Essen. Plötzlich steht die alte Jugendliebe in der Tür: Premiere für „Kennst du mich noch“? mit der gebürtigen Essenerin Anja Kruse im Rathaus-Theater.
Es herrscht der Alltagstrott in der Ehe von Paul und Mary, seit die Kinder groß sind. Sie ist Innenarchitektin, er Steuerberater. Streit führen sie nie, Ängste kennen sie auch nicht. Alles solide, wie Paul bilanziert. Bis in seiner Abwesenheit Marys alte Jugendliebe plötzlich in der Wohnung steht.
Erfüllt eine 20-jährige Ehe wirklich alle Wünsche? Oder sind viele Begierden im familiären Takt einfach auf der Strecke geblieben? Und ist der Partner bei der ganzen Routine irgendwie fremd geworden? Danach fragt dieses Stück des im Oktober verstorbenen US-Autors Sam Bobrick bereits im Titel: „Kennst Du mich noch?“ René Heinersdorff hat die englische Vorlage übersetzt und nun im Rathaus-Theater auf die Bühne gebracht.
Bekannte Gesichter aus dem „Traumschiff“ und der „Schwarzwaldklinik“
Zum prominenten Ensemble gehören bekannte Gesichter aus TV-Serien wie „Traumschiff“ oder die „Schwarzwaldklinik“. Die gebürtige Essenerin Anja Kruse spielt Mary, die plötzlich überrascht wird, als wie aus dem nichts Peter Laurentz (Alexander Wussow) mit hippem Stirnband erscheint. Beide waren zu Uni-Zeiten ein Paar und erlebten fast drei leidenschaftliche Jahre mit großartigem Sex, wie sich beide erinnern. Oder träumt Mary nur?
Ihre erotischen Fantasien drehen sich um Ex-Kanzler Gerhard Schröder
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Zumindest scheint sich ihr heimgekehrter Mann (Ralph Schicha) nicht daran zu stören, dass seine Gattin mit einem Anderen rummacht. Er sieht ihre Jugendliebe Peter einfach nicht. Alles nur eine Einbildung? Ist Mary nun verrückt geworden? Sie lässt sich jedenfalls darauf ein und geht fremd – mit einem Peter, der nur in ihrer Fantasie existiert. Und doch reagiert ihr Mann irgendwann gereizt und eifersüchtig auf diese Phantom-Affäre, die sich als Paartherapie entpuppt. Denn die kurze Ehe-Krise erweist sich als Chance, als beide wieder tiefere Gespräche führen. Und die liefern wiederum Pointen. Mary gesteht, dass sie in den letzten Jahren unzufrieden war und den Sex verweigerte. Paul reagiert: „Das habe ich ja gar nicht mitbekommen.“ Bei so viel Luststau musste sie bei den wenigen Gelegenheiten im Bett zudem an andere Männer denken, beispielsweise an Gerhard Schröder, wie sie beichtet. Worauf Paul schnauft: „Dann kann ich ja von Glück sagen, dass es nicht Helmut Kohl war.“
Dass Wahnvorstellungen von imaginären Affären die Steilvorlage dieser Komödie bilden, ist kein großer dramaturgischer Wurf. Aber es geht natürlich um Situationskomik und den munteren rhetorischen Schlagabtausch. Und der pendelt auf souveränem Sitcom-Niveau. Nach der Pause an diesem knapp zweistündigen Abend wird das Stück flotter, die Pointen dichter.
Paul versucht sich nun zu revanchieren und bändelt mit einer jungen Femme fatale an, die Aylin Werner nicht nur als blondes Dummerchen geben darf, sondern auch als „Fridays for Future“-Aktivistin und überzeugte Veganerin. Das liefert noch ein paar Schenkelklopfer, wie: „Draußen ist Efeu. Essen Sie, so viel Sie wollen!“ Und dann gibt es noch ein, zwei Wendungen, die so solide sind wie der verhandelte Ehekrach: vorhersehbar.
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