Essen. Wohnungsbau-Investoren sollen künftig weniger Autostellplätze bauen - dafür mehr Rad-Abstellflächen. Die Stadt will so die Verkehrswende fördern.

Die Stadt Essen will Investoren von Neubauten künftig stärker auf eine ökologisch orientierte Verkehrswende festlegen und dafür die Stellplatzsatzung verändern. Das gab Planungsamtsleiter Ronald Graf bei einem Treffen des „Arbeitskreises 2030“ bekannt. Bauherren soll gestattet werden, weniger Tiefgaragenraum für Autos zu bauen, dafür sollen großzügige Abstellflächen für Fahrräder verpflichtend sein. Graf ließ keinen Zweifel, dass damit eine lenkende Absicht verbunden ist: „Selbstverständlich wollen wir ein geändertes Verkehrsverhalten fördern, wir begünstigen mit Absicht den Umweltverbund.“ Das blieb allerdings nicht unwidersprochen.

Für größere Neubauvorhaben sind Tiefgaragen obligatorisch. Hier die Baugrube des Wohnhochhauses an der Huyssenallee, wo 200 Stellplätze entstehen werden.  
Für größere Neubauvorhaben sind Tiefgaragen obligatorisch. Hier die Baugrube des Wohnhochhauses an der Huyssenallee, wo 200 Stellplätze entstehen werden.   © Grundstücksgesellschaft Huyssenallee

Vor allem aus Sicht eines wachsenden Stadtteils wie Rüttenscheid sei das Vorhaben grundfalsch, erklärte Rolf Krane, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Rüttenscheid (IGR). „Die Stadt will neue Bürger anziehen und dann nimmt sie ihnen die Parkplätze weg.“ Jeder Parkplatz, der nicht in einer Tiefgarage oder auf einer privaten Fläche entstehe, vergrößere den Stellplatzdruck auf den Straßen, weil die Fahrzeuge dann dorthin auswichen. „Dann klagen die selben, die die Knappheit mitzuverantworten haben, wieder über das Park-Chaos“, so Krane.

Nur ein Autostellplatz pro 100 Quadratmeter Grundfläche gefordert

Nach der neuen Verordnung sollen künftig pro 100 Quadratmeter Bruttogrundfläche in einem Mehrfamilienhaus nur ein Autostellplatz verpflichtend sein – dafür aber zwei Plätze für Fahrräder. Die Rad-Abstellplätze sollen eine Reihe von Qualitätskriterien erfüllen, nämlich barrierefrei erreichbar sein, sicheren Stand und Diebstahlsicherung bieten sowie leicht zugänglich sein. Mindestens 1,5 Quadratmeter seien dafür pro Rad erforderlich, rechnete Graf vor. In großen Wohnanlagen soll auch Platz für ein Lastenfahrrad sein, was dann drei Quadratmeter erfordere.

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Bei Wohnanlagen, die nah an Straßenbahn- oder Bushaltestellen liegen, kann die verpflichtende Zahl an Autostellplätzen abgestuft je nach Lage sogar weiter reduziert werden – im Optimum soll ein Bonus bis zu 70 Prozent möglich sein, weil die Menschen ja dann statt des Autos mit der Bahn zu ihren Zielen gelangen könnten. Für Rolf Krane eine Farce: „Wer glaubt denn, dass die Leute, die sich eine teure Wohnung in Rüttenscheid leisten können, auf ihr Auto verzichten.“

Forderung: Erst einmal den öffentlichen Nahverkehr verbessern

Außerdem gelte es mindestens erst einmal den Öffentlichen Personennahverkehr zu verbessern, bevor die Stadt von den Menschen eine Verhaltensänderung verlangt, so Krane. Derzeit passiere eher das Gegenteil. Umfragen zeigten zudem, dass für die Mehrzahl der Essener das Auto Verkehrsmittel Nummer 1 sei.

Nach Ansicht des Planungsamtsleiters schüfen die Klimadebatte und die von der Stadt formulierten Umweltziele eine neue Lage. Dennoch steht es Investoren in jedem Fall frei, mehr Stellplätze zu bauen als sie müssen. „Wir zwingen niemanden zu reduzieren.“ Doch würde das wirklich passieren? Wer sparen kann, werde das auch tun, hieß es.

SPD-Ratsherr gegen die Pläne: Autofahrende Mehrheit der Bürger komme zu kurz

Der Chef der Interessengemeinschaft Rüttenscheid wird in dieser Meinung von SPD-Ratsherr Thomas Rotter unterstützt, der den Vorsitz hat im einflussreichen Ausschuss für Stadtplanung. „Die Investoren wird es freuen, viele Bürger weniger“, sagte er an die Adresse von Graf und kündigte politische Diskussionen über die künftige Stellplatzsatzung an, die sich zu wenig an der autofahrenden Mehrheit in Essen orientiere. „In Stadtteilen mit dichter Bebauung werden wir das so nicht hinbekommen.“

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Erfreut zeigte sich hingegen Grünen-Ratsherr Christoph Kerscht über die Stellplatzverordnung: „Alles, was wir Grüne angeregt haben, ist mit drin.“ Essen brauche eine andere Mobilität, in der aber in Maßen durchaus auch das Auto seinen Platz habe. „Vielleicht reichen in einer Wohnanlage mit 100 Wohnungen zehn Car-Sharing-Autos.“