Essen. Menschen, die wegen hoher Schulden ihre Miete nicht bezahlen können, gehören zum Alltag der Essener Schuldnerberater. Sie bieten Hilfe an.

Bei Schuldnerberater Volker Naujok von der Verbraucherzentrale taucht das Thema immer häufiger auf: Essener drohen ihre Wohnung zu verlieren, weil sie vor lauter Schulden ihre Miete nicht mehr bezahlen können. Zahlen dazu hat Naujok zwar nicht, sagt aber: „Das ist mittlerweile Alltag in unserer Beratung.“

Die Wohnungsknappheit in der Stadt macht es nicht einfacher, denn Vermieter sind mit Kündigungen offenbar rigoroser, weil sie schneller wieder einen Mieter finden. Volker Naujok appelliert daher an die Betroffenen, es möglichst nicht so weit kommen zu lassen und sich bei Mietschulden dringend Hilfe zu holen. „Wichtig ist es, die richtigen Prioritäten zu setzen, wenn das Geld knapp wird. Das schaffen viele aber nicht“, sagt der Schuldnerberater.

Anlaufstelle ist neben der Verbraucherzentrale beispielsweise die Schuldnerhilfe Essen. „Wir bieten nicht nur Insolvenzberatung an, sondern kümmern uns immer zuerst um die Existenzsicherung“, betont Naujoks. Dazu gehört die die Energieversorgung genauso wie die Wohnung. Das heißt, die Schuldnerberater suchen das Gespräch mit dem Vermieter, um beispielsweise Ratenzahlungen für die Mietrückstände zu vereinbaren. In vielen Fällen würden die Vermieter dem auch zustimmen.

In Essen gelten derzeit fast 69.000 Erwachsene als überschuldet. Die Schuldnerberater von Verbraucherzentrale und Schuldnerhilfe erreichen in ihren Beratungen dabei längst nicht alle Betroffenen. Um stärker auf ihre Hilfsangebote hinzuweisen, starten sie nächste Woche eine Aktionswoche zum Thema „Schulden und Wohnen“. An zwei Tagen wird es eine Hotline geben, an der sich Betroffene oder Angehörige Informationen holen können (siehe Kasten).

Der drohende Wohnungsverlust für Menschen mit Mietschulden ist jedoch nur ein Problem. Schwierig wird es auch, wenn verschuldete Menschen eine neue Wohnung suchen müssen – und das besonders in Zeiten knapper Wohnungen. Denn wie Naujoks weiß: „Es ist heute die Regel, dass Vermieter eine Schufa-Auskunft verlangen.“ Und dann hätten Betroffene – auch wenn sie ihre Miete immer pünktlich gezahlt haben – bei einer negativen Schufa-Auskunft meist keine Chance.

Wohnungssuche wird mit Schulden im Rücken deutlich schwieriger

Eine Erfahrung, die Christian W.* gemacht hat. Dem ehemaligen Kneipenbesitzer sind 20.000 Euro Schulden geblieben. Als sich seine Freundin von ihm trennte, suchte er ein Dreivierteljahr vergeblich nach einer kleinen, günstigen Wohnung. Die sind sowieso rar in Essen. „Anfangs habe ich den Vermietern immer sofort gesagt, in welcher Situation ich bin. Ich wollte mit offenen Karten spielen.“ Doch da es trotzdem nie zu einem Mietvertrag kam, wurde Christian W. vorsichtiger. „Ich habe dann immer erst gewartet, ob der Vermieter eine Schufa-Auskunft verlangt“. Um nicht obdachlos zu sein, gewährten ihm Freunde all die Zeit eine Bleibe in ihrer WG. „Darüber bin ich natürlich dankbar, es war aber auch erniedrigend für mich“, sagt Christian W. Am Ende hatte er Glück. Er fand eine kleine Wohnung sogar im Essener Süden. Der Vermieter wollte keine Schufa-Auskunft haben.

Hotline und Kontakt zu den Schuldenberatern

Verbraucherzentrale und Schuldnerhilfe Essen starten am 3. und 5. Juni eine Hotline zum Thema „Wohnen und Schulden“. Die Die Hotline ist zu folgenden Zeiten freigeschaltet: Montag, den 3.6., von 9 bis 12 Uhr. Mittwoch, den 5.6., von 15 bis 18 Uhr. Die Schuldenberater sind unter folgenden Telefonnummern erreichbar: 02 01/64 95 74 15 und 02 01/64 95 74 16

Jederzeit können Betroffene die Beratung der Verbraucherzentrale und Schuldnerhilfe in Anspruch nehmen: Die Mail an die Verbraucherzentrale (Hollestraße 1) lautet: essen.sib@verbraucherzentrale.nrw. Die Schuldnerhilfe (Pferdemarkt 5): mailto@schuldnerhilfe.de

Philipp Hennen, Geschäftsführer der Schuldnerhilfe, kennt solche Fälle auch aus seiner Beratungspraxis. Bedrückend würde es vor allem, wenn Frauen in einer solchen Notlage in die Beratung kämen und sich dann nicht mehr meldeten. „Da fragt man sich natürlich, wo und wie diese Frauen untergekommen sind.“ Naujok und auch Hennen können meist nicht viel tun, verweisen bei drohender Obdachlosigkeit an die Stadt. „Wenn wir allerdings erfahren, dass der- oder diejenige eine Wohnung bekommen könnte und es nur an der Schufa liegt, dann treten wir auch gern als Fürsprecher auf“, betont Naujok.

Hennen würde sich einen besseren Draht zur Essener Wohnungswirtschaft wünschen. „Wir haben zwar Kontakte, aber keine regelmäßigen.“ Er glaubt, dass die Schuldnerhilfe den Betroffenen dann früher helfen könnte - ob bei der Wohnungssuche oder bei drohender Kündigung. Das müsste auch im Interesse der Unternehmen sein, meint er. Allerdings sehe die Wohnungswirtschaft die Schuldnerberater eher als Gegner, weil sie Menschen in die Privatinsolvenz begleitet. Und dann gehen Mietschulden in die Insolvenzmasse ein und der Vermieter schaut in die Röhre. „Doch so weit muss es gar nicht kommen“, meint auch Naujok.

*Name geändert