Essen-Rellinghausen. Seltener Blick hinter Kulissen im Schloss Schellenberg: Freiherr Max von Elverfeldt-Ulm führt durch das historische Gemäuer in Rellinghausen.

Exklusive Einblicke, die es sonst nicht gibt, gemischt mit ganz viel Adelsgeschichte: Zur zweiten Runde der Sommeraktion „WAZ öffnet Pforten“ gab sich Freiherr Max von Elverfeldt-Ulm die Ehre. Er führte 30 Gäste rund zwei Stunden durch das historische Anwesen an der Renteilichtung.

Den Schlüssel für den barocken Rittersaal hatte der Baron vergessen. Doch die Gäste durften einen Blick durchs Fenster werfen. Früher war hier Kantine der Polizeischule.
Den Schlüssel für den barocken Rittersaal hatte der Baron vergessen. Doch die Gäste durften einen Blick durchs Fenster werfen. Früher war hier Kantine der Polizeischule. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Geduldig wartet die Besuchergruppe bei bestem Sommerwetter vor dem Westtor neben dem Turmhaus. „Hinter die Kulissen von Schloss Schellenberg wollten wir schon immer einmal gucken“, freut sich Heribert Niermann (79). Er und Ehefrau Elvira hatten sich sofort für diese Tour beworben.

Der Herr Baron steht noch im Stau

Als pensionierter Polizeibeamter kennt Günter Neysters (78) die Herrschaftsgebäude noch aus früheren Tagen. Von den 70er bis 90ern war hier die Höhere Landespolizei zuhause. Hinter dicken Mauern hielt sie Seminare und Schulungen ab. Der Rittersaal war die Kantine.

Ein Stau bremst selbst den Adel aus. „Der Herr Baron steht auf der A 40“, lässt Renteiverwalter Peter Langwald vermelden. Die Besucher stellen erste Fragen, die der Angestellte gern beantwortet. Endlich: Aus Schloss Kalbeck bei Weeze ist der Gastgeber im schwarzen Audi-SUV gelandet. Galant kommt er im dunkelblauen Sakko mit Halstuch auf die Gruppe zu. Schwanzwedelnd vorneweg sein gelber Labradorrüde. Hugo erobert schnell die Herzen. Auf Rollen zieht der Freiherr einen Trolley-großen Lautsprecher hinter sich her. Und dann begrüßt der 55-Jährige die Besucher sogar reihum per Handschlag – das Mikrofon hält er schon in der anderen Hand.

Burg auf den Ruhrhöhen für 1100 Rheinische Gulden gekauft

Max Freiherr von Elverfeldt-Ulm brachte Schlosshund Hugo mit. Auch der begrüßte die Besucher freudig vor dem historischen Anwesen an der Renteilichtung in Rellinghausen.
Max Freiherr von Elverfeldt-Ulm brachte Schlosshund Hugo mit. Auch der begrüßte die Besucher freudig vor dem historischen Anwesen an der Renteilichtung in Rellinghausen. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Wer alte Chroniken wälzt, findet den Adelssitz als „Haus auf’m Berge“ bereits im 12. und 13. Jahrhundert: Erster Eigentümer ist die Familie Broich von Mühlheim. 1452 kauft Johann von Vittinghoff, genannt „Schell“ (für „scheel“ wegen seiner schlechten Augen) die Burg auf den Ruhrhöhen. Für 1100 Rheinische Gulden. Bis 1910 lebt die Familie hoch oben in Rellinghausen. Dann zieht sie an den Niederrhein, wo sie bis heute residiert.

Antoinette, Ehefrau des Barons, ist die letzte weibliche Nachfahrin. Sie machte mit der Hochzeit vor gut 16 Jahren Max von Elverfeldt-Ulm zum Schlossherrn. Doch der hat ebenfalls blaublütige Vorfahren: Die Wurzeln liegen in Wuppertal, genauer in Elberfeld, wie er die Gäste wissen ließ. Die Stadt hieß einst Elverfeldt - wie das rheinische-westfälische Adelsgeschlecht. Hier führt Hermann von Heppendorf die Reihe an, Kölner Edelvogt von 1139 bis 1159.

Im Laufe der Geschichte haben die Freiherren von Vittinghoff, genannt Schell zu Schellenberg, ihr Zuhause stetig erweitert. „Es wurde immer wieder an-, zum Glück nicht umgebaut!“, erklärt Elverfeldt-Ulm. Das Haupthaus mit viereckigem Wohnturm aus Bruchsteinen wurde im 14. Jahrhundert errichtet. Zuletzt kam 1830 das Herrenhaus hinzu, repräsentativ im klassizistischen Stil dazu. Die ganze Schlossanlage steht seit 1984 unter Denkmalschutz. Baumaßnahmen sind entsprechend kompliziert.

Wappen mit drei goldenen Kugel ziert die Gebäude

Die heutige Nutzung des Schlosses

Schloss Schellenberg gehört Antoinette Freifrau von Elverfeldt-Ulm. Die Familie hat seit 1992 keine männlichen Nachfahren mehr. Alle Gebäude zusammen bieten 6000 Quadratmeter Nutzfläche auf 40.000 Quadratmeter Grund.

Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde das Anwesen nur zu Wohn- und Wirtschaftszwecken genutzt. Heute gibt es 20 Mieter - von der Kochschule über Werbeagenturen bis hin zum Rechtsanwalt.

Der Rittersaal bleibt leider zu. „Ich habe den Schlüssel vergessen“, entschuldigt sich der Gastgeber. Doch der Blick durchs Fenster reicht den meisten auch. Eine Augenweide ist der prächtige Park, da sind sich alle einig. Er ist öffentlich zugänglich. Die gepflegte Rasenfläche, üppig blühende Rosen- und Hortensiensträucher, exotische Gehölze und seltene Baumarten verleihen dem Garten englisches Flair. Die Besucher sind beeindruckt. Hund Hugo hat es sich im Schatten bequem gemacht. Er darf hier tun und lassen, was er mag, läuft ohne Leine durch „sein“ Revier. Clara streichelt das Tier. Für sie ist die Schlossführung etwas ganz Besonderes. Die Oma hat die Elfjährige damit zum Geburtstag überrascht.

An vielen der einzelnen Gebäude hinter dem Tor prangt das stolze Wappen der Vittinghoff: drei goldene Münz-Kugeln auf schwarzem Schrägrechtsbalken im Silberschild. Der unverkennbare Reichtum der Adligen war den Rellinghausern 1848 ein Dorn im Auge. Das niedere Volk stürmte erbost zur Burg, kampfbereit zur Revolution. Der damalige Baron empfing die Aufständigen und spendierte ihnen ein Fass Bier: Damit war der Frieden im Stadtteil wieder hergestellt.