Essen. Konstantin Wecker träumt in der Philharmonie von einem „neuen 68“ und übt den Schulterschluss mit jungen Umweltaktivisten: Zeig’s ihnen, Greta“.

Altlinkes Relikt? Konstantin Wecker träumt in seinem aktuellen Programm „Weltenbrand“ vielmehr von einem „neuen 68“ und übt den Schulterschluss mit den jungen Umweltaktivisten. In der Essener Philharmonie feierte der linke Liedermacher mit seinem Publikum deshalb ein Fest: gegen Krieg und Kapitalismus, für Frieden und eine herrschaftsfreie Welt.

Die Kälte in der Welt durch gemeinsames Singen oder Umarmung überwinden

„Meine Revolution ist eine zärtliche“, fordert der überzeugte Anarchist ein „anderes Denken“, eines mit Herz. „Die Poesie hilft uns, den Weg dorthin zu finden.“ Daher rät der Musiker, die Kälte in dieser Welt durch gemeinsames Singen oder Umarmungen zu überwinden.

Die Köpfe der 68er-Bewegung

Rudi Dutschke: Der Studentenführer galt als Kopf der außerparlamentarischen Opposition, die mit radikal-sozialistischen Ideen etwa gegen Vietnamkrieg, Nato und Notstandsgesetze kämpfte. Wir zeigen in dieser Fotostrecke die Symbolfiguren der 68er-Bewegung.
Rudi Dutschke: Der Studentenführer galt als Kopf der außerparlamentarischen Opposition, die mit radikal-sozialistischen Ideen etwa gegen Vietnamkrieg, Nato und Notstandsgesetze kämpfte. Wir zeigen in dieser Fotostrecke die Symbolfiguren der 68er-Bewegung. © dpa | Hemann
Am 11. April 1968 schoss in Berlin ein Rechtsextremer Rudi Dutschke in den Kopf. Es folgten die bis dahin schwersten Krawalle in der Bundesrepublik. Dutschke überlebte, litt aber danach an Epilepsie. Er starb 1979.
Am 11. April 1968 schoss in Berlin ein Rechtsextremer Rudi Dutschke in den Kopf. Es folgten die bis dahin schwersten Krawalle in der Bundesrepublik. Dutschke überlebte, litt aber danach an Epilepsie. Er starb 1979. © imago stock&people | imago stock&people
Daniel Cohn-Bendit: Wegen seiner führenden Rolle bei den Pariser Unruhen 1968 verwies Frankreich den Sohn eines vor den Nazis geflohenen deutsch-jüdischen Anwalts und einer Französin des Landes, erst Jahre später wurde das Einreiseverbot aufgehoben.
Daniel Cohn-Bendit: Wegen seiner führenden Rolle bei den Pariser Unruhen 1968 verwies Frankreich den Sohn eines vor den Nazis geflohenen deutsch-jüdischen Anwalts und einer Französin des Landes, erst Jahre später wurde das Einreiseverbot aufgehoben. © dpa | Manfred Rehm
Von 1994 bis 2014 saß der „rote Dany“ für die Grünen im EU-Parlament. 2015 erhielt er neben der deutschen die französische Staatsbürgerschaft.
Von 1994 bis 2014 saß der „rote Dany“ für die Grünen im EU-Parlament. 2015 erhielt er neben der deutschen die französische Staatsbürgerschaft. © picture-alliance / Sven Simon | dpa Picture-Alliance / SVEN SIMON
Uschi Obermaier: Sie war das schöne Gesicht der 68er und der Schwarm einer ganzen Generation. Obermaier wurde zur Sex-Ikone, ließ sich auf Drogen und Rockstars wie Mick Jagger, Keith Richards und Jimi Hendrix ein. Das Fotomodel lebte damals in der „Kommune 1“, war aber - wie sie später selbst sagte - nicht politisch.
Uschi Obermaier: Sie war das schöne Gesicht der 68er und der Schwarm einer ganzen Generation. Obermaier wurde zur Sex-Ikone, ließ sich auf Drogen und Rockstars wie Mick Jagger, Keith Richards und Jimi Hendrix ein. Das Fotomodel lebte damals in der „Kommune 1“, war aber - wie sie später selbst sagte - nicht politisch. © dpa | dpa
Heute arbeitet das Ex-Model als Schmuckdesignerin in Kalifornien.
Heute arbeitet das Ex-Model als Schmuckdesignerin in Kalifornien. © picture alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Uschi Obermaier
Rainer Langhans: Er war einer der Gründer der „Kommune 1“ in Berlin. In der Wohngemeinschaft wurde diskutiert, gefeiert und geliebt – ein Gegenentwurf zur bürgerlichen Kleinfamilie.
Rainer Langhans: Er war einer der Gründer der „Kommune 1“ in Berlin. In der Wohngemeinschaft wurde diskutiert, gefeiert und geliebt – ein Gegenentwurf zur bürgerlichen Kleinfamilie. © picture alliance/ASSOCIATED PRESS | AP Content
Später zog Langhans nach München und lebte dort mit mehreren Frauen in einer lockeren Lebensgemeinschaft. 2011 zog der heute 77-Jährige am RTL-„Dschungelcamp“. Dieses Foto zeigt Rainer Langhans und Uschi Obermaier gemeinsam beim Essen in einem Restaurant in München im Jahr 1969.
Später zog Langhans nach München und lebte dort mit mehreren Frauen in einer lockeren Lebensgemeinschaft. 2011 zog der heute 77-Jährige am RTL-„Dschungelcamp“. Dieses Foto zeigt Rainer Langhans und Uschi Obermaier gemeinsam beim Essen in einem Restaurant in München im Jahr 1969. © picture alliance / Keystone / Ke | dpa Picture-Alliance / Keystone /
