Essen. Nach dem Tod von Adel B. in Essen-Altendorf melden sich erstmals Rechtsanwälte zur Wort. Offene Fragen sprächen gegen Einstellung des Verfahrens.
In dem Ermittlungsverfahren nach dem tödlichen Polizeischuss auf den 32-jährigen Adel B. in Essen-Altendorf haben sich jetzt erstmals die von der Mutter des Opfers beauftragten Rechtsanwälte zu Wort gemeldet. Nach einer Durchsicht der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten äußerten Maruschka Hadlich und Martin Henrich nicht nur Zweifel an einer möglichen Notwehr- oder Nothilfelage: „Sie haben nach dem jetzigen Stand nicht vorgelegen“, weil es weder einen „gegenwärtigen Angriff auf die Beamten, noch auf die Familie“ gegeben habe. Zudem machten Hadlich und Henrich am Freitag in einem Gespräch mit dieser Zeitung deutlich, dass zentrale Fragen aus ihrer Sicht bislang nicht beantwortet seien.
Der „entscheidende Punkt“, so Henrich, habe dabei bislang noch gar keine Rolle in der Betrachtung der Ereignisse vom Juni gespielt: „War dieser tödliche Schuss verhältnismäßig?“ Das Fenster in der Haustür, das die Kugel durchschlug, befinde sich in einer Höhe, die „es durchaus erlaubt hätte, beispielsweise ins Bein“ zu schießen. Warum sei dennoch auf die Brust des 32-Jährigen gefeuert und so sein Tod in Kauf genommen worden? Ob es ein milderes Mittel gegeben hätte, sei bislang nicht ansatzweise erörtert worden, kritisieren Henrich und Hadlich.
„Nicht mit dem Messer durch den Schlitz der geöffneten Tür gefuchtelt“
Für die Rechtsanwälte ist inzwischen ebenso „klar, dass der Getötete nicht mit dem Messer durch den Schlitz der in einem Winkel von etwa 40 Grad geöffneten Tür gefuchtelt hat“. Dafür gebe es nach jetzigem Ermittlungsstand „keine tragfähigen Anhaltspunkte“. Damit habe es aus ihrer Sicht keinen Angriff gegeben, der aber unbedingte Voraussetzung für eine Notwehrlage sei. „Es sind zumindest erhebliche Zweifel daran angebracht, dass es einen gegenwärtigen Angriff auf die Beamten gegeben hat“, sagt Martin Henrich.
Ebenso habe Adel B. keine Gewalt gegen die Familie ausgeübt. „Er war weit entfernt von den Kindern seiner Freundin, die sich in der Wohnung befanden. Deshalb könne von der als Möglichkeit ins Feld geführten Nothilfelage bezüglich der Kinder ebenso wenig die Rede sein, betont der Rechtsanwalt, um gleich die dritte Frage aufzuwerfen, auch wenn sie „für das strafrechtliche Verfahren irrelevant“ sei: Warum habe die Polizei während des rund einstündigen Einsatzes nicht verhindert, „dass es letztlich zu dieser Situation gekommen ist“?
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Hätte der psychisch offenbar labile und vorgeblich lebensmüde Mann nicht mit anderen Mitteln gestoppt werden können? „Warum hat man nicht versucht, sich zwischen ihn und die Tür zu stellen?“ Das sind für Hadlich und Henrich „elementar wichtige Fragen, die im Rahmen einer notwendigen Hauptverhandlung vor Gericht geklärt werden müssen“. Eine Einstellung des Verfahrens komme deshalb nicht in Frage, machten die beiden Rechtsanwälte unmissverständlich deutlich.
Entscheidung über eine Anklage oder eine Einstellung des Verfahrens soll zeitnah fallen
Die Staatsanwaltschaft will sich zeitnah dazu äußern, ob der Schütze - ein 22 Jahre alter Polizist - angeklagt oder das Verfahren eingestellt wird, sagte Oberstaatsanwältin Anette Milk, die allerdings eine Frage der Rechtsanwälte schon jetzt beantworten will: Der Beamte, der die Haustür aufhielt, habe sich nach derzeitigem Ermittlungsstand in gebückter Haltung davor befunden. Für einen Schuss in ein Bein Adel B.s „war jemand im Weg“.