Bedingrade. . Es gibt Mauern, die schreien geradezu danach, künstlerisch gestaltet zu werden. Die auf dem Gelände des Kleingartenvereins Reuenberg gehört dazu.

Der Kleingartenverein (KGV) Reuenberg liegt idyllisch in Bedingrade, abseits des Straßenverkehrs. Seit dem vergangenen Jahr trennt eine etwa 40 Meter lange und zwei Meter hohe Mauer die Kleingartenanlage von einem Nachbargrundstück. Die helle Farbe ist nicht abstoßend, eher langweilig. Ein Zeitgenosse empfand sie als „Wand der Schande“ und sprühte das in polnischer Sprache gleich auf. Auch der Kleingartenvorstand suchte nach einer Lösung.

„Mit Grafitti hatten wir ja schon Erfahrung“, erklärt KGV-Geschäftsführer Dirk Wiaczka. Das Gerätehaus am Eingang des Gartens, früher oft Ziel von Schmierereien, wurde vor Jahren auch mit Graffiti verschönert. „Seitdem ist Ruhe“, sagt Dirk Wiaczka.

Die Idee, die rund 80 Quadratmeter Mauerfläche mit Grafitti zu veredeln, nahm konkrete Züge an, als der Reuenberg-Geschäftsführer und der Kettwiger Künstler Matthias Scheidig sich kennenlernten. Im Winter traf man sich zum Ortstermin. Ein Thema war schnell gefunden: Motive aus Essen. „Ich habe jedes einzelne Motiv grob skizziert und mich danach an die Feinarbeiten gemacht“, erzählt der 42-Jährige. Noch sind nicht alle Feinheiten gesprüht. Die Motive sind aber schon deutlich zu erkennen. Der Doppelbock von Zollverein, Schloss Borbeck, der Wasserturm in Bedingrade, Stadion Essen, das Hundertwasserhaus, Kettwig mit der Brückenschänke, der Musikpavillon in der Gruga, die Villa Hügel – zu Füßen der Baldeneysee mit Segelbooten und einem Schiff der Weißen Flotte.

Matthias Scheidig ist Profi. Er kommt aus dem Ruhrgebiet, arbeitete aber unter anderem schon in Schottland, USA, Russland, Abu Dhabi oder Südafrika. Er bezeichnet sich selbst als hauptberuflichen Spielzeugdesigner und Zeichner. Die Ausbildung in Sachen Spielzeug lernte er im thüringischen Sonneberg, der ältesten Schule für Spielzeuggestaltung. Zur Spraydose griff er schon zu Schulzeiten. „Ich war Skateboarder, da gehörte es dazu“, sagt er mit einem verschmitzten Lächeln und einem Augenzwinkern. Heute rollt er mit einem Kleintransporter vor, den Kofferraum voll Farben, sprayt offiziell und verdient seinen Lebensunterhalt mit Kunst.

Zum Open-Air-Konzert soll das Werk vollendet sein

Zum Open-Air-Konzert, das der Kleingartenverein Reuenberg alle zwei Jahre auf der Wiese vor der Anlage veranstaltet, soll das Werk vollendet sein. Es findet am Samstag, 20. Juli, ab 19.30 Uhr statt (Hauptband Connemara Stone Company ab 20.30 Uhr).

Die Teilnehmerzahl ist auf etwa 500 begrenzt. Karten (11 Euro, Abendkasse 15 Euro) sind über die Vereinshomepage (www.kgvreuenberg.de/Konzerte/Kartenbestellung) erhältlich.

Nicht immer sind es Graffiti. Matthias Scheidig kann auch anders. Er hat einem über zwei Millionen teuren Ford „verbrannte Haut“ auflackiert oder für die Techno Classico einen Volvo äußerlich so gestaltet, als sei das gute Stück gerade erst in einer Scheune gefunden worden. Verrückt? Schon, aber es geht noch abgedrehter. Einem weiblichen Techno-DJ hat er als Markenzeichen einen Kopfhörer auf die Zahnkrone gemalt. „Mit einem einhaarigen Pinsel“, erzählt Matthias Scheidig. Die Spannweite seiner Arbeiten reicht von mikro bis makro. In einem Dorstener Erlebnisbad verschönerte der 42-Jährige eine Wand mit maritimen Motiven – satte 250 Quadratmeter.

Je kleiner, desto mehr halten die Arbeiten auf, sagt Matthias Scheiding. Für die bunte Bilderfolge am Reuenberg wird er am Ende fünf Tage vor Ort gewesen sein.