Benno Ohnesorg: Die Schüsse, mit denen der Westberliner Polizist Karl-Heinz Kurras den Studenten am 2. Juni 1967 während der Proteste gegen den Schah von Persien tötete, veränderten die Republik. Zum Symbol wurde das Foto des sterbenden Ohnesorg. In der Folge kam es zu landesweiten Demonstrationen. Später benannte sich die linksterroristische „Bewegung 2. Juni“ nach Ohnesorgs Todesdatum.
Benno Ohnesorg: Die Schüsse, mit denen der Westberliner Polizist Karl-Heinz Kurras den Studenten am 2. Juni 1967 während der Proteste gegen den Schah von Persien tötete, veränderten die Republik. Zum Symbol wurde das Foto des sterbenden Ohnesorg. In der Folge kam es zu landesweiten Demonstrationen. Später benannte sich die linksterroristische „Bewegung 2. Juni“ nach Ohnesorgs Todesdatum. © dpa | Joachim Barfknecht
Fritz Teufel: Das „Kommune-1“-Gründungsmitglied sorgte durch spektakuläre Aktionen wie das „Torten-Attentat“ auf US-Vizepräsident Hubert Humphrey für Schlagzeilen. Später radikalisierte er sich und musste in Haft, zog sich danach vom Protest zurück. Nach seinem Tod machte Teufel noch einmal Schlagzeilen: 2010 verschwand seine Urne und tauchte an Rudi Dutschkes Grab wieder auf.
Fritz Teufel: Das „Kommune-1“-Gründungsmitglied sorgte durch spektakuläre Aktionen wie das „Torten-Attentat“ auf US-Vizepräsident Hubert Humphrey für Schlagzeilen. Später radikalisierte er sich und musste in Haft, zog sich danach vom Protest zurück. Nach seinem Tod machte Teufel noch einmal Schlagzeilen: 2010 verschwand seine Urne und tauchte an Rudi Dutschkes Grab wieder auf. © dpa | Roland Witschel
Beate Klarsfeld: Auf einem CDU-Parteitag 1968 in Berlin ohrfeigt die aus Berlin stammende Französin Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU) aus Protest gegen dessen NS-Vergangenheit. Es war eine Abrechnung mit dem „Schweigen der Väter“.
Beate Klarsfeld: Auf einem CDU-Parteitag 1968 in Berlin ohrfeigt die aus Berlin stammende Französin Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU) aus Protest gegen dessen NS-Vergangenheit. Es war eine Abrechnung mit dem „Schweigen der Väter“. © picture-alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / dpa
Mit ihrem Mann Serge spürte die Journalistin später untergetauchte Nazis auf.
Mit ihrem Mann Serge spürte die Journalistin später untergetauchte Nazis auf. © dpa | Roland Scheidemann
2012 ging Klarsfeld für die Partei Die Linke ins Rennen um das Amt des Bundespräsidenten, scheiterte aber.
2012 ging Klarsfeld für die Partei Die Linke ins Rennen um das Amt des Bundespräsidenten, scheiterte aber. © © epd-bild / Rolf Zöllner | Rolf Zöllner
Hans Magnus Enzensberger: Als einer der führenden Denker der Autorenvereinigung „Gruppe 47“ war das von ihm herausgegebene „Kursbuch“ ein Leitmedium der Studentenbewegung. Enzensberger selbst war kein Vorkämpfer, aber doch dicht dran: Während er auf Reisen war, zog 1967 kurzzeitig die „Kommune 1“ in seine Berliner Villa. Seine Stimme hat bis heute Gewicht.
Hans Magnus Enzensberger: Als einer der führenden Denker der Autorenvereinigung „Gruppe 47“ war das von ihm herausgegebene „Kursbuch“ ein Leitmedium der Studentenbewegung. Enzensberger selbst war kein Vorkämpfer, aber doch dicht dran: Während er auf Reisen war, zog 1967 kurzzeitig die „Kommune 1“ in seine Berliner Villa. Seine Stimme hat bis heute Gewicht. © dpa | Manfred Rehm
Herbert Marcuse: Für die Studentenbewegung war er so etwas wie ein „Philosoph zum Anfassen“. Eines seiner Schlagworte: „Befreiung“.
Herbert Marcuse: Für die Studentenbewegung war er so etwas wie ein „Philosoph zum Anfassen“. Eines seiner Schlagworte: „Befreiung“. © dpa | DB
Marcuse war einer der herausragenden Vertreter der Frankfurter Schule, der auch Theodor W. Adorno und Max Horkheimer angehören. Mit der Machtübernahme Hitlers verließ er Deutschland Richtung USA. Seine Analysen der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft gehören zu den Standardwerken der 68er.
Marcuse war einer der herausragenden Vertreter der Frankfurter Schule, der auch Theodor W. Adorno und Max Horkheimer angehören. Mit der Machtübernahme Hitlers verließ er Deutschland Richtung USA. Seine Analysen der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft gehören zu den Standardwerken der 68er. © picture alliance / Everett Colle | dpa Picture-Alliance /
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So erklingen an diesem knapp dreistündigen Abend Hymnen, die sozusagen zum Kanon der 68er-Generation gehören, die sie alle kennen. Songs wie „Sage nein!“ oder „Empört euch“, die der Bayer an diesem Abend – unterstützt vom Kammerorchester der Bayerischen Philharmonie mit Weggefährten Mark Mast am Dirigentenpult – zelebriert, hat der 72-Jährige bereits vor Jahrzehnten geschrieben.

Konstantin Wecker will weiter gegen Nazis, Krieg und Klimakollaps singen

Damals trat er gemeinsam mit „Göttinnen“ wie John Baez und Mercedes Sosa auf, wie sich der Münchner stolz erinnert. Genauso wie an dieses Highlight, als er zusammen mit Harry Belafonte 1982 das Bochumer Ruhrstadion füllte. Die Friedensbewegung befand sich damals auf ihrem Höhepunkt. 80.000 seien schließlich gekommen, um gegen das atomare Wettrüsten zu singen, blickt der Protestbarde zurück.

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Natürlich zählt Konstantin Wecker zur alten Garde aus sozialkritischen Liedermachern wie Hannes Wader oder den DDR-Dissidenten Wolf Biermann. Doch er stellt selbst fest: „Viel hat sich seitdem nicht geändert.“ So singt er weiter gegen Nazis, Krieg und Klimakollaps.

„Die Welt muss weiblicher werden. Zeige es ihnen, Greta!“

Und entdeckt Verbündete unter den wenigen jungen Gästen, als er von einem „neuen 68“ träumt: „Keine Macht für niemanden! Zeige es ihnen, Greta! Die Welt muss weiblich werden!“ Nicht nur dafür erntet Wecker an diesem langen Abend Standing Ovations.