Essen. Der Essener Rat debattierte hitzig über den Klimaschutz, mochte den Klimanotstand aber nicht ausrufen. Für Unmut sorgte ein Protestplakat.
Der Rat der Stadt Essen ist, wie erwartet, der Forderung nach Ausrufung des „Klimanotstandes“ nicht gefolgt. In der Sitzung am Mittwoch bekannte sich zwar eine deutliche Mehrheit der Mitglieder zum Klimaschutz, wollte Grünen und Linken darüber hinaus aber nicht folgen. Den Aktivisten von „Fridays for Future“ und „Parents for Future“, die die Debatte auf der Besuchertribüne des Ratssaals verfolgten, ging das nicht weit genug. Für sie wohl ein schwacher Trost: Von Oberbürgermeister Thomas Kufen gab es anerkennende Worte. „Es ist ein Verdienst der Kinder und Jugendlichen, die Debatte angestoßen zu haben“.
Tatsächlich haben sich die Fraktionen und Ratsgruppen lange nicht mehr so intensiv mit dem Klimaschutz befasst. Das Thema ist am Wind, die Erwartungshaltung jener, die für mehr Klimaschutz eintreten, groß. Demonstranten von „Fridays for Future“ und „Parents for Future“ verliehen ihrer Forderung mit einer Mahnwache vor dem Rathaus noch einmal Nachdruck.
Die Debatte führte von Essen nach Bangladesch und wieder zurück
Drinnen im Ratssaal führte die Diskussion einmal um den Globus bis nach Bangladesch und wieder zurück. „Global handeln, lokal handeln“, brachte es Grünen-Ratsherr Christoph Kerscht für seine Fraktion auf einen kurzen Nenner. Den Klimanotstand ausrufen, wollte die breite Mehrheit dennoch nicht. Ob sich Essen damit blamiert, wie Linken-Sprecherin Gabriele Giesecke befürchtet? In den Reigen der Klimanotstand-Kommunen, der von New York über Köln und Düsseldorf bis nach Bochum reicht, reiht sich die Ruhrstadt nicht ein. Dass Essen so manche der genannten Städte beim Klimaschutz hinter sich gelassen hat, wie Vertreter von CDU, SPD und FDP nicht müde wurden zu betonen, ging in der Debatte unter.
Allen voran die CDU fürchtete ein „Bürokratiemonster“
Worum drehte sich der Streit? „Es hängt am Begriff Klimanotstand“, analysierte SPD-Fraktionschef Ingo Vogel, der für seine Partei in Anspruch nahm, schon etwas für den Klimaschutz getan hat, als der Kanzler Willy Brandt hieß und der Himmel über der Ruhr noch nicht blau war.
Wirklich strittig war folgende Forderung von Grünen und Linken: Die Stadtverwaltung sollte jede anstehende Entscheidung daraufhin abklopfen, ob diese schädlich fürs Klima ist oder nicht. SPD-Ratsfrau Julia Kahle-Hausmann, die Vorsitzende des Umweltausschusses ließ durchklingen, dass dies mit der CDU nicht verhandelbar gewesen ist. Die Christdemokraten fürchteten andernfalls ein „Bürokratiemonster“.
Im Rat mochte aber auch die SPD den Klimanotstand nicht ausrufen. Sonst käme die Politik, wie Fraktionschef Ingo Vogel ausführte, leicht in die Verlegenheit auch den Pflegenotstand ausrufen zu müssen oder den Mietnotstand. Es sind konkurrierende Politikfelder, der Rat sei gezwungen abzuwägen. Das nenne man Politik.
So war das Bemerkenswerte an der Debatte: Alle Fraktionen sind der Meinung, dass Essen mehr für den Klimaschutz tun muss. Daran werden sie sich messen lassen müssen.
Skandalöses Plakat auf der Besuchertribüne
Von der Tribüne gab es dafür mal Missfallensbekundungen, mal stillen Applaus in Form von Gebärdensprache, weil zu klatschen nicht gestattet ist. Und es wurde ein Plakat gezeigt, dass FDP-Ratsherr Karlgeorg Krüger unverschämt nannte, weil es eine Assoziation herstellte zwischen dem Umgang der Politik mit dem Klimaschutz und dem früherer Generationen mit dem Holocaust. Die ehemalige Grünen-Ratsfrau Maria Lüttringhaus hielt es auch hoch und stellte unter Beweis, dass wer Gutes zu tun für sich in Anspruch nimmt, dabei auch weit übers Ziel hinausschießen kann.