Essen. Aus Emil Emscher zwischen Essen und Bottrop soll ein Gewerbegebiet werden. Das Projekt kann nur weitergehen, wenn hunderte Kreuzkröten umziehen.
Kreuzkröten fühlen sich ausgesprochen wohl auf kargen, steinigen Böden. So war es alles andere als eine Überraschung, dass die „Bufo calamita“, so ihr lateinischer Name, auch auf Emil Emscher heimisch geworden ist. Zählen Bergbaubrachen wie jene westlich der B224 gelegene doch zu den bevorzugten Lebensräumen der bedrohten Amphibienart. Bei der Entwicklung des riesigen Areals zu einem Gewerbegebiet mit Vorzeigecharakter wird die Kreuzkröte nun aber zu einem Problem.
„Freiheit Emscher“ – unter diesem Titel möchten die Städte Essen und Bottrop ehemalige Bergbauflächen zu beiden Seiten des Rhein-Herne-Kanals in blühende Landschaften verwandeln. Zukunftsweisende Branchen sollen sich dort niederlassen, neue Arbeitsplätze sollen entstehen. Emil Emscher, einst Standort der gleichnamigen Schachtanlage, danach lange Jahre als Kohlelager genutzt, macht den Anfang. Ende 2021 soll die Industriebrache aus der Bergaufsicht entlassen werden. Die RAG Montan Immobilien GmbH hat damit begonnen, die Fläche zu sanieren und für die ihr zugedachte Nutzung herzurichten. Für die Kreuzkröten heißt das: Sie müssen umziehen.
Etwa 330 erwachsene Kreuzkröten hat die RAG bereits eingesammelt
Etwa 330 erwachsene Exemplare hat die RAG in den vergangenen Monaten auf dem weitläufigen Gelände eingesammelt. „Das sind sehr viele“, sagt Michael Otto, zuständig für die Sanierung und das Baureifmachen. Aber wie gesagt: Überraschend sei das nicht. Damit die Tierchen nicht buchstäblich unter die Räder kommen, wenn Bagger und Kipplaster über die Brache brettern, wurden sie vorübergehend umquartiert zwei eingezäunte Bereiche auf dem Gelände, „Zwischenhabitate“ genannt.
Eine Bleibe auf Dauer sollen die Kreuzkröten später im südöstlichen Teil von Emil Emscher finden. Die RAG wird dort ein „Landschaftsbauwerk“ errichten: eine künstliche, bis zu acht Meter hohe Hügellandschaft. Dort, wo einstmals eine Kokerei stand und das Erdreich ohnehin am stärksten belastet ist, soll weiterer belasteter Boden aufgeschüttet, verdichtet und zu einem Hügel geformt werden. Die RAG will so zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Nur: Von der Größe her wird das Bauwerk nicht ausreichen.
Hintergrund: Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz macht mit Verweis auf die Fachliteratur klare Vorgaben zum Umgang mit bedrohten Arten. Der Lebensraum einer erwachsenen Kreuzkröte sollte demnach 400 Quadratmeter groß sein. Um die rund 330 Kreuzkröten auf dem Areal unterzubringen, müsste die RAG also 130.000 bis 140.000 Quadratmeter allein für diesen Zweck frei halten. Das entspricht etwa der Größe von 18 Fußballplätzen und rund einem Drittel der Gesamtfläche. Das geplante Landschaftsbauwerk, das als Lebensraum dienen soll, misst nicht einmal die Hälfte der erforderlichen Fläche. „Wenn alles gut geht, werden 60.000 Quadratmeter anerkannt“, sagt Michael Otto. Ob das Bauwerk die artenschutzrechtlichen Kriterien erfüllt, darüber entscheidet die Untere Naturschutzbehörde.
Ein Umzug in den Essener Süden kommt für die Kreuzkröte nicht infrage
Die RAG Montan Immobilien GmbH muss sich nun auf die Suche nach Ausweichflächen außerhalb von Emil Emscher machen, auf denen sich ein Großteil der Kreuzkröten niederlassen könnte. „Das wird nicht so ganz einfach“, weiß Michael Otto. Ein Umzug zum Beispiel in den Essener Süden käme nicht in Frage, denn es muss sich um Flächen in der Nähe von Emil Emscher handeln, möglichst um einen zusammenhängenden Grünzug, so Michael Otto. Wobei: „Der Bewuchs müsste runter.“
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Theoretisch wäre auf Emil Emscher Platz genug. 26 der insgesamt 40 Hektar sollen als Gewerbegebiet entwickelt werden. Außerdem sollen Wald und Grünflächen angelegt werden – nichts, wo sich Kreuzkröten wohl fühlen würden. Und auf Platz für die Ansiedlung von Gewerbe will man nicht verzichten.
Die Aufstellung eines Bebauungsplanes steht noch an. Bis Ende kommenden Jahres, so Michael Otto, bleibe Zeit, etwas Passendes für die Kröten zu finden. Bevorzugte Wohnlage laut Landesumweltamt: „dynamisch geprägte Standorte in Auen, Industriebrachen und Abgrabungskomplexen“, mit „ausreichenden Tagesverstecken“.