Essen. Kündigen sich Zwillinge an, stehen Eltern vor besonderen Herausforderungen. Darauf bereitet ein neuer Kurs vor. Es ist der einzige in der Region.

Alexandra Jaeger war in der 15. Schwangerschaftswoche, als die ersten Fragen aufkamen: Wie funktioniert es eigentlich, zwei Kinder kurz nacheinander zur Welt zu bringen? Was passiert in der Zeit zwischen der Geburt von Kind eins und der Geburt von Kind zwei? Und was wird danach alles auf mich zukommen? Antworten versuchte die junge Frau im Internet zu finden. Denn einen Geburtsvorbereitungskurs speziell für Zwillingseltern gab es weit und breit nicht. „Viele Fragen, die sich mit Zwillingen stellen, beantworten die üblichen Kurse nicht“, sagt die 38-Jährige. In Essen wird diese Lücke nun geschlossen: Am Wochenende 23./24. November gibt es die erste Geburtsvorbereitung für Mehrlingseltern.

Die Kurse in Essen

In Essen werden die Geburtsvorbereitungskurse für Mehrlingseltern in Zusammenarbeit mit der Uniklinik angeboten. Dort finden sie auch statt. Erstmals am 23. und 24. November jeweils von 10 bis 17 Uhr im Elternschulraum des Perinatalzentrums.

Die Kosten (99 Euro für die Mutter, 150 Euro für den Partner) werden zu großen Teilen von den Krankenkassen übernommen. Anmeldung und weitere Infos unter www.extrakind.de

Alexandra Jaeger organisiert nun selbst ein solches Angebot. Sie hat dafür gemeinsam mit der Medizinischen Hochschule Hannover das Mehrlings-Kompetenzzentrum „Extrakind“ gegründet und Experten wie Stillberaterinnen, Hebammen und Ärzte ins Boot geholt, die alle erfahren sind im Umgang mit Zwillings- und Drillingsgeburten. Jaegers eigene Zwillinge Hannes und Vincent werden bald zwei Jahre alt. Fragen tauchen im Alltag nach wie vor auf. So wie kürzlich, als einer im Blumentopf saß und der andere auf der Klappe der Spülmaschine: „Um wen soll man sich zuerst kümmern? Ich habe mich für den auf der Spülmaschine entschieden. Die Reparatur der Klappe wäre teuer geworden.“ Als Zwillingsmutter lernt man, pragmatisch zu denken.

Erkenntnis der jungen Mutter: „Zwillinge sind immer einer mehr als du“

Das gilt auch für die Versorgung des Nachwuchses. Wenn sich Hannes nachts hungrig zu Wort gemeldet hat, haben die Eltern manches Mal auch Vincent geweckt und gleich mitgefüttert oder umgekehrt. Oft kommt es vor, dass einer nach rechts krabbelt oder läuft und der andere nach links. Eines hat die Mutter schnell erkannt: „Zwillinge sind zusammen immer einer mehr als du.“

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Bei Zwillingsmutter Alexandra Jaeger und ihren Kindern Hannes (links) und Vincent ist immer für reichlich Stimmung gesorgt.
Bei Zwillingsmutter Alexandra Jaeger und ihren Kindern Hannes (links) und Vincent ist immer für reichlich Stimmung gesorgt. © FUNKE Foto Services | Carsten Klein

Alexandra Jaeger ist gelernte Journalistin. In diesem Beruf arbeitet sie derzeit aber nicht, denn sie ist nicht nur Zwillingsmutter, sondern hat noch drei weitere Kinder im Alter von zwölf, zehn und vier Jahren. „Ein einziges Kind bringt schon unglaublich viele Veränderungen in die Familie. Aber Zwillinge noch einmal mehr.“ Sie selbst wird bei dem Kurs für werdende Mehrlingseltern ebenfalls mit dabei sein und den Besuchern Tipps für den Alltag nach der Geburt geben.

Tipp der Zwillingsmutter: Ordnen Sie jedem Kind eine feste Farbe zu

Einer dieser Tipps könnte so aussehen: Teilen Sie ihren Kindern gleich feste Farben zu. In ihrem Fall hat Hannes blau und Vincent grün bekommen: Schnuller, Fläschchen und Mützen können so immer leicht zugeordnet werden.

Die 38-jährige Extrakind-Gründerin kommt aus dem Münsterland. In Hannover und Coesfeld sind die Geburtsvorbereitungskurse schon angelaufen. „Für Coesfeld haben sich viele Teilnehmer aus dem Ruhrgebiet angemeldet, da war mir klar, dass in dieser Region der Bedarf auch groß ist“, sagt sie. Alle zehn Wochen möchte sie die Kurse nun anbieten.

Zahl der Mehrlingsgeburten in Deutschland steigt

Die Zahlen sprechen dafür, dass die Nachfrage groß sein könnte. Denn es werden immer häufiger Zwillinge geboren. Allein in der Essener Uniklinik waren es 47 Paare im vergangenen Jahr. Im Jahr 2014 war jedes 27. Neugeborene in Deutschland ein Mehrling, 1977 nur jedes 56. Alexandra Jaeger sieht dafür zwei Gründe: Es gibt mehr Kinderwunschbehandlungen und Therapien, an deren Ende gleich ein doppelter Erfolg steht. Und zudem seien die Mütter immer älter bei Eintritt einer Schwangerschaft. „Zum Ende gibt der Körper noch einmal alles.“