Essen. Bühnenausstatter Dorin Gal und Ballettchef Van Cauwenbergh arbeiten seit 25 Jahren zusammen - auch bei dem berühmtesten aller Klassiker im Aalto.
Beide sind Jahrgang 1958, beide waren Tänzer und verstehen sich ohne große Erklärungen. Dorin Gal und Ben Van Cauwenbergh arbeiten seit 1994 immer wieder zusammen. Der Ballettchef holte den Bühnen- und Kostümbildner zunächst nach Wiesbaden, dann nach Essen. Für das Aalto-Theater entstanden „Don Quichotte“, „Schwanensee“, „Der Nussknacker“ und zuletzt die neue Version von „Dornröschen“, das er bereits am Hessischen Staatstheater für ihn ausgestattet hatte.
Der gebürtige Rumäne studierte ursprünglich Choreografie und Tanz in Klausenburg. Ein glücklicher Zufall führte ihn als Tänzer zehn Jahre an die Bayerische Staatsoper München. Regisseur und Bühnenbildner Pet Halmen entdeckte sein Talent zum Zeichnen und riet: „Mach was daraus. Du kannst nicht ewig tanzen.“ Statt dem Traum vom Choreographieren nachzuhängen, assistierte er bei ihm als Ausstatter und bekam mehr und mehr Aufträge von ehemaligen Tänzern, aber auch von Opernregisseuren. „Es war unglaublich, was da entstand“, sagt er rückblickend. Seine Karriere führte ihn an die Opernhäuser von Wien, Düsseldorf, Straßburg, Berlin, Dortmund, Genf oder Toronto.
Vier „Dornröschen“-Produktionen richtete er von Düsseldorf bis Orlando ein. Mal modern, mal klassisch. „Rudolf Nurejew nannte es ,Das Ballett aller Ballette’“, erinnert sich Dorin Gal an einen Satz des Ballettstars, mit dem er 1992 vor seinem Tod noch in Budapest arbeitete. „Mir gefällt es klassisch am besten. Das ist anspruchsvoll.“ So soll es auch dieses Mal sein. Das Markenzeichen des 61-Jährigen ist Stilsicherheit in den Epochen kombiniert mit einem Twist ins Moderne.
Dorin Gal schuf für den Dreiakter nebst Prolog einen weiß erstrahlenden ovalen Raum. „Die Bühne muss opulent aussehen und leer sein, die Quadratur des Kreises also“, betont Gal. Dazu 150 Kostüme, die sich im Wandel von hundert verschlafenen Jahren vom Barock über das Rokoko bis hin zum Klassizismus erstrecken und in Pastelltönen für die Hofgesellschaft über Gold und Silber für die Königsfamilie bis zu kräftigem Grün für die Jagdszene erscheinen. „Die Kostüme müssen elastisch sein, vorteilhaft aussehen und individuell an die Proportionen angepasst werden. Ein Kostüm ist 50 Prozent des Erfolges“, weiß er. Dann sollte der von Adeline Pastor als böser Fee in einem martialisch wirkenden Gewand gewiss sein.
Ballettchef Ben Van Cauwenbergh pflegt die Tradition
„Das kostet eine Menge. Ben Van Cauwenbergh macht möglich, was an vielen Häusern nicht mehr möglich ist. Er pflegt die Tradition. Die Vorstellungen sind voll. Das zeigt, dass er recht hat.“ Bei jeder Anprobe sei er dabei und bringe gute Ideen ein. „Wir kennen uns so lange. Ich verstehe ihn“, meint Dorin Gal. Die mystischen Landschaftsbilder des Malers Hans-Werner Sahms, die sich in bewegter Form durch die Fenster des Saals zeigen, hat Ben Van Cauwenbergh eingebracht.
Mit „Dornröschen“ macht er die berühmten drei Tschaikowski-Ballette komplett. Ausgehend von der Fassung des Dichters Charles Perrault und der Choreographie Petipas erzählt er von Prinzessin Aurora, die zur Geburt von Feen mit Schönheit, Klugheit, Anmut, Beredsamkeit, Kraft bedacht wird, jedoch auch den Fluch eines 100-jährigen Schlafes überdauern muss. „Sie lebt eingeschlossen und will neugierig die Welt entdecken. Bis sie sich sticht und ein Prinz sie später wachküsst“, erklärt der Ballettintendant.
Bei der Jagdszene sind auch Hunde und ein Pferd auf der Bühne
Wie stets ist seine Version des Märchens „sehr kompakt“. „Ich habe schweres Material leicht dargestellt. Von den Brüdern Grimm habe ich nur den Frosch übernommen, der der Königin beim Baden die Geburt eines Kindes ankündigt.“ Bei der Jagdszene wartet er mit Springer Spaniels und einem Pferd auf. „Es ist immer etwas fürs Auge da“, sagt Ben Van Cauwenbergh.
Das gilt auch für das hohe technische Niveau. Das Rosen-Adagio, das Pas de deux des Blauen Vogels, das Pas de huite mit Carabosse sowie das Hochzeits-Pas-de-deux sind große Herausforderungen für die 30-köpfige Compagnie, die um fünf Tänzer aufgestockt werden musste. Er kann sich gut erinnern, wie es war, den Prinzen zu Nurejews Zeiten in London zu verkörpern: „Es war hart und übertrieben schwierig. Jetzt kann ich Spaß daran haben.“
Die Karriere von „Dornröschen“
In einer Märchensammlung des französischen Dichters Charles Perrault tauchte „Dornröschen“ unter dem Titel „La belle au bois dormant“ 1696 auf, bevor die Brüder Grimm es 1812 herausbrachten.
Der erste Teil diente als Vorlage für Tschaikowskis Ballett, das 1890 in St. Petersburg uraufgeführt wurde mit der anspruchsvollen Choreographie von Marius Petipa. Es gilt weltweit als der Klassiker schlechthin.
Die Version von Ben Van Cauwenbergh hat am 9. November Premiere im Aalto-Theater. Für die elf Vorstellungen dieser Saison gibt es Restkarten unter: 8122 200.