Essen. Marcus Stolzenberg hat Mietschulden angehäuft und die Geduld seiner Vermieterin erschöpft. Seit 2016 ringt er mit dem Jobcenter um Leistungen.

Vor einigen Jahren hat Marcus Stolzenberg eine kleine Erbschaft gemacht, ein Lichtblick für den Hartz-IV-Empfänger. Doch nachdem das Erbe verbraucht war, lief sein Leben aus dem Ruder: Nun droht dem 47-Jährigen die Zwangsräumung. Der Termin vor dem Amtsgericht ist am Donnerstag.

Stolzenberg ist Koch und Konditor, konnte beide Berufe krankheitsbedingt nicht mehr ausüben. Er kellnerte, schulte auf Außenhandelskaufmann um, fand jedoch keinen beruflichen Halt mehr und bezog seit 2008 Sozialleistungen. „Als meine Mutter im September 2010 starb, bin ich sofort zum Jobcenter gegangen und habe gesagt, dass ich eine Kleinigkeit zu erwarten habe.“ 2013 erhielt er dann seinen Erbanteil von 20 000 Euro.

Zwei Jahre lang lebte er von der Erbschaft

Davon habe er zwei Jahre lang gelebt, „quasi weiter auf Hartz-IV-Niveau“. Anfang 2016 war das Erbe aufgebraucht, Stolzenberg meldete sich beim Jobcenter zurück, das zunächst wieder an ihn zahlte. „Nach einem halben Jahr haben sie mich plötzlich gesperrt und Unterlagen zum Erbe nachgefordert.“ So sollte er einen Darlehensvertrag über 1000 Euro vorlegen: „Das Geld hatte ich einem Kumpel geliehen, ohne Vertrag.“ Bis heute verlangt das Jobcenter Kontoauszüge ab Juni 2016 – also seit dem Zeitpunkt, an dem man die Leistungen an Stolzenberg eingestellt hat. Nur sei sein Konto längst von der Sparkasse aufgelöst worden; um nachträglich Auszüge zu erhalten, sei eine Gebühr fällig. Eben die könne er nicht leisten, er sei ja mittellos.

Offenbar gelang es ihm jedoch nicht, diese Mittellosigkeit zu beweisen. So sagt die Pressesprecherin des Jobcenters, Heike Schupetta: „Die Leistungsakte von Herrn S. weist über Jahre des Leistungsbezugs immer wieder große Lücken bzw. Phasen auf, in denen es unklar ist, wovon Herr S. seinen Lebensunterhalt bestritten hat.“ Der 47-Jährige lacht bitter: „Ich habe nichts mehr bezahlt, keine Miete, keinen Strom...“ Er habe die Krankenversicherung verloren, Strom und Heizung seien abgestellt. Ein Freund habe ihm regelmäßig etwas Geld für Essen zugesteckt.

Die Vermieterin blieb lange Zeit sehr geduldig

„Meine Vermieterin war sehr geduldig. Es war mir immer unangenehm, der netten alten Dame im Hausflur zu begegnen.“ Irgendwann habe man handeln müssen, sagt die Tochter der Vermieterin. Die Familie strengte eine Zwangsräumung an; am Donnerstag will sie den Räumungstitel gerichtlich erstreiten. „Es geht nicht um etwas Persönliches, sondern um die Mietschulden, die aufgelaufen sind.“ Der Fall entbehrt nicht der Tragik: Die 40-qm-Wohnung in Holsterhausen ist günstig und die Familie würde Stolzenberg gern als Mieter behalten: „Er ist ein lieber Mann, aber wir sind nicht das Sozialamt.“

Stolzenbergs Anwalt Frank J. Karenberg hat dafür großes Verständnis: Es gehe ja um eine Gesamtsumme von über 9000 Euro. Gut 1000 Euro habe sein Mandant jüngst an die Vermieterin überwiesen. Denn im März kam endlich Post vom Jobcenter: Ab Februar erhalte Karrenberg wieder Geld.

Die Räumung ist kaum noch abzuwenden

Die Leistungen für die Zeit ab Juni 2016 könnten indes erst gezahlt werden, „wenn die Kontoauszüge vorliegen und einen Leistungsanspruch für diesen Zeitraum bestätigen“, betont Heike Schupetta. Die fehlenden Auszüge erwarte man nun jeden Augenblick, sagt Anwalt Karrenberg.

Er könne nur hoffen, dass das Jobcenter die Mittel dann rasch frei gebe – und dass man am Donnerstag einen letzten Aufschub von der „extrem großzügigen“ Vermieterin erhalte. Erwarten könne man das nicht. Marcus Stolzenberg hat sich darum schon gewappnet: „Meine Sachen sind in Möbelkisten verpackt, Freunde können mich erstmal aufnehmen. Es wird schon gehen.“

>>> MITTELLOSIGKEIT MUSS BEWIESEN SEIN

Das Jobcenter erklärt die lange Sperre für Marcus Stolzenberg mit fehlenden Unterlagen: „Diese Punkte konnten erst durch den Einfluss des Rechtsanwaltes im Februar 2018 abschließend geklärt werden.“
Es sei aber nicht leicht gewesen, zum Beispiel alte Kontoauszüge von der Sparkasse zu erhalten, sagt Anwalt Frank J. Karrenberg. Inzwischen habe man die Gebühren bezahlt und dies auf den Weg gebracht.