Essen. Stadt Essen würde gern Hartz-IV-Empfänger länger in Ein-Euro-Jobs beschäftigen als bislang möglich. So sollen deren Chancen auf Arbeit steigen.

In der aktuellen bundesweiten Diskussion um eine Sozialstaatsreform fordert auch Essens Sozialdezernent Peter Renzel umfassende Änderungen in der Hartz-IV-Gesetzgebung. „Wir dürfen bei einer Reform nicht nur über Sanktionen reden. Sondern wir müssen hin zum Schwerpunkt des Förderns kommen“, sagte Renzel in einem Gespräch mit dieser Redaktion. Er sieht vor allem Reformbedarf bei der Gemeinwohlarbeit – den so genannten Ein-Euro-Jobs – um mehr langzeitarbeitslose Menschen wieder in den Arbeitsmarkt zu bringen. In Essen sind zur Zeit 11.380 Frauen und Männer ein Jahr und länger ohne Arbeit und gelten damit als langzeitarbeitslos.

Renzel setzt sich besonders für längere Fördermöglichkeiten für die Hartz-IV-Empfänger ein. „Ich möchte Förderketten, die letztlich in die Unabhängigkeit führen.“ Das heißt: Das Jobcenter sollte je nach Fall individuell bestimmen können, wie lange jemand mit Hilfe eines Ein-Euro-Jobs wieder ans Arbeitsleben herangeführt wird. Derzeit sind maximal 24 Monate in fünf Jahren möglich. „Es bringt nichts, jemanden, der sich gerade an regelmäßige Arbeit gewöhnt hat, nach wenigen Monaten wieder aufs Sofa zu setzen“, so Renzel. Außerdem fordert er, dass die Inhaber eines Ein-Euro-Jobs übers Jobcenter auch teilweise qualifiziert werden dürfen. Das ist heute nicht möglich.

Hartz IV: Stadt zahlt 140 Millionen für Mieten und Heizung

Der Essener Sozialdezernent Peter Renzel.
Der Essener Sozialdezernent Peter Renzel. © Funke Foto Services | André Hirtz

Renzel geht es nach eigenem Bekunden nicht darum, die Ein-Euro-Jobs auszuweiten. „Wir haben in Essen rund 4500 Einsatzstellen. Das ist vollkommen ausreichend“, sagte er. Auch an der Entlohnung will der Sozialdezernent zunächst nichts ändern. Teilnehmer bekommen als Aufwandsentschädigung derzeit 1,25 Euro pro Stunde. Daher auch der landläufige Name Ein-Euro-Job. Beliebt sind diese Jobs bei vielen Hartz-IV-Empfängern nicht. Doch Renzel betont den aus seiner Sicht gesellschaftlichen Wert: Die Leistungsbezieher „geben damit der Gemeinschaft etwas zurück“. Die Stadt Essen muss aus ihrem Haushalt rund 140 Millionen Euro allein für Mieten und Heizung an Hartz-IV-Haushalte zahlen.

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Renzels Forderungen leiten sich nicht zuletzt aus den jüngsten Erfahrungen des städtischen Jobcenters mit dem neuen sozialen Arbeitsmarkt her. Seit Jahresbeginn bekommen Arbeitgeber, die einen Langzeitarbeitslosen einstellen, in den ersten beiden Jahren die vollen Lohnkosten ersetzt. Einzige Bedingung: Der neue Mitarbeiter muss zuvor mindestens sechs Jahre lang Hartz IV erhalten haben. Rund 600 Männer und Frauen haben in diesem Jahr über dieses neue so genannte „Teilhabechancen-Gesetz“ eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bekommen. Damit hat Essen seine selbstgesteckten Ziele zwar erreicht. Allerdings wird es für das Jobcenter künftig immer schwerer, geeignete Langzeitarbeitslose für diesen sozialen Arbeitsmarkt zu gewinnen. „Wir reden dann von Menschen, die nicht nur sechs sondern zehn Jahre und länger ohne Arbeit sind“, so Renzel.

Auch Bundes-SPD will umfassende Sozialstaatsreform

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Die allermeisten von ihnen können nach so vielen Jahren der Arbeitslosigkeit nicht sofort in den ersten Arbeitsmarkt starten. Sie müssen laut Renzel auf einen Job vorbereitet werden und dafür brauche das Jobcenter längere Förderketten: von Gemeinwohlarbeit, über den sozialen Arbeitsmarkt und bis hin zur Hoffnung, dass die Teilnehmer nach Auslaufen der Förderung im Unternehmen „kleben bleiben“. Aus Sicht des Essener Sozialdezernenten wäre dies ein stringenter Ansatz, wie Langzeitarbeitslose wieder an den ersten Arbeitsmarkt herangeführt werden können.

Zuletzt hatte die SPD auf ihren Parteitag eine grundlegende Hartz-IV-Reform beschlossen. Dazu gehört auch die Sanktionspraxis in den Jobcentern, die nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes umfassend geändert werden muss. Mit dem Bürgergeld wollen die Sozialdemokraten eine neue Grundsicherung einführen, die Hartz IV ablöst. Gleichzeitig will die SPD Betroffene stärker fördern.