Essen. Für CDU-Fraktionschef Uhlenbruch suggeriert das Wort Klimanotstand, dass alles andere unterzuordnen ist. Das gehe nicht. Skepsis auch bei SPD.

Konstanz machte den Anfang, inzwischen ist in vielen deutschen Städten der Klimanotstand ausgerufen, zuletzt sprang die Nachbarstadt Bochum auf den Zug. In Essen wurden Debatte und Entscheidung nicht nur auf die nächste Ratssitzung im Juli vertagt, es gibt bei CDU und SPD auch einige Skepsis, ob ein solcher Beschluss überhaupt eine seriöse Antwort auf die weltweite Klimaveränderung ist. „Ich habe mit dem Begriff einige Schwierigkeiten“, sagt CDU-Fraktionschef Jörg Uhlenbruch. Natürlich könne man so etwas plakativ ins politische Schaufenster hängen. Viel wichtiger sei aber doch, genau zu definieren, was daraus eigentlich zu folgern ist.

Grüne und Linke wollten den „Notstand“ als Selbstverpflichtung der Stadtverwaltung ausrufen. Sei zu erwarten, dass ein Vorhaben schädlich ist, „muss eine klimaschonende Alternative aufgezeigt und eine mögliche Kompensationsmaßnahme vorgeschlagen werden“, heißt es im Antrag.

„Die CDU ist immer noch eine Volkspartei und kann nicht nur das grüne Spektrum in den Blick nehmen“

Das geht der CDU zu weit. „Notstand heißt für mich, dass man sofort tätig werden muss und alles andere der Beseitigung des Notstands unterzuordnen ist“, sagt Uhlenbruch. Es sei aber illusorisch, zum Beispiel den Autoverkehr in Essen in den nächsten Jahren massiv herunterzuregulieren. „Harakiri machen wir nicht. Die CDU ist immer noch eine Volkspartei und kann nicht nur das grüne Spektrum der Bevölkerung in den Blick nehmen.“ Wenn man den Autoverkehr behindere ohne Alternativen bereitstellen zu können, dann gebe es mehr Stau und somit mehr Emissionen. „Das macht keinen Sinn.“

Grundlegende Verbesserungen im öffentlichen Nahverkehr in Essen seien nicht vor 2024 zu erwarten, wenn durch den Neubau der Straßenbahn „Bahnhofstangente“ auch die Kapazität in den U-Bahn-Tunneln wachse. „Ist es unter diesen Umständen sinnvoll, sich auf eine Notstands-Rhetorik einzulassen?“, fragt Uhlenbruch.

Jörg Uhlenbruch (CDU) sitzt am Donnerstag, den 20.09.2018 im Rathaus in Essen. Foto: Julia Tillmann / FUNKE Foto Services
Jörg Uhlenbruch (CDU) sitzt am Donnerstag, den 20.09.2018 im Rathaus in Essen. Foto: Julia Tillmann / FUNKE Foto Services © Julia Tillmann / FUNKE Foto Services | Julia Tillmann

Auch SPD-Fraktionschef Ingo Vogel findet den Begriff unglücklich, wenngleich er „wohl nicht mehr aus der Welt zu bekommen“ sei. Die SPD habe bei aller Bereitschaft zu größeren Umwelt-Anstrengungen die Belastungsgrenzen der Bürger im Kopf. „Was ist realisierbar, finanzierbar und vor allem durchsetzbar.“

SPD: Essen startet nicht am Nullpunkt bei Bemühungen um Schadstoff-Reduzierungen

Auf keinen Fall wolle man Maßnahmen beschließen, die am Ende beispielsweise dazu führten, dass Bürger ihre Autos nicht oder nur noch stark eingeschränkt nutzen könnten. Zudem starte Essen nicht am Nullpunkt bei den Bemühungen für mehr Schadstoffreduzierungen. „Ich sehe keinen Grund für diese unbedingte Eile.“ Zu fragen sei auch, ob das Ausrufen des Klimanotstands in Essen und ob entsprechende lokale Restriktionen „in Bezug auf das Weltklima eine erkennbare Wirkung zeigen“.

Bei aller Skepsis: Ganz entziehen werden sich CDU und SPD, die im Essener Rat zusammenarbeiten und eine klare Mehrheit haben, dem Klima-Thema wohl nicht. Sie planen einen gemeinsamen Antrag, der aber konkretere Fingerzeige enthalten soll als der jüngst aufgeschobene „Notstands“-Antrag von Grünen und Linken bietet.

Umweltdezernentin hält die Stadt auch im Verkehrsbereich für handlungsfähig

Stadt soll bei Beschlüssen stets Klima-Wirkung beachten

„Der Rat der Stadt Essen stellt fest, dass der globale Klimawandel die Stadt Essen längst erreicht hat und schließt sich den Städten an, die bereits den ,Klimanotstand‘ erklärt haben“, forderten Grüne und Linke in ihrem Antrag in der letzten Ratssitzung. Die Stadt Essen setze damit ein deutliches Zeichen, „dass die bisherige erfolgreiche städtische Klimapolitik weiterentwickelt werden muss“.

Der Rat „berücksichtigt ab sofort bei allen seinen Entscheidungen die Auswirkungen auf das Klima und bevorzugt Lösungen, die sich positiv auf Klima-, Umwelt- und Artenschutz auswirken.“ Bei negativen Auswirkungen von Entscheidungen „muss eine klimaschonende Alternative aufgezeigt und eine mögliche Kompensationsmaßnahme vorgeschlagen werden“.

„Was kann die Stadt Essen tun, was sie nicht ohnehin schon tut“, fragt sich Uhlenbruch und erwartet von der Stadtverwaltung das Auflisten machbarer Vorhaben, um Emissionen weiter reduzieren zu können. „Wir wollen die Debatte versachlichen“, betont Jörg Uhlenbruch. So verbessere man in Essen schon seit Jahren die energetische Effizienz in Schul- und Sportgebäuden. „Da könnten wir noch mehr leisten“, entsprechende Finanzierung vorausgesetzt. Manches andere, das klimarelevant sein könne, entziehe sich der kommunalen Kompetenz oder sei, wie der Verkehr, nur in langen Zyklen änderbar.

„Im Verkehrsbereich sind wir handlungsfähig“, gibt sich Umweltdezernentin Simone Raskob optimistischer. Allerdings räumt auch sie ein: „Wir brauchen alternative Angebote.“ Mit dem Begriff Notstand hat Raskob, die den Grünen nahesteht, weniger Probleme. „Politisches Pressing und politische Überspitzung sind wichtig für die Klima-Debatte.“ Und immerhin habe Essen seit 1990 die CO2-Emissionen um 33 Prozent reduziert.