Essen. Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt sind mies: Frauen ohne Schulabschluss, Beruf, Deutschkenntnisse. Das Essener Projekt Frapé fördert ihre Talente.

Wo andere mit ihren Zeugnissen und Qualifikationen punkten, gibt es bei diesen Frauen große Lücken: Die einen können nicht lesen und schreiben, die anderen beherrschen kein Deutsch, die meisten haben keine Ausbildung gemacht, manche sind noch nie einer bezahlten Arbeit nachgegangen. Just diese Vermittlungshemmnisse aber qualifizieren sie für das Projekt Frapé des Trägers CSE. „Hier lernen sie die Arbeitsrealität erstmal kennen. Angefangen damit, dass man nicht nur kommen kann, wenn es passt oder man Lust hat“, sagt Sozialarbeiterin Corinna Jaksztat.

„Der Wille ist ja da, es fehlt das Wissen, wie es geht“

Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Teamwork und Eigenverantwortung – all das müsse eben erst eingeübt werden, wenn man aus langer Arbeitslosigkeit komme oder wie viele der Frauen mit psychischen oder gesundheitlichen Problemen kämpfe. „Der Wille ist ja da, es fehlt das Wissen, wie es geht.“ Darum gibt es für die bis zu 30 Teilnehmerinnen, die teils vom Jobcenter vermittelt werden, teils eigenständig kommen, einen festen Rahmen, in dem sie sich erproben können. Betreut von Sozialarbeiterinnen und Anleiterinnen, die ihnen handwerkliche Fähigkeiten vermitteln.https://www.waz.de/staedte/essen/freiraum-neue-beratungsstelle-fuer-sexarbeiterinnen-in-essen-id227322895.html

„Es wird hier oft gebacken und gekocht, was vielen den Start erleichtert, weil sie an ihre Rolle als Hausfrau anknüpfen können“, sagt Jaksztats Kollegin Judith Quednau. Eine Rolle, von der manche ungern lassen möchte: So diskutiere man schon mal darüber, ob Kinder im Grundschulalter noch rund um die Uhr betreut werden müssen – oder zumindest einen Teilzeitjob zulassen. Bei Frapé können sie das austesten: 15 bis 30 Stunden die Woche arbeiten, jeweils im Zeitfenster 8 bis 14.30 Uhr.

Einige der Frauen aus dem Frapé-Team: (v.l.) Anleiterin Claudia Fichtner, Judith Quednau, Corinna Jaksztat (beide Sozialarbeiterinnen) und Anleiterin Sonja Ravagni.
Einige der Frauen aus dem Frapé-Team: (v.l.) Anleiterin Claudia Fichtner, Judith Quednau, Corinna Jaksztat (beide Sozialarbeiterinnen) und Anleiterin Sonja Ravagni. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Um 9 Uhr gibt es eine Morgenbesprechung, werden die Dienste verteilt. Jede Neueinsteigerin fertigt zuerst mit der Laubsäge ein Schild für ihren Spind: das erste Arbeitsergebnis und sichtbares Zeichen, dazuzugehören. In den folgenden Wochen soll jede Teilnehmerin einen Topflappen häkeln, eine Schürze nähen, einen Schal stricken. Außerdem wird ein Holz-Mobile gebastelt mit der elektrischen Säge, vor der die Frauen meist Respekt haben. „Manchmal zeigt sich, dass eine Frau, die immer eher Handarbeiten gemacht hat, ein Talent für den Umgang mit Holz hat“, sagt Judith Quednau.

Wenn eine Frau nicht zur Arbeit kommt, telefoniert das Team ihr hinterher

Neun bis 18 Monate lang können die Frauen bleiben; manche breche vorher ab oder komme nur unregelmäßig. Es werde daher „spitz“ abgerechnet, halb- oder sogar viertelstundenweise. Vergütet wird der Einsatz als Gemeinwohlarbeit – landläufig Ein-Euro-Job – mit 1,25 Euro pro Stunde. Wer fehlt, riskiert nicht nur Einbußen. „Wir telefonieren hinterher, machen auch Hausbesuche“, sagt Corinna Jaksztat. Das sei nicht jeder recht, „aber viele schätzen das, weil sie so mit uns sortieren können, welche Probleme sie von der Arbeit abhalten“, ergänzt Doris Czikowski, die ebenfalls zum Team gehört.

Frapé hilft, eine Kinderbetreuung oder einen Sprachkurs zu finden

Das Team helfe etwa eine Kinderbetreuung zu organisieren oder suche einen Sprachkurs, denn ein Großteil der zwischen 18 und über 60 Jahre alten Frauen spricht kaum Deutsch. Andere sind sozial isoliert und fühlen sich durch den Kontakt mit fremden Menschen überfordert. Das Café Schließfach, das wie Frapé im Caritas-Haus im Nordviertel sitzt, bietet ihnen eine beschützte Möglichkeit, erste Berufserfahrungen zu sammeln. Daneben machen die Frauen gelegentlich das Catering auf hauseigenen Veranstaltungen oder bieten auf Basaren Deko-Artikel, Duftsäckchen, Babylätzchen, Baumwolltaschen oder Holzengel auf Spendenbasis an. „Wenn die Sachen gut ankommen, freut sie das natürlich“, sagt Corinna Jaksztat.

In der Holzwerkstatt (v.l.): Lul Ibrahim, Sylvia Boyer und Rosemarie Hühn fertigen Deko-Artikel.
In der Holzwerkstatt (v.l.): Lul Ibrahim, Sylvia Boyer und Rosemarie Hühn fertigen Deko-Artikel. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Im besten Fall stärkt Frapé das Selbstbewusstsein wie bei jener Frau, die immer stolz sagte: „Ich geh’ hier zur Arbeit.“ Heute hat sie einen regulären Job, arbeitet seit anderthalb Jahren als Etikettiererin. Andere sind im Einzelhandel im Lager tätig, arbeiten im Sonnenstudio oder als Reinigungskräfte; viele in Teilzeit oder auf 450-Euro-Basis tätig. Den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt haben 2018 zehn Prozent der Teilnehmerinnen geschafft. Keine schlechte Quote. Für die anderen überlegt das Frapé-Team gemeinsam mit dem Jobcenter, wie es weitergehen kann: etwa mit Praktikum, Schulbesuch oder einer Therapie. Ein nächster Schritt.

Ein sanfter Einstieg in die Arbeitswelt

Frapé ist ein Projekt der CSE, der gemeinsamen Gesellschaft von Caritas und Sozialdienst katholischer Frauen. Es wendet sich an Frauen, die verschiedene Probleme haben, die eine Arbeitsaufnahme erschweren, zum Beispiel: unzureichende/fehlende Schul- und Berufsbildung, Langzeitarbeitslosigkeit, psychische oder gesundheitliche Probleme, prekäre Wohn- und Finanzsituation oder mangelnde Sprachkenntnisse. Die Frauen werden vom Jobcenter vermittelt oder kommen eigenständig.

Als Zentrum für Joborientierung bietet Frapé 30 Frauen einen Platz für maximal 18 Monate an. Die Teilnehmerinnen arbeiten 15 bis 30 Stunden im Zeitfenster 8 bis 14.30 Uhr und erhalten dafür 1,25 Euro pro Stunde (Ein-Euro-Job). Sie werden u.a. mit grundlegenden handwerklichen Tätigkeiten vertraut gemacht und stellen zum Beispiel Deko-Artikel, aber auch Taschen, Babylätzchen oder Schürzen her.