Essen-Nordviertel. Bewegung im Alter für Körper und Kopf: Awo und Behinderten-Sportgemeinschaft bieten ein neues Sportprogramm an. Bei dem zählt auch Gemeinschaft.

Lange fit sein im Alter - das wünschen sich die meisten Menschen. Doch die Fitness kommt nicht von alleine, und häufig erschweren mit gehobenem Alter körperliche Einschränkungen eine regelmäßige sportliche Aktivität. Im Maria-Berns-Haus an der Stoppenberger Straße veranstalten die Behinderten-Sportgemeinschaft (BSG) Essen und die Essener Awo nun wöchentlich ein Rehabilitationssportprogramm für die Senioren der Awo-Wohnhäuser, das Körper und Kopf fit halten soll.

Integrative Boccia-Spiele ab nächstem Frühjahr geplant

Ab April oder Mai 2020 plant die BSG Essen, unter Anleitung eines Rehasportlehrers der BSG regelmäßig gemeinsame, integrative Boccia-Spiele zu organisieren. Einmal im Jahr soll ein Turnier stattfinden.

Boccia ist die italienische Variante des Boule-Spiels, bei dem es darum geht, seine eigenen Kugeln möglichst nah an einer kleineren Zielkugel zu platzieren. Jung und Alt, Behinderte und Nichtbehinderte sollen dabei zusammenkommen.

Im Hintergrund erklingen Schlager, die Senioren singen begeistert bei Hits wie „Ich war noch niemals in New York“ oder „Life is Life“ mit. Keine Frage: Hier ist Sport kein Mord. Auch den einen oder anderen Scherz können sie die älteren Herrschaften nicht verkneifen. „Dir geht es aber gut, wenn du noch singen kannst!“ tönt es durch den Raum - und kurz darauf: „Essen wir jetzt?“

Die meisten Teilnehmer sind über 80 Jahre alt

Unter Anleitung von Übungsleiter Michael Schilov bewegen die Senioren die Füße nach oben und unten, kreisen mit den Armen, klatschen in die Hände: Übungen, die ihre Mobilität im Alltag erhalten sollen. Anschließend werden die Schultern trainiert, am Ende gibt es noch eine kleine Entspannungseinheit. Die gesamte 45-Minuten-Sporteinheit wird im Sitzen absolviert, denn die meisten Teilnehmer hier sind über 80 Jahre alt.

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Außer Kraft und Beweglichkeit wird beim Reha-Sport auch die Koordination der Senioren geschult: Abwechselnd den rechten und linke Arm nach vorn strecken, ein kleines Säckchen von einer Hand in die andere werfen und auffangen - das hält nicht nur den Körper fit, sondern auch den Kopf.

BSG-Vorsitzende freut sich: „Die Resonanz ist super.“

Den Teilnehmern macht es sichtlich Spaß. „Mir gefällt das Gemeinschaftsgefühl hier, dass man sich auch ein bisschen unterhalten kann“, sagt zum Beispiel Helga Apel (85). Ein weiterer Pluspunkt: Jeder kann in seinem Tempo und gemäß seinem Gesundheitszustand mitmachen. „Ich hatte zuletzt gesundheitliche Probleme“, erzählt die 89-jährige Erna Hartmann. - „Aber was ich machen kann, mache ich.“ „Die Resonanz ist super“, freut sich auch Jutta Wagner, erste Vorsitzende der BSG, nach der ersten Sportstunde. Besonders die stimmungsvolle Musik sei wichtig: „Da werden Erinnerungen geweckt.“

Für das nächste Jahr planen Wagner und Oliver Kern, Geschäftsführer der Awo und Oberbürgermeisterkandidat der SPD, eine weitere Aktion: Sie wollen die Senioren zeitweise aus der Wohnheimumgebung führen, damit sie an Freizeitaktivitäten teilnehmen können. „Damit möchten wir die Gemeinschaft stärken und der Vereinsamung entgegenwirken“, so Kern. Denn letztere drohe älteren Menschen in Wohnanlagen häufig.

Gemeinsame Ausflüge sollen Senioren in ihre alte Heimat führen

Und: Da es immer noch zu wenige betreute Wohnungen für Senioren gebe, lebten beispielsweise im Maria-Berns-Haus einige Leute, die eigentlich aus dem Essener Süden kämen: „Die vermissen natürlich auch ihre alte Heimat und freuen sich, wenn es mal zu einem Ausflug in den Süden geht.“ Die Bandbreite der Aktivitäten soll laut Kern von gemeinsamen Ausflügen über Sport bis hin zum Kaffeetrinken gehen. „Wir richten uns da auch ein Stück nach der Gruppe“, so der Awo-Geschäftsführer.

Ein Kooperationspartner des geplanten Freizeitprogrammes ist der TuS 84/10 Essen. Geschäftsführer Jürgen Diedrich hatte bereits die Integration der behinderten Tennisspieler des BSG gefördert, indem er sie kostenlos als Vereinsmitglieder aufnahm und ihnen im Sommer einmal wöchentlich ein von Sponsoren finanziertes Training ermöglichte. Ein ähnliches Angebot soll auf der Anlage des TuS 84/10 an der Friedrich-Lange-Straße nun auch für die Senioren geschaffen werden. Wagner: „So wollen wir sie nicht zur zur sportlichen Aktivität bringen, sondern auch ins Vereinsleben integrieren.“