Essen. . Müllautos sollen in engen Straßen nicht rückwärts fahren. In Essen-Frohnhausen wurde deshalb Müll über Wochen nicht abgeholt, klagt ein Anwohner.

Thomas Kauder wohnt in Essen-Frohnhausen in einer schmalen Sackgasse, gleich am Wendehammer. Durch parkende Autos wird es da schon mal eng. Dass sich die Müllabfuhr aber drei Wochen nicht sehen lässt, das hatte es noch nicht gegeben. „Die Ratten liefen schon über die Straße“, berichtet der Anwohner. Mehrfach habe er deshalb mit den Entsorgungsbetrieben telefoniert. „Mit mäßigem Erfolg“.

Erst in der vierten Woche seien die grauen Restmülltonnen wieder geleert worden. Thomas Kauder war dabei aufgefallen, dass auf dem Wagen eine andere Besatzung fuhr als sonst üblich. Von einem der Müllmänner habe er erfahren, warum die Tonnen so lange nicht geleert wurden: Der Fahrer wollte in der schmalen Straßen nicht rückwärts fahren. „Wir haben uns da nicht so“, habe der Müllwerker noch gesagt.

Müllfahrzeuge dürfen nur noch unter strengen Auflagen rückwärts fahren

Was Anwohner Thomas Kauder beschreibt, hat einen rechtlichen Hintergrund: Seit 2017 dürfen Müllfahrzeuge nur noch in Ausnahmefällen unter strengen Auflagen rückwärts fahren. Eine entsprechende Regelung hatten die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) erlassen. Die Straße muss mindestens 3,50 Meter breit sein, maximal 15 Meter darf der Fahrer rückwärts fahren, über den Rückspiegel muss er Blickkontakt zu einem Einweiser halten, so dass niemand zu Schaden kommt.

Müllwagen dürfen nicht in allen Straßen rückwärts fahren.
Müllwagen dürfen nicht in allen Straßen rückwärts fahren. © Uwe Möller

In Essen und auch anderen Kommunen wurde die neue Regel großzügig übersehen. Inzwischen sei die Einsicht gereift, „dass wir so wie bisher nicht mehr weitermachen können“, sagt Bettina Hellenkamp, Sprecherin der Entsorgungsbetriebe (EBE). Denn die Unfallkassen schauen mittlerweile genauer hin, ob die Kommunen die Regel auch umsetzen. Aktuell sei die EBE dabei sämtliche Straßen zu erfassen und auf mögliche Engstellen hin zu überprüfen. Bis das Ergebnis vorliegt, könne es noch Monate dauern.

In 41 Straßen ist das Rückwärtsfahren zu gefährlich

Im Essener Süden, im Stadtbezirk IX sind die Entsorgungsbetriebe schon weiter. 144 Straßen wurden in den Stadtteilen Kettwig, Werden, Bredeney, Heidhausen, Fischlaken und Schuir erfasst. Davon wurden 41 Straßen identifiziert, in denen das Rückwärtsfahren als zu gefährlich eingestuft wird.

Was das für die Leerung der Tonnen in diesen Straßen bedeutet, ist eine andere Frage, die im Einzelfall beantwortet werden müsse, heißt es bei der EBE. Denkbar sei, dass die Stadt für den jeweiligen Leerungstag ein Haltverbot erlässt und dieses auch durchsetzt. Womöglich gebe es Grundstückseigentümer, die der EBE erlaubten, dass die Müllwagen in ihrer Einfahrt wenden. Denn fehlende Wendemöglichkeiten seien gerade in Sackgassen häufig ein Problem.

Dass Landgericht Gießen hat jüngst in einem Eilverfahren entschieden, dass Anwohner verpflichtet werden können, ihre Mülltonnen zu einem Sammelplatz zu bringen, so dass sie dort von der Müllabfuhr geleert werden können. Die betroffenen Straßen seien zu schmal, als dass ein Müllwagen hineinfahren könne. Bis dahin hatten Mitarbeiter des Entsorgungsunternehmens die Tonnen aus der Straße bis zum Fahrzeug gerollt. Eine Entfernung von 110 Metern bis zum Sammelplatz hält das Gericht für zumutbar.

Fahrer sollen kein unnötiges Risiko eingehen

So lange kein Rückfahrverbot für eine konkrete Straße angeordnet wird gilt: Der Fahrer entscheidet nach eigenem Ermessen, ob er dort rückwärts fährt oder nicht. „Der Fahrer ist für das Fahrzeug verantwortlich. Er sollte kein unnötiges Risiko eingehen. Das ist uns wichtig“, sagt dazu EBE-Betriebsratsvorsitzender André Tilke.

Dass die Unfallkassen ganz genau hinschauen, mag dazu führen, dass Fahrer ihre Entscheidung noch vorsichtiger abwäge. Im Klartext heißt das: Die Mülltonne kann auch mal ungeleert stehen bleiben. EBE-Sprecherin Bettina Hellenkamp will nicht ausschließen, dass es „manchmal auch länger als eine Woche“ dauert, bis der Müll abgeholt wird, wie bei Familie Kauder in Frohnhausen augenscheinlich geschehen. Thomas Kauder hat dafür kein Verständnis. Eine Antwort der EBE zu dem konkreten Fall steht noch aus.