Essen. Bauleute stießen an der Huyssenallee auf Felsgestein und Kohle. Dennoch bleibt es beim Fertigstellungstermin 2022 für Wohnturm und Nebengebäude.

Sechs alte Häuser abgerissen, fast 200 Bohrpfähle bis zu 17 Meter tief in den Boden gerammt, rund 3000 Lastwagen-Ladungen mit Bauschutt und Bodenaushub - an der Huyssenallee mussten die Nachbarn in den letzten Monaten einiges ertragen. Mit einem Grillfest hat die Immobilienfirma von Investor Peter Jänsch Ende Mai versucht die Wogen zu glätten und nach dem Eindruck von Projektleiterin Kerstin Memering ist das auch durchaus gelungen. Im Spätherbst soll nun der Grundstein gelegt werden für das derzeit wohl spektakulärste Essener Bauprojekt: der Errichtung eines 60 Meter hohen Wohnturms gegenüber von Stadtgarten, Philharmonie und Aalto-Theater.

Das Baugrundstück. Nur das zehnstöckige Hochhaus bleibt, alle anderen Gebäude sind abgerissen. Neben dem Bestandsgebäude wird der neue 19-stöckige Wohnturm entstehen, an der Dreilindenstraße (unten) werden kleinere Wohnhäuser gebaut, links entlang der Heinrichstraße ein neues Bürohaus. Foto: Grundstücksgesellschaft Huyssenallee
Das Baugrundstück. Nur das zehnstöckige Hochhaus bleibt, alle anderen Gebäude sind abgerissen. Neben dem Bestandsgebäude wird der neue 19-stöckige Wohnturm entstehen, an der Dreilindenstraße (unten) werden kleinere Wohnhäuser gebaut, links entlang der Heinrichstraße ein neues Bürohaus. Foto: Grundstücksgesellschaft Huyssenallee

Vier Wochen ist das Projekt derzeit in Verzug, der Grund ist die mitunter tückische Essener Geologie. Die Bauleute trafen auf Fels, der den Bohrpfählen unerwartet großen Widerstand entgegensetzte. Der Essener Fels besteht aus Sandstein, der eine drei- bis vierfach höhere Härte als Beton besitzt, was enormen Verschleiß an Material bedeutet.

In 20 bis 30 Metern auf zwei Kohleflöze gestoßen

Aber das war nicht alles: „Wir sind außerdem auch in 20 bis 30 Metern auf zwei Kohleflöze gestoßen“, berichtet Memering. Zum Glück seien die Flöze intakt gewesen und nicht durch Schwarzabbau in früheren Jahrhunderten durchlöchert, sodass sich der Zeitverlust in Grenzen hielt. Zwar habe man im Vorfeld Probebohrungen unternommen, flächendeckend sei dies jedoch zu aufwendig, so Memering. Überraschungen sind dann hinzunehmen.

Bis Ende Juli soll die Baugrube fertig präpariert sein, einige Wochen danach ist dann die Grundsteinlegung geplant. Memering ist zuversichtlich, dass der Fertigstellungstermin im Jahr 2022 weiterhin realistisch ist. Dafür soll die Verpflichtung des Generalunternehmers Zechbau bürgen, der in Essen unter anderem das Messe-Hotel neben der Grugahalle errichtete. „Die Bauunternehmen sind derzeit sehr gut ausgelastet, wir sind froh, dass wir Zechbau gewinnen konnten“, so Memering. Das Investitionsvolumen des Gesamtprojekts beträgt nach jetzigem Stand mindestens 45 Millionen Euro.

Das Wohnhochhaus in der Computeranimation, rechts daneben entlang der Heinrichstraße das neue Bürohaus. Foto: Grundstücksgesellschaft Huyssenallee
Das Wohnhochhaus in der Computeranimation, rechts daneben entlang der Heinrichstraße das neue Bürohaus. Foto: Grundstücksgesellschaft Huyssenallee

Neben dem Wohnturm gibt es weitere Neubauten

Der Wohnturm ist zwar das markante Ausrufezeichen, es entstehen aber neben dem Hochhaus an der Huyssenallee und dahinter an der Dreilindenstraße drei weitere Gebäude. Ein Mehrfamilienhaus wird öffentlich gefördertes Wohnen primär für ältere Menschen ermöglichen, ein zweites Haus geht in die freie Vermietung. In einem Gebäude sind Büros vorgesehen. Die in Essen vertretene und international tätige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse-Coopers (PwC) wird die 4200 Quadratmeter komplett beziehen, der Vertrag ist bereits unterzeichnet.

Die Höhe dieser Nebengebäude bewegt sich im Rahmen dessen, was auf der Huyssenallee bislang üblich ist, also vier Vollgeschosse. Zusätzlich gibt es ein zehngeschossiges Bestandshaus südlich des neuen Wohnturms, das ebenfalls für Büros vorgesehen ist.

Obere Geschosse sind Eigentumswohnungen, untere Mietwohnungen

Insgesamt entstehen im Dreieck Huyssenallee/Heinrichstraße/Dreilindenstraße fast 16 000 Quadratmeter Nutzfläche, die ganz unterschiedlich vermarktet werden sollen. Die besonders aussichtsreichen Etagen 10 bis 19 des Hochhauses sind als Eigentumswohnungen vorgesehen, die unteren Etagen gehen in die Vermietung. „Die Grundrissse sind jetzt fertig, im Spätsommer beginnt die Vermarktung“, sagt Kerstin Memering. Anfragen gebe es bereits viele. Jede der 19 Etagen im Hochhaus wird 400 Quadratmeter Grundfläche haben, wobei variable Grundrisse zwischen 70 und 180 Quadratmeter entstehen. Unter dem Haus entsteht ferner eine dreigeschossige Tiefgarage mit 208 Einstellplätzen.

Projektleiterin Kerstin Memering und Bauleiter Thomas Groß Anfang Januar 2019, als die Aushubarbeiten noch am Anfang standen.
Projektleiterin Kerstin Memering und Bauleiter Thomas Groß Anfang Januar 2019, als die Aushubarbeiten noch am Anfang standen. © Foto: Klaus Micke

Da die Huyssenallee derzeit einen leicht verödeten Eindruck macht, verbindet sich mit den Neubauten auch die Hoffnung auf eine Belebung. Drei geplante Gewerbeflächen in den Erdgeschossen - überwiegend genutzt wohl von Gastronomien - sollen dazu einen wichtigen Beitrag leisten.

Huyssenallee entstand durch eine Schenkung an die Stadt

Die Huyssenallee verdankt ihre Entstehung einer Grundstücksschenkung des Essener Kaufmanns und Industriellen Heinrich Arnold Huyssen an die Stadt Essen. Die Schenkung machte den besonders großzügigen Zuschnitt der Straße möglich, die sich in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts rasch zu einer Prachtstraße für die Wohnbedürfnisse des gehobenen Bürgertums entwickelte. Auch die unmittelbare Nähe zum Stadtgarten machte diese Entwicklung möglich.

Im Zweiten Weltkrieg wurden die Gründerzeithäuser nahezu vollständig zerstört, der Wiederaufbau erfolgte im Stil der 1950er Jahre, es gab kaum noch Wohnnutzung, dafür überwiegend Büros. Dies soll nun teilweise wieder geändert werden.