Essen. Im Jahr des 100-jährigen Bestehens geht der Ruf des Universitätsklinikums Essen (UK) weit über die Stadtgrenzen hinaus. Denn wenn Spitzenmedizin notwendig ist, so finden Patienten sie genau hier. Ein Interview mit Dr. Gerald Holtmann, Ärztlicher Direktor des Uni-Klinikums.

Was fasziniert Sie an der Geschichte des UK?

Dr. Gerald Holtmann: Eine spannende Zeit liegt hinter uns, wir stecken aber auch mittendrin. Medizinische Veränderungen aber auch der Wandel im Gesundheitssystem waren und sind an der Tagesordnung. Faszinierend ist vor allem, dass man in vielen Bereichen inzwischen so weit gekommen ist. Es gelingt heute, bestimmte Tumorerkrankungen zu heilen, was vor Jahren noch undenkbar war.

Welche Stellung hat das Universitätsklinikum heute?

Holtmann: Das Uniklinikum ist medizinischer Schrittmacher für die ganze Region. Durch die Lage mitten im Ballungsraum Ruhrgebiet stehen die Leistungen des UK rund fünf Millionen Menschen zur Verfügung. Während es hier viele sehr gute Krankenhäuser gibt, hat das UK die Chance auch durch Forschung und Innovationen besondere Versorgungsangebote zu entwickeln, die dem Anspruch auf Spitzenmedizin gerecht werden.

Was hat das UK dahin gebracht, wo es heute steht?

Holtmann: Das UK lebte und lebt vor allem von den herausragenden Persönlichkeiten und Ärzten, wie Prof. Dr. Gerhard Meyer Schwickerath, der für seine Leistungen in der Augenheilkunde für den Nobelpreis vorgeschlagen war. Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Eigler, der die Transplantationsmedizin geprägt hat, oder Prof. CG Schmidt, der das Konzept eines überregionalen Zentrum verwirklichte, in dem Ärzte und Wissenschaftler gemeinsam arbeiten. Dies hat sich bis heute nicht geändert. Herausragende Persönlichkeiten wie z.B. Prof. Dr. Raimund Erbel haben hier ein Umfeld in dem Visionen Realität werden, wie das Westdeutsche Herzzentrum zeigt, das heute bereits Modellcharakter besitzt.

Wie haben sich die Schwerpunkte des UK entwickelt, welche Chance bieten sie?

Holtmann: Die Grundlagen für Vieles, wofür wir heute große Erfolge verzeichnen, wurden bereits vor Jahrzehnten gelegt. So in den Bereichen der Transplantation und Onkologie. Der Schwerpunkt Herz-Kreislauf bildete sich erst in den 90er Jahren heraus. Dazugekommen ist der Bereich der Infektiologie und Immunologie, dem eine Schnittstellenfunktion für die anderen Schwerpunkte zukommt.

Leitbild ist „Spitzenmedizin und Menschlichkeit“. Aber ist Spitzenmedizin zukünftig noch bezahlbar?

Die Ressourcen im Gesundheitswesen sind nicht unbeschränkt. So ist es unerlässlich in der Medizin aber auch im Management evidenzbasiert zu handeln und so auch mit knappen Ressourcen Spitzenmedizin und Menschlichkeit Realität werden zu lassen.

Was bedeutet das genau?

Holtmann: Um eine größtmögliche Effizienz hinsichtlich Patientenversorgung, -sicherheit und –zufriedenheit zu erreichen, müssen alle Abläufe im Krankenhaus auf den Prüfstand. Im Einzelnen bedeutet das, dass beispielsweise Ärzte oder Pflegekräfte von organisatorischen Tätigkeiten entlastet werden müssen, um mehr Zeit für ihre Patienten zu haben.

Besteht bei knapper werdenden Ressourcen nicht trotzdem die Gefahr, dass die Menschlichkeit irgendwann auf der Strecke bleibt?

Holtmann: Der Mensch steht immer im Mittelpunkt. Die wachsenden Patientenzahlen, die immer kürzeren Liegezeiten sowie die zunehmende Patientenzufriedenheit zeigen, dass unser Konzept richtig ist. Die Grenzen des medizinisch Machbaren verschieben sich auch durch die Erfolge von medizinischer Forschung immer weiter. Ziel ist, nicht an der Qualität zu sparen oder auf Fortschritt zu verzichten sondern wirtschaftlich optimale Abläufe zu sichern.