Essen. Nach über 42 Dienstjahren bei Essens Feuerwehr verabschiedet sich Ulrich Bogdahn in den Ruhestand: „Was mir fehlen wird, sind die Menschen.“
Es gibt gern bemühte Wendungen in Abschiedsreden, die lassen leicht auf denjenigen schließen, der da am Rande des Ruhestands steht: Er war stets Feuer und Flamme für seine nicht immer leichten Aufgaben, könnte es diesmal heißen. Oder auch: Er ist für seine Mitarbeiter durchs Feuer gegangen, hat natürlich gebrannt für seinen Job, so manch heißen Einsatz erlebt und in seinem langen Arbeitsleben viel mehr gelöscht als nur seinen Durst.
Heiteres Beruferaten lässt es schnell erahnen: Der Mann arbeitet bei der Feuerwehr. Und um es gleich vorweg zu nehmen: Das seit immerhin 42 Jahren, davon zwölf Jahre bei der Freiwilligen, er ist seit über 14 Jahren Direktor der Behörde an der Eisernen Hand und steht – gerade am Mittwoch 60 Jahre alt geworden – ganz kurz vor seiner Pensionierung. Am Donnerstag verabschiedet sich Ulrich Bogdahn offiziell mit einer Feierstunde im Ausbildungszentrum der Feuerwehr, Ende August endet formal die Amtszeit des Diplom-Ingenieurs, der gleich klarstellt: „Ich bin nicht mit der Kübelspritze um den Tannenbaum gelaufen.“
Ein halbes Jahr auf Zollverein eingefahren und unter Tage gearbeitet
Nein, Blaurock werden war kein glühender Kindheitstraum, eher kühle Karriere für den gebürtigen Gelsenkirchener und Wahl-Katernberger, der nach seiner Ausbildung zum Elektroanlageninstallateur bei der Ruhrkohle AG Essen noch auf Zeche Zollverein eingefahren ist und dort ein halbes Jahr lang unter Tage arbeitete, bevor er das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg nachholte, um Maschinenbau an der Uni Essen zu studieren. Da war Bogdahn bereits über zehn Jahre in der Löschgruppe Katernberg aktiv. Sein Gefallen an Kameradschaft und Gemeinschaft hielt ihn bei der Stange und lenkte ihn bis zur Prüfung zum Brandassessor am Institut der Feuerwehr in Münster, wo er seine Frau kennenlernte, mit der er einen inzwischen erwachsenen Sohn hat. Der wird in diesen Tagen selbst Vater einer kleinen Emma, so Gott es will.
Mit 45 Jahren und damit „relativ jung“ hat Bogdahn den Chefposten von seinem Vorgänger Henning Patzke, den er schon als Abteilungsleiter beerbte, bei der Essener Berufsfeuerwehr übernommen und eine seiner zentralen Aufgaben erkannt: Die Behörde „aus der analogen in die digitale Welt zu überführen“, sprich die mobile Datenerfassung, den Digitalfunk, die neue Leitstellentechnik und mehr voranzutreiben, als PCs für den Personalrat noch Teufelszeug waren. Doch auch bei der örtlichen Politik galt es, Überzeugungsarbeit für die notwendigen Investitionen zu leisten. Und zwar immer unter Bogdahns entscheidendem Blickwinkel: Ist eine Anschaffung ein neues Spielzeug für die Feuerwehr oder nutzt sie dem Bürger? „Ich habe nie mit dem Leichentuch gewedelt“, sagt Bogdahn: Und doch gehe es letzten Endes immer um Menschenleben. Er selbst hat sie auch schon gerettet.
Bogdahn ist Befürworter der Notfall-App „Mobile Retter“
Zum Beispiel das seines Nachbarn: Als der Mann eines Morgens Brötchen aus dem Auto seiner Frau entgegennahm, fiel er plötzlich um. Da stand Bogdahn unter der Dusche. Als er den Notfall bemerkte, eilte er nass und nur im T-Shirt auf die Straße, um den Nachbarn zu reanimieren. 25 Minuten sollte es dauern, „dann haben wir den wieder hingekriegt, dem geht es heute gut“, sagt Bogdahn, der weiß, wie wichtig schnelle Hilfe ist – deshalb ist der Feuerwehrchef auch ein ausgesprochener Befürworter der Notfall-App „Mobile Retter“, die am 9. Oktober mit rund 100 registrieren Ehrenamtlichen in Essen an den Start gehen soll.
In seinem Berufsleben hat Bogdahn vieles erreicht und vieles erleben müssen: Etwa den Anblick eines bei einem Verkehrsunfall getöteten Kindes in Katernberg, dessen Turnschuhe unter dem Leichentuch hervorlugten. Sein Sohn trug damals das gleiche Modell. „Das ist nie weggegangen“, sagt Bogdahn. Genauso wenig wie der Fund zweier verbrannter Geschwister, die sich vor einem Feuer in einer Dachgeschosswohnung unters Bett verkrochen hatten. Unvergessen ist auch der Funkspruch: „Schick mir alles“, als der Großbrand bei Goldschmidt vor über 30 Jahren dank des Großeinsatzes zum Glück glimpflich ausging.
„In der Feuerwehrwelt werde ich nicht mehr auftauchen“
All das ist jetzt bald nur noch Erinnerung, denn: „In der Feuerwehrwelt werde ich nicht mehr auftauchen“, versichert einer, der jedes Auto, das neu auf den Hof kam, erst einmal selbst gefahren und auch das Löschboot Ernst Finkemeyer höchstpersönlich auf Kiel gelegt hat. Das ist nicht so harsch gemeint, wie es vielleicht klingen mag. „Ich würde alles noch einmal genau so machen“, sagt Bogdahn beim Blick auf seinen beruflichen Werdegang. Doch von den Aufgaben, von der Verantwortung kann er sich trennen.
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„Was mir wirklich fehlen wird, sind die Menschen“, die 750 bei der Berufsfeuerwehr, die 550 bei der Freiwilligen, die ungezählten bei DLRG, THW und den Essener Rettungsdiensten, für die Ulrich Bogdahn vor allem immer eins sein wollte: Zuverlässig und zu 95 Prozent berechenbar. Fehlen doch noch fünf Prozent...? „Ein bisschen unberechenbar“, zwinkert er, „muss man nun mal sein als Chef.“