad ergibt sich wie schon in den Vorjahren ein anderes Bild: 64 kleine Jungen in Essen wurden nach dem islamischen Religionsgründer benannt, faktisch führt daher dieser Name die Statistik an.

Gesamtzahl der anerkannten Vornamen ist rekordverdächtig hoch: 1667 bei Mädchen, 1629 bei Jungen

Anette Werner, Leiterin des Sachgebiets Geburten im Standesamt, hat dennoch das Personenstandsrecht auf ihrer Seite: Jede Änderung der Schreibweise führt dort zu einer anderen Rubrik, insofern liegt eben offiziell Noah vorn. Insgesamt beurkundete das Standesamt 6046 Geburten im Jahr 2019, was einem leichten Rückgang von 128 gegenüber dem Vorjahr entspricht. Die Zahl der verschiedenen Vornamen ist demgegenüber noch einmal gestiegen: Offiziell gab es im vergangenen Jahr exakt 1667 Mädchennamen und 1629 Jungennamen. Ein neuer Rekord, der etwas über die wachsende internationale Zusammensetzung der Essener Bevölkerung verrät, aber auch ein Ausweis ist für die Freizügigkeit des Standesamtes.

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Denn Anette Werner macht keinen Hehl daraus, dass sie manchen Namen, den Eltern sich so ausdenken, für grenzwertig hält. Verweigert wird die Beurkundung allerdings nur sehr selten. „Die Namensgebung ist Sache der Eltern, und diese haben - höchstrichterlich bestätigt - einen großen Spielraum“. Deshalb sind zum Beispiel Gigi, Blue, Pepa, Happiness oder Precious 2018 bei den Mädchen durchgegangen, bei den Jungs gehen Tarzan und Testimoni, Marinos und Samwell oder auch ein Zungenbrecher wie Ikechukwu als Vornamen in Ordnung.

Vor allem Einwanderer aus Afrika geben ihren Kindern gerne exotisch klingende Namen

Vor nicht allzu langer Zeit musste aus dem Namen noch hervorgehen, ob das deutsche Sprachempfinden hier klar einen Jungen oder ein Mädchen erkennt. Das wäre heute nicht nur angesichts von Gender-Diskussionen anachronistisch, in denen die Existenz Dutzender Geschlechter behauptet wird, sondern auch wegen der neuen Buntheit. Vor allem Einwanderer aus Afrika gäben ihren Kindern gerne Namen, die im Ursprungsland wohl gebräuchlich sind, jedoch in Deutschland exotisch klingen, so die Stadt.

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„Natürlich beraten wir die Eltern“, sagt Anette Werner. Dabei fehle auch nicht der Hinweis, dass es dem Kind und späteren Erwachsenen im Alltag Vorteile bringe, wenn der Name wenigstens einigermaßen mit der deutschen Sprache harmoniere. Durch Internet-Recherche versuchen die Standesbeamten herauszufinden, ob der Name zumindest in anderen Kulturen gebräuchlich ist oder komplett der Fantasie entspringt, im schlimmsten Fall vielleicht sogar diskriminierend ist. Erfahrungsgemäß blieben viele aber bei ihren Vorstellungen, wobei auch urdeutsche Eltern bisweilen auf seltsame Ideen kommen.

Wenn „Bienchen“ älter wird und 80 Kilo wiegt, ist das kein lustiger Name mehr

Der Name „Bienchen“ zum Beispiel mag für ein Kleinkind ja noch halbwegs passabel sein, lässt man einmal alles Stilgefühl beiseite. „Aber wenn Bienchen 40 ist und 80 Kilo wiegt, wirkt das schon anders“, gibt Anette Werner zu bedenken. „Bei uns gibt es immer was zu lachen“, sagt die Abteilungsleiterin - natürlich erst, wenn die Standesbeamten unter sich sind.

Denn wie gesagt: Das Elternrecht ist heilig und hat nur Grenzen, wo das Kindeswohl wegen latenter Spott-Gefahr ernsthaft auf dem Spiel steht. Eine kleine „Schlampe“ oder einen „Trump“ etwa würde sie beanstanden, und nur der Amtsrichter könnte dann den Eltern noch zu ihrem Traumnamen verhelfen. „Das ist aber noch nie passiert, wenn wir wirklich mal etwas beanstandet haben“, sagt Anette Werner.

Alte Namen bleiben beliebt, besonders in intellektuellen Kreisen

Längst wieder zu Ehren gekommen und ungebrochen beliebt sind Klassiker wie Alexander, Adam, Paul oder Theo, und das noch deutlicher bei den Mädchen, wo alte Namen wie Maria, Charlotte, Johanna oder Elisabeth die oberen 50 Plätze auf der Essener Liste bevölkern. Faustregel: Großmutter und Enkelin, Urgroßvater und Urenkel haben seit den 1990er Jahren oft wieder die selben Namen - (fast) alles kommt wieder. „Der intellektuelle Teil der Bevölkerung mag solche Namen“, analysiert die Standesbeamtin. Hingegen ist der berüchtigte „Kevinismus“ in diesen Kreisen verpönt.

Dass es auch Greta 2019 mit 23 Benennungen in die „Top 20“ schaffte, dürfte allerdings wiederum andere Gründe haben. Ein Jahr zuvor, vor dem Siegeszug der Klimaaktivistin, dümpelte der Name noch auf Platz 55 dahin. „Vorbilder werden gerne genommen“, weiß man im Essener Standesamt. Und auch Namen als politische Statements kommen vor. Ob die Kinder sich davon später etwas annehmen, ist zum Glück offen.