Ruhrgebiet.. Was möchte das Baby bloß, wenn es schreit? Eine Expertin erklärt, wie wir die Laute richtig deuten. Und warum es so wichtig ist, zu reagieren.


Essen? Schlafen? Nuckeln? Was möchte das Baby bloß, wenn es schreit? Nicht selten stehen Eltern vor einem Rätsel. Gerade in den ersten Lebenswochen, wenn Mama, Papa und das Kind sich noch kennen und verstehen lernen müssen. Mal klingen die Laute des kleinen Menschen herzzerreißend, mal quengelig, mal schrill. Dr. Lukka Popp kennt die Sprache der Kleinen ganz genau. Sie arbeitet am Lehrstuhl für Klinische Kinder- und Jugendpsychologie an der Bochumer Ruhr-Universität, ist selbst Mutter von zwei kleinen Kindern (3 Monate und 3 Jahre) und bringt die Erfahrung aus einer Baby- und Kleinkindsprechstunde mit.

Warum Babys überhaupt schreien

Dr. Lukka Popp arbeitet als Kinder und Jugendpsychologin an der Bochumer Ruhr-Uni.
Dr. Lukka Popp arbeitet als Kinder und Jugendpsychologin an der Bochumer Ruhr-Uni. © Unbekannt | Unbekannt






Kein Kind wird als Wortakrobat geboren. „Das Schreien ist die früheste Ausdrucksmöglichkeit. Es sichert das Überleben, denn jeder Erwachsene reagiert darauf“, sagt Lukka Popp. Viele Eltern werden rasch zu Experten und verstehen ihr Baby besser als jeder andere Mensch auf der Welt. Eine kleine Übersetzungshilfe „Baby – Deutsch / Deutsch – Baby“ kann in einigen Situationen trotzdem hilfreich sein und Kommunikationsmissverständnisse beseitigen. Übrigens: Experten vermeiden es, Babys Rabatz als „Weinen“ zu bezeichnen. Das klinge zu emotional bedeutungsvoll. Also bleiben wir beim Schreien.

Was das Baby sagen will - eine Übersetzung


Meistens geht es den Kleinen um Grundbedürfnisse. Sie fordern Zuneigung, Nahrung, Schlaf oder ein Ende des Bauchwehs, wenn sie sich bemerkbar machen. Jedes Baby ist anders, aber viele drücken sich doch ähnlich aus. Nämlich so:




Unzufriedenheit/Überreizung: Das Köpfchen dreht sich weg, der Rücken wird gestreckt, Bewegungen erscheinen verkrampft. „Babys kann es schnell zu viel werden. Dann empfinden sie schon Gespräche oder Gesichter in ihrer Nähe als anstrengend“, sagt die Psychologin.




Hunger: Kündigt sich zunächst häufig durch Saug- oder Schmatzgeräusche an. Oder auch durch ein Grummeln. „Jetzt geht es darum, schnell zu reagieren“, so Lukka Popp. Denn in der nächsten Alarmstufe entscheide sich das hungrige Kind oft für das Schreien.




Müdigkeit: Typisches Merkmal ist ein sich hin- und herdrehendes Köpfchen, teils wild und unrhythmisch. „Manche Kinder greifen an die eigenen Ohren oder an die Ohren der Eltern“, sagt die Expertin.




Bauchweh: Gerade in den ersten drei Lebensmonaten ein häufiger Grund für Unmutsäußerungen. Die sogenannten Dreimonatskoliken können sich in heftigen Schreiattacken ausdrücken. „Hier sollten Eltern ausprobieren, was ihrem Kind guttut“, rät Popp. Beispielsweise ein Bäuerchen zu unterstützen, das Baby in den Fliegergriff zu nehmen, eine kleine Bauchmassage oder auch eine Wärmelampe oder ein Kirschkernkissen.

Wie Babys Nachmacher finden

Wenn Erwachsene plötzlich das Gebrabbel imitieren, sind Babys damit nicht nur völlig einverstanden, sie finden es sogar toll. „Das ist der erste kleine Dialog und die einfachste Form des Lernens.“

Die größten Fehler, wenn Babys schreien

Auf gar keinen Fall sollte man schreiende Babys ignorieren, rät die Kinderpsychologin. Auch wenn der Stress groß und die Stimmung auf dem Tiefpunkt sei. Es sei erwiesen, dass Babys weniger laut und weniger lange schreien, wenn die Eltern konsequent reagieren. Ganz gefährlich sei es, die kleinen Menschen zu hart anzufassen und im Eifer des Gefechts zu schütteln. Das könne angesichts der noch weichen Muskulatur zu schweren Verletzungen bis hin zum Tod des Babys führen. Wer sich gestresst fühlt, sollte das Baby kurz an einem sicheren Ort ablegen. Beispielsweise in einem Kinderbettchen ohne Decken. Und sich durch ein kurzes Telefongespräch, etwas Musik oder ein Getränk ablenken, um dann mit mehr Geduld und Kraft zum Baby zurückzukehren.

>> WIEVIEL SCHREIEN IST ZU VIEL?


  • Bis zur sechsten Lebenswoche gilt es als normal, wenn das Baby täglich ein bis zwei Stunden schreit. In den nächsten Wochen kann sich die Schreidauer auf bis zu 2,5 Stunden am Tag erhöhen. Danach sollte das Baby ruhiger werden und ab etwa dem vierten Lebensmonat nur noch rund eine Stunde am Tag schreien.
  • Wichtig ist, so Expertin Lukka Popp, auf das eigene Bauchgefühl zu hören und die Antennen auszufahren, ob das Baby unter dem Schreien leidet und vielleicht nicht ausreichend Schlaf oder nicht genug Ruhe zum Essen bekommt. Dann sollte ein Kinderarzt oder Unterstützung aufgesucht werden.

  • Die Baby- und Kleinkindersprechstunde an der Bochumer Ruhr-Uni ist per Mail unter ambulanz-kjp@rub.de zu erreichen.