Essen. Drei Essener Jungunternehmer wollen eine Versicherung gegen Hartz IV anbieten. Verliert ein Klient den Job, wollen sie bis zu zwei Jahre zahlen.
Die Idee klingt bestechend, die Umsetzung erfordert viel Feinarbeit: Drei Essener Jungunternehmer wollen eine Versicherung gegen Hartz IV anbieten. Sie reagieren damit auf eine weit verbreitete Sorge: „Obwohl wir derzeit fast Vollbeschäftigung haben, fürchten viele Menschen, dass sie arbeitslos werden könnten und dann schnell in Hartz IV abrutschen“, sagt Marcel Brassat.
Denn wenn das Arbeitslosengeld I (ALG I) ausgelaufen ist, ohne dass sie in dieser Zeit einen neuen Job gefunden haben, droht ihnen der Gang zum Jobcenter. Und den wollen Brassat (41) und seine beiden gleichaltrigen Mitstreiter Malte Säger und Angelo Buscemi ihren Klienten ersparen. Wer sich vorher bei ihrem Start-up Ewa versichert hat, erhält nach Ablauf des ALG I noch bis zu zwei Jahre lang Bezüge maximal in Höhe des Arbeitslosengeldes I – und damit die Chance, seinen Lebensstandard zu bewahren. Denn, wie sagt Angelo Buscemi: „Wir zielen auf diejenigen, die etwas zu verlieren haben.“
„Bei uns gibt es keine Sanktionen“
Zwar könnten natürlich auch Geringverdiener eine Police bei ihnen abschließen, ergänzt Malte Säger. Doch für sie sei die Lücke zwischen Hartz IV und dem Arbeitslosengeld oftmals nicht so groß, dass sich das lohne. Wer dagegen einen gutes Gehalt, ein wenig Vermögen und/oder ein Eigenheim habe, empfinde Hartz IV deutlich stärker als Bedrohung. Nicht nur, weil er sich tagtäglich einschränken muss. Sondern auch, weil er dann seine Vermögensverhältnisse offenlegen und das Ersparte bis auf ein Schonvermögen aufbrauchen müsste.
„Wir gehen dagegen nicht ans Vermögen“, betont Malte Säger. „Und bei uns gibt es auch keine Sanktionen.“ Ein Angebot, das beinahe zu reizvoll klingt. So warnten manche ihrer Gesprächspartner aus der Versicherungsbranche sie vor unerwünschten Mitnahme-Effekten. „Wir halten es aber für unwahrscheinlich, dass da jemand betrügen will. Zumal er, bevor wir zahlen, schon ein Jahr ALG I beziehen muss, was deutlich unter seinem ursprünglichen Gehalt liegt“, sagt Säger.
Digitalisierung vernichtet zahlreiche Jobs
Ihre Zielgruppe sei außerdem an einer schnellen Rückkehr ins Arbeitsleben interessiert, ergänzt Buscemi. „Nur suchen die Leute ja nicht irgendeinen Job, sondern eine Stelle auf ihrem Niveau.“ Dabei solle Ewa, und das ist der zweite Baustein des Start-ups, ihnen helfen: Noch während die Klienten Arbeitslosengeld erhalten sollen sie Zuschüsse für Fort- und Weiterbildungsangebote erhalten. „Dazu schwebt uns eine digitale Plattform vor, die solche Angebote bündelt und bewertet“, erklärt Buscemi.
Versicherung könnte online oder stationär vertrieben werden
Die Versicherung, die vor Hartz IV schützen soll, wird sich zunächst wohl nur an Kunden wenden, die in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stehen. Werden sie (betriebsbedingt) gekündigt, soll die Versicherung greifen. Die Police soll keine personen- oder verhaltensbedingten Kündigungen abdecken.
Der Vertrieb der neuen Versicherung könnte über eine Website, über Versicherungsmakler oder eine große Versicherung laufen. Die drei Ewa-Gründer könnten sich aber auch einen stationären Vertrieb vorstellen, zum Beispiel über einen Partner wie die Sparkasse, der bereits hohes Vertrauen genießt.
Denn ohne eine weitere Qualifizierung werde es auch für manche gut ausgebildete Fachkraft heute womöglich schwer, eine neue Stelle zu finden. „Wir erleben einen rasanten technischen Wandel, viele Jobs fallen der Digitalisierung zum Opfer“, sagt Säger. Diese Beobachtung war für ihn und seine beiden Freunde, mit denen er 1997 Abitur am Gymnasium Stoppenberg gemacht hat, auch der Anstoß für ihr Start-up. Zunächst hätten sie über eine „Versicherung bei Jobverlust durch Digitalisierung“ sinniert, nach zwei Jahren Vorarbeit wollen sie nun bald die „erste Alternative zu Hartz IV“ anbieten.
Die GmbH ist gegründet, nun fehlt noch ein Investor
Vor einem Jahr haben sie eine GmbH gegründet, frühestens im zweiten Quartal 2020 werden sie ihre Police anbieten können. So lange arbeiten Buscemi und Brassat noch angestellt als Kreditanalyst bzw. Finanzreferent, Säger ist freiberuflich in der Versicherungsbranche tätig und profitiert von einem Gründungsstipendium des Landes NRW. Der Versicherungsmathematiker Prof. Hubert Christoph Bornhorn von der Fachhochschule Dortmund arbeitet an einer Studie zu ihrem Geschäftsmodell, sie selbst brüten noch über der kniffligen Frage des Tarifs. Attraktiv wäre die Anti-Hartz-IV-Versicherung wohl bei einem Monatsbeitrag von unter 20 Euro.
Ein bisschen mehr Geld, brauchen die drei Jungunternehmer von einem Investoren, etwa einem großen Rückversicherer. „Wir haben die Kreativität und die Planung eingebracht und externe Expertise eingeholt“, sagt Buscemi. Was nun noch fehlt, um an den Start gehen zu können, sind etwa 150.000 Euro.