Essen. . An einem Essener Gymnasium hat ein Schüler offenbar ein Kinderporno-Bild verschickt. Eine Expertin erklärt, was Porno in Digitalzeiten anrichtet.

Der Umgang Jugendlicher mit pornografischem Material auf dem Smartphone stellt viele Familien und Schulen vor erhebliche Probleme. Das berichtet Angela Felix, die Leiterin der Familien- und Erziehungsberatungsstelle der CSE, dem neuen Unternehmen von Caritas und SkF in Essen.

Nach dem Fall am Helmholtz-Gymnasium, wo ein Oberstufenschüler ein offenbar kinderpornografisches Foto mit seinem Smartphone verbreitete, sprach unsere Redaktion mit der Kinder- und Jugendpsychotherapeutin.

Frau Felix, wie geht man mit dem Fall am Helmholtz-Gymnasium um?

Mich wundert das Alter des Schülers – er ist ja schon 16 oder 17. Es ist etwas anderes, ob ein 13-Jähriger so etwas tut oder jemand, der drei oder vier Jahre älter ist. Da müsste eigentlich das Verantwortungsgefühl stärker ausgeprägt sein. Er muss auf jeden Fall strafrechtlich bewertet werden.

Reife Entscheidungen sind in der Pubertät kaum möglich

Wie begegnet Ihnen das Thema in Ihrer Arbeit als Beraterin?

Jugendliche sind heute massiv überfordert durch Smartphones und die ständige Verfügbarkeit ungefilterter Daten und Informationen, somit auch von pornografischem Material. Sie werden ständig dazu genötigt, erwachsene und reife Entscheidungen zu treffen, dabei sind sie dazu in der Pubertät oft hirnphysiologisch noch gar nicht in der Lage.

Warum nicht?

Der Teil des Gehirns, der so genannte reife Entscheidungen trifft, wird in der Pubertät erst als letztes ausgebildet. Trotzdem verlangen wir Jugendlichen ständig Reife und Umsicht ab, was gerade im Umgang mit Smartphones sehr schwer ist.

Was hat sich durch Smartphones verändert?

Es gibt bei Jugendlichen ein großes Bedürfnis nach Intimität, doch der fahrlässige Umgang mit Nacktbildern, auch von ihnen selbst, steht dazu im krassen Widerspruch. Wir haben in der Beratung oft Fälle, wo Jugendliche kurz davor sind, sich umbringen zu wollen, weil sie aufreizende Bilder von sich selbst gedankenlos an Freunde verschickt haben. Und die haben die Bilder dann weitergeleitet. Das stürzt die Betroffenen in abgrundtiefe Krisen.

„Pornografie suggeriert, dass man sich alles nehmen kann, was man haben will“

Was macht Pornografie mit Jugendlichen?

Sie überfordert sie, setzt sie unter Druck, verunsichert sie, zerstört den Schutzraum, den aufkommende Sexualität eigentlich benötigt. Pornografie ist keine Vorlage für echte Sexualität, doch sie suggeriert den Jungs, sich alles nehmen zu können, was man haben will. Und den Mädchen, ständig verfügbar sein zu müssen. Hinzu kommen völlig unrealistische, überzeichnete Klischees von männlichen und weiblichen Körpern und deren Leistungsfähigkeit.

Hat die Digitalisierung das Problem verschärft?

Auf jeden Fall. Wir kommen überhaupt nicht hinterher, allein, was die strafrechtliche Bewertung angeht von der Verbreitung jugendgefährdender Inhalte. Da hat sich eine Parallelwelt entwickelt, in der die Jugendlichen den Erwachsenen mindestens zwei Schritte voraus sind.

Was bringen Handyverbote bei Jugendlichen?

Gar nichts meiner Meinung nach, weil es auf Dauer weder möglich noch durchzuhalten ist. Wir müssen mit der jungen Generation im Gespräch bleiben über das, was sie mit dem Handy machen. Wir dürfen nicht müde werden, die Wertediskussion zwischen Generationen mit ihnen zu führen.

Im Übrigen beobachte ich, dass derzeit eine Generation aufwächst, die mit digitalen Medien erstmals bewusster umgeht. Aus Facebook auszusteigen, Instagram gezielter einzusetzen, überhaupt das Smartphone vor allem als Kommunikationsmittel zu nutzen, nicht als Dauer-Ablenkungs-Instrument. Ein guter Trend.