Essen. Ein Ort tausendfachen Leids: Auf dem Südwestfriedhof in Essen-Fulerum ruhen 2878 Tote der beiden Weltkriege und Opfer der Hitler-Diktatur.

Die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg überlappt die an den Ersten. Dies wird auch beim Besuch des Ehrenfriedhofs auf dem Südwestfriedhof in Fulerum deutlich. Nur wenige Spaziergänger verirren sich auf den Teil, auf dem die Toten des Krieges 1914-18 beigesetzt sind: 600 gefallene deutsche Soldaten und 121 ausländische Kriegsgefangene. Sie ruhen in langen Reihen aus schlichten steinernen Kreuzen.

In Grab Nummer eins liegt der erst 19 Jahre Gefreite und Gymnasiast Alfred Garbe, laut Sterbeurkunde damals wohnhaft in der Bismarckstraße 31. „Anders als früher angenommen, ist er 1916 nicht im Lazarett in Essen gestorben, sondern bei einem Gasangriff in Frankreich gefallen“, berichtet Eberhard Sauerbrei. Die Familie hat den geliebten Sohn offenbar auf eigene Kosten heimgeholt.

Schlichte Steinkreuze für die Gefreiten, Eichenlaub und Eisernes Kreuz für die Offiziere

Die Toten verteilen sich auf drei terrassenartig angelegten Ebenen, mittendrin ein einsamer Obelisk für die Opfer des Infanterie-Regiments 190. Die mächtigen Eichen, die gewaltigen Rhododendren-Hecken, die vielen vermoosten Steinkreuze, der kurz geschorene Rasen – dieses sparsame Dekor verleiht dem Ehrenfriedhof selbst im Sommer ein herbstlich-tristes Ambiente.

Wer genau hinschaut, bemerkt die Klassenunterschiede, die vor gut hundert Jahren herrschen. Mit den langen Reihen unterm kleinen Steinkreuz müssen die einfachen Gefallenen Vorlieb nehmen: Gefreite und Musketiere, Wehrmänner und Füsiliere. Deutlich getrennt von ihnen ruhen die Offiziere in den Außenreihen: hier ein Leutnant und Hauptmann, dort ein Fahnenjunker und Stabsarzt. Ihre großen Grabsteine zieren Ornamente aus Eichenlaub und Schleifen, dazu das Eiserne Kreuz.

Die Engländer und Franzosen haben ihre Gefallenen gleich nach dem Krieg umgebettet

Ein Teil dieses Weltkrieg-I-Ehrenfriedhofs ist den ausländischen Kriegsopfern vorbehalten: hier der Engländer Reginald Train (1895-1917), dort der 1918 gefallene Franzose Francois Fonasseur und der Italiener Giovani Daniela (1886-1917), dann Viktor Stanislaus und viele andere Russen. „Viele von ihnen waren verwundet und wurden mit den deutschen Kameraden vom Schlachtfeld im Lazarettzug nach Essen gebracht“, weiß Sauerbrei.

Gleich nach dem Versailler Vertrag 1919 fingen die Sieger aus England und Frankreich damit an ihre Toten umzubetten. Deshalb geht Sauerbrei davon aus, dass die Gräber der Engländer, Belgier und Franzosen tatsächlich Scheingräber sind und nur aus optischen Gründen weiterexistieren. Im Vergleich zu den betont liebevoll und aufwändig gepflegten englischen Soldaten-Friedhöfen macht der Essener Ehrenfriedhof auf Sauerbrei einen eher „rustikalen Eindruck“.

Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag am Denkmal mit dem knienden Jüngling

Der Ehrenfriedhof ist ein Ort des stillen Gedenkens und des tausendfachen Leids. Im weitaus größeren Teil ruhen mehr als 2000 gefallene deutsche Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg, hinzu kommen 277 osteuropäische Zwangsarbeiter, 43 ausländische Kriegsgefangene und 21 Essener, die in den KZs der Nazis umkamen.

Das Denkmal mit der Skulptur des knienden Jünglings, geschaffen vom Bildhauer Joseph Enseling, heißt „Trauer“. Der Sockel trägt die Inschrift „Gedenkstätte der Stadt Essen – Für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“. Die breiten Wege drumherum haben sie pünktlich zum Volkstrauertag von Moos und Unkraut befreit und gesäubert. Die Gedenkveranstaltung am Sonntag (17. November) beginnt um 11 Uhr, die Ansprache hält OB Thomas Kufen.