Essen. Hohe Gebühren für Müll, Abwasser und Straßenreinigung – bekannt als „zweite Miete“ – sorgen SPD und CDU im Rat. Sie fragen: Geht’s auch billiger?

Den Spitznamen „zweite Miete“ haben sie sich redlich verdient. Denn wenn die Gebühren für Müll und Abwasser, Straßenreinigung und Winterdienst gelegentlich auch mal etwas nachgeben – unterm Strich geht die Belastung der Bürger Jahr für Jahr immer weiter nach oben. Die große Rats-Koalition aus SPD und CDU will von der Stadtverwaltung jetzt wissen: Geht es nicht auch anders? Billiger? Und zwar auf Dauer?

„Bürgerdividende“, so nannte das Essener Bürger Bündnis und sein damaliger Fraktionschef Jochen Backes den Plan, einen Teil des wiedergewonnenen finanziellen Spielraums zu nutzen, um Essens Bürger bei Abgaben und Gebühren entgegenzukommen. Den Dividenden-Begriff vermeidet die Rats-„GroKo“, aber auch sie spricht davon, die Essener „nachhaltig zu entlasten“.

Bei der Müllabfuhr weg von Vollservice und Ein-Wochen-Turnus?

Dabei soll die Stadt zum einen ihre bisher angebotenen Leistungen überprüfen, denn so wie Essen etwa die Restmüll-Entsorgung handhabt, läuft es schließlich nicht überall im Land: Andernorts werden die Tonnen etwa nur im Zwei-Wochen-Turnus geleert oder müssen – wie bei der gelben Tonne – von den Bürgern an den Straßenrand gestellt werden. Der Rückzug zu einem solchen Teilservice dürfte in einigen dicht besiedelten Stadtteilen aber mit vielen „Kellerrevieren“ für Ärger und Protest sorgen.

Auch in anderen Fragen gehen die Meinungen auseinander. Etwa, wenn es darum geht, ob die Kosten der Müll-Entsorgung in Parks auf die Bürger umgelegt werden soll, ob der städtische Anteil bei der Straßenreinigung mit 20 Prozent richtig bemessen ist oder wie man die kalkulatorischen Zinsen für Arbeiten am Abwassernetz fair bemisst. Selbst die Kritik, dass private Mit-Gesellschafter eher Gewinnmaximierung zu Lasten der Bürger betreiben, steht im Raum – verbunden mit der Überlegung, teilprivatisierte Firmen wie die Entsorgungsbetriebe Essen (EBE) wieder unter städtische Fittiche zu nehmen.

Kalkulation für 2020 zeigt eher moderate Entwicklung

Dass die Antwort auf den bürgerfreundlichen Vorstoß von SPD und CDU ausgerechnet in einem Wahljahr diskutiert werden wird, dürfte wohl kein Zufall sein. Dies zumal die soeben vorgelegten Gebühren-Kalkulationen für 2020 nicht unbedingt Anlass geben, Alarm zu schlagen.

Denn bei Entwässerung und Winterdienst wird die Gebührenschraube zwar weiter angezogen, die Müll- und Biomüll-Gebühren bleiben jedoch stabil, und für die Straßenreinigung gibt es sogar einen Preisnachlass. Die Zahlen im Einzelnen:

Müllabfuhr: Die Kosten für den entsorgten Restmüll in der grauen Tonne bleiben bei 2,91 Euro je Liter. Die klassische 120-Liter-Tonne schlägt also im kommenden Jahr mit 349,20 Euro im Jahr zu Buche. Ebenfalls unverändert bleiben die quersubventionierten Kosten für den Bioabfall in der braunen Tonne: 45 Cent sind hier pro Liter zu zahlen, das macht 54 Euro im Jahr für eine 120 Liter-Tonne.

Dass die Müllgebühren nicht angehoben werden müssen, resultiert übrigens unter anderem daraus, dass in den beiden vergangenen Jahren mehr kassiert als ausgegeben wurde. Solche Überdeckungen werden dann in den Folgejahren dosiert zurückgezahlt.

Entwässerung: Deutlich tiefer in die Tasche greifen müssen die Bürger im kommenden Jahr beim Abwasser: Die Schmutzwassergebühr steigt um fünf Cent auf 3,15 Euro je Kubikmeter (+1,6 Prozent), die Niederschlagswassergebühr sogar um 20 Cent auf 1,76 Euro (+12,8 Prozent). Für einen durchschnittlichen Vier-Personen-Haushalt (50 Kubikmeter Schmutzwasser pro Kopf, 100 qm Niederschlagswasser) bedeutet dies eine um 30 Euro höhere Rechnung.

Wesentlichen Anteil an den spürbar gestiegenen Kosten haben die Investitionen von Stadtwerken und Emschergenossenschaft, die über kalkulatorische Abschreibungen und Zinsen auf die Gebührenzahler umgelegt werden – insgesamt rund 10,7 Millionen Euro.

Straßenreinigung: Gesenkt werden die Gebühren 2020 für die Straßenreinigung: und zwar um 13 Cent auf dann 8,00 Euro pro Frontmeter (-1,6 Prozent). Hier wirkte sich spürbar aus, dass die Stadt für ausgefallene Reinigungen nachträglich einen Erstattung durchsetzen konnte.

Winterdienst: Die üblichen hohen Schwankungen gibt es beim Winterdienst, den allerdings nur jene Bürger zahlen, deren Wohnstraßen auch im Streuplan berücksichtig werden. Die Gebühr für den sogenannten Winterdienst A an Hauptverkehrsstraßen steigt 2020 von 1,13 auf 1,46 Euro, die Gebühr für den Winterdienst B an wichtigen Nebenstraßen von 76 auf 98 Cent je Frontmeter und Jahr.