Essen. Die Bertelsmann-Krankenhaus-Studie gelte nicht für Essen, sagen Experten unter Hinweis auf hohe Patientenzahlen und das hohe medizinische Niveau.

Jedes zweite Krankenhaus in Deutschland ist überflüssig. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung. Lässt sich diese Schlussfolgerung auch auf den Gesundheitsstandort Essen mit insgesamt 16 Krankenhäusern übertragen?

„Nein“, sagt Winfried Book, Geschäftsführer des Vereins „Essen gesund vernetzt“. Und fügt hinzu: „Die Essener Verbund-Kliniken sind sicher, weil sie groß und medizinisch hoch spezialisiert sind.“ Book zufolge sind die Essener Krankenhäuser stark ausgelastet. „Essen ist Versorgungsmittelpunkt für das gesamte Ruhrgebiet und darüber hinaus.“ Sehr hohe Patientenzahlen und eine wirtschaftliche Solidität seien die angenehme Folge.

Uniklinik: „Die Essener Krankenhäuser erfüllen ihren Versorgungsauftrag schon jetzt sehr gut“

Professor Dr. Jochen A. Werner, Ärztlicher Direktor des Universitäts-Klinikums, argumentiert ähnlich. Die Experten-Meinung, die medizinische Versorgung wäre besser, wenn es weniger Krankenhäuser gäbe, sei allenfalls auf Deutschland insgesamt und vielleicht auch fürs Ruhrgebiet zutreffend. „Für Essen gilt diese These allerdings nicht“, betont der Chef des Universitäts-Klinikums. Die Krankenhäuser in Essen erfüllten ihren Versorgungsauftrag schon jetzt „sehr gut“.

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Vier große Krankenhaus-Verbünde gibt es in Essen: Krupp, Contilia, Kliniken Essen Mitte und die Uniklinik. Zur Letzterem gehören auch die Katholische Klinik in Werden und die auf Lungenerkrankungen spezialisierte Ruhrlandklinik in Heidhausen. Die kleineren Häuser seien alles andere als ein Anhängsel der Uniklinik, betont Werner. „Es handelt sich nicht um Töchter, sondern um Standorte.“

Essener Gesundheitsexperte findet Veränderungen im Norden vorbildlich

Die weitreichendsten Veränderungen erfährt die Essener Kliniklandschaft im Norden. Durch den 300 Millionen Euro teuren Neubau des Marienhospitals (Contilia) entsteht am Karlsplatz in Altenessen ein modernes Krankenhaus mit 725 statt bisher 303 Betten. Die ebenfalls zum Contilia-Verbund gehörenden Häuser Philippus-Stift in Borbeck und Vincenz in Stoppenberg werden dann in „Medizinische Versorgungszentren“ (ohne stationäre Behandlung) umgewandelt. Die Mitarbeiterzahl im Marienhospital (zurzeit 533) werde im neuen Haus deutlich erhöht werden, hatte Contilia angekündigt.

Die Gruppe beschäftige sich seit längerem damit, wie sich die stationäre Gesundheitsversorgung neu aufstellen lasse. Sprecherin Dorothee Renzel sagt: „Es geht um eine strukturierte Weiterentwicklung und qualitätsgeführte Gestaltung der Krankenhauslandschaft; der Abbau von Betten und Kliniken allein ist nicht die richtige Antwort.“ Nur mit einer gemeinsamen Strategie unter Einbeziehung ambulanter Leistungsanbieter könne „eine qualitativ hochwertige Versorgung kranker Menschen auf lokaler Ebene langfristig sichergestellt werden“.

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Der Essener Gesundheitsexperte Boris Augurzky vom RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung hat an der Bertelsmann-Studie mitgewirkt. Im Gespräch mit „Radio Essen“ sagte er, die Zusammenlegung der Krankenhäuser im Essener Norden habe Vorbildcharakter für andere Krankenhäuser. Die Bündelung der medizinischen Aktivitäten an einem Standort und dann noch in einem modernen Neubau sei attraktiv für das Personal und gebe dem Patienten „eine höhere Qualität der Medizin“